in der Nähe grosser Gewässer wohnen, eben so sehr auf die Fischnahrung
als auf die Thiere des Landes und auf verhältnissmässig wenige essbare
Vegetabiliën hingewiesen werden, so kann es nicht befremden,
wenn sie, bei aller übrigen Rohheit, dennoch in der Kunst des Fischfangs
eine grosse Fertigkeit und sogar Kenntnisse besitzen, die bei uns
gänzlich unbekannt sind. Der Fischfang des Indianers ist entweder eine
Jagd, mit denselben Waffen, die er auch gegen andere Thiere und im
Kriege anwendet, oder ein Fangen, indem er den Fisch bald seinem
Elemente entzieht, bald durch allerlei mit dem Wasser vermischte Stoffe
in Betäubung versetzt. Die Jagd auf Fische geschieht mit Lanzen,
Wurfspiessen, Tfeilen, oder mit der Estolica. Die Pfeile haben gewöhnlich
Widerhacken an den Spitzen, und sind aus zwei von einander
trennbaren Stücken zusammengesetzt. Sobald die Spitze in dem
getroffenen Fische haftet, und dieser in die Tiefe geht, wickelt sich eine
feine Schnur vom Vordertheile des Pfeiles ab, der Hintertheil bleibtauf
der Oberfläche des Wassers zurück, und zeigt dem Jäger, wo der
Fisch zu holen sey. Unglaublich ist die Geschicklichkeit, die der Indianer
im Schüsse auf pfeilschnell und unter der Wasserfläche dahineilende
Fische bewährt. Er weiss die, durch die Brechung des Bildes im Wasser
bewirkte, Täuschung zu berechnen, und verfehlt selten sein flüchtiges
Ziel. Vorzüglich geschickt in dieser Waffengattung sind dieiPöÄ-
sés, denen ich desshalb oft ein reichliches Mahl am Rio Kupurä verdankte,
als uns die Lebensmittel ausgegangen waren. Einige Stämme, wie die eben
genannten und die Ju ris, rühmen sich so guter Bogenschützen, dass sie
sogar Schildkröten erlegen könnten, indem sie den Pfeil so gut berechnet
in die Luft schiessen, dass e r , senkrocht herabfallend den hervorgestreckten
Hals des Thieres, die einzige verwundbare Stelle, durchbohren
muss. Die Estolica ist ein Brett vom leichten Holze des Cedro-
oder Ambaüvabaumes, dessen sie sich statt einer Schleuder für lange
und schwere Pfeile bedienen, indem sie das parallel in eine Rinne oder
auf einen niedrigen Quersteg gelegte Wurfgeschoss mit einer unscheinbaren
Bewegung der Hand ab werfen. Wir fanden diese Waffe nur
bei einigen alten Indianern vom Stamme der Cambevas und Sorimoês
in Ega; sie scheint in den östlicheren Gegenden unbekannt zu seyn.
(Ein ähnliches Wurfwerkzeug der Tecunas haben wir bei den andern
Waffen, Nro. 25., abgebildet.) — Eine ganz verschiedene Art des
Fischfangs, die man in Europa wohl schwerlich anders als bei Schleus-
sen der Fischteiche anwendet, sollten wir noch am Spätabend des 16.
Septembers sehen. Sie besteht in nichts Geringerem , als die Fische in
kleinen Bächen durch plötzliches Ausschöpfen des Wassers auf das Trockne
zu setzen. Unser Fahrzeug lag an einer Landspitze vor Anker ,
durch die ein seichter Wassergraben in den Amazonas herabkommt.
Einer unserer Vormänner im Fahrzeug, den seine Cameraden wegen
ungewöhnlicher Corpulenz (in Vergleichung mit dem dickbauchigen Affen
Barrigudo oder Panzo) den Igaratiyba Barrigudo nannten, hatte,
wahrscheinlich dem Fischerglücke der Uebrigen zu Gunsten seines unersättlichen
Appetites nicht genug vertrauend, sich in der Gegend umgesehen,
und kam von dorther mit wohlgefälligem Schmunzeln unter
dem Ausruf zurück: Jassoana! Aique Igapujäl Aique Piraete l Coru-
tim! (Lasst uns gehn! Da giebt’s Fische auszuschöpfen, viele Fische!
Eilig!) Fast Alle Hessen die angefangene Arbeit zurück, und liefen, einige
Cujas und Schildkrötenschaalen in den Händen, zu dem Bache;
durch zwei niedrige Sandbänke dämmten sie das stillfliessende Wasser
in einer Ausdehnung von sechs Klaftern ein, und warfen nun mit solcher
Schnelligkeit das Wasser zwischen den ausgespreitzten Füssen rückwärts,
dass in weniger als zehn Minuten eine Menge von Fischen auf
trocknem Grunde zappelten. Die Uebereinkunft, was von dieser Beute
mitzunehmen, was zurückzulassen sey, schien ihnen grössere Mühe zu
machen, als die Arbeit; denn darüber stritten sie lange, indem ein Jeder
die Eigenschaften seines Lieblingsfisches anpriess, und am Ende kam
ihnen unser Ausspruch sehr gelegen, dass alle mitgenommen, und diejenigen,
welche nicht zur Speise dienten, für die Sammlung in das
Fass mit Branntwein geworfen werden sollten. v) Unser dickbäuchiger *)
*) Wir fingen hier: eine Art Sorubim, Platystoma Lima, (Pisces bras. t. i$.), der nebst
dem köstlichen Pirinambu (Pimelodus Pirinambü, ibid. t. 8.) zum Hauptgerichte ausgewählt
ward; ferner: Pimelodus Spixii (t. 7. f. 1.), Engraulis tricolor (t. 23. f. 1.), Anodus latior (t.41.),