Verwandten waren hier durch den Umgang mit Wei9sen, oft binnen
wenig Jahren, zu einer an Sitte und Sprache fast gleichartigen Bevölkerung
umgeschmolzen worden. Die wenigsten hatten volle Erinnerung
an ihre ursprüngliche Sprache erhalten, aber eben so wenig die portugiesische
oder die Lingua geral vollkommen eingelernt ; vielmehr hatte
jeder Einzelne besonders die letztere Sprache nach seinen eigenen Fähigkeiten
umgemodelt. Die Lingua geral fängt schon hier an, das allgemeine
Vehikel zu seyn, wodurch die Ansiedler mit den Indianern
verkehren; aber ihre vocalreichen Wohlklingenden Worte werden von
den verschiedenen Stämmen auf manchfaitige Weise umgebildet, verstümmelt
und verdorben, so dass man bisweilen nur’ ein unklares Gemurmel
oder Schnalzen vernimmt. Diese durch Zufall vereinigten Indianer
kommen übrigens unter einander ganz vorzüglich in dem Hasse
überein, den sie, jeder Einzelne gemäss der angeerbten Eindrücke und
Gefühle seines Stammes, gegen irgend einen andern Stamm tragen.
Nichts kann niederschlagender für den Menschenfreund seyn, als die
Bemerkung, wie tief gerade diess Gefühl der nationellen Feindschaft
und Verfolgungswuth in der Seele des Indianers wurzelt. Es ist so
mit seiner Natur verwebt, dass man selten Erkundigungen über irgend
einen Stamm einzieht, ohne dass der befragte Indianer aus eigenem
Antriebe die erklärten Feinde desselben angäbe. Auf einem ähnlichen,
wenn gleich gemilderten, Gefühle beruht auch der Unterscheidungsname,
welchen die unter den Weissen wohnenden und ihrer Stammeigenthüm-
lichkeiten verlustigen Indianer sich selbst geben. Sie nennen sich nämlich
mit Selbstzufriedenheit die Canicarùz, was etwa so viel als die Bekleideten,
Gebildeten, bezeichnen soll; die weiter westlich, besonders
längs dem Amazonas, wohnenden Stämme dagegen nennen sie Kapyr-
uara d. h. Leute des oberen Flusses, der Wildniss. Unter diesen zahmen
Indianern fiel uns ein Schlag äusserst wohlgebildeter Leute von
heller Hautfarbe und einen ovalen tatowirten Fleck im Gesicht auf. Sie
sind Individuen vom Stamme der Ju ri, Passé und Uainumd und werden
mit dem gemeinschaftlichen Namen der Juri-pixuna d. h. Schwarz-
Gesichter bezeichnet. Alle Ansiedler stimmten im Lobe dieser Stämme,
als fleissiger, treuer Arbeiter von grosser Intelligenz , überein. Wir
beobachteten sie in ihren Wäldern später, wo ausführlich von ihnen
gehandelt werden wird.
Santarem war von den Portugiesen als Anhaltepunct für Diejenigen
angelegt worden, welche Indios de Resgate aus den benachbarten Gegenden
zusammentrieben. Später erbaute man ein kleines viereckiges
Fort oberhalb der Villa an dem abhängigen Ufer und legte eine kleine Garnison
hinein, um sowohl die Indianer im Zaume zu halten, als die Fahrt
auf dem Amazonas zu beaufsichtigen. Vielleicht weil dieser Zweck
verfehlt wa r , indem die Entfernung von dem Hauptstrome keine genaue
Controlle der vorüberfahrenden Schiffe erlaubt, vielleicht nur als Folge
der allgemeinen Mittellosigkeit und Erschlaffung in der Administration
der Provinz von Para, welche nach P omba ls Ministerium eintrat, ist
jene Befestigung jetzt so gänzlich verfallen, dass man kaum noch die
Grundmauern erkennen kann. Nichtsdestoweniger sind die Schiffe, welche
den Amazonas hinauf und hinabgehen, gehalten, sich in Santarem
bei dem Commandanten zu melden und Ladung und Passagiere verzeichnen
zu lassen; eine Maassregel, der man sich um so weniger zu entziehen
pflegt, als man nach einer langweiligen, mühvollen Reise gerne
einige Tage in einer Ortschaft ausruht, und neue Mundvorräthe einnimmt,
die hier frisch und wohlfeil zu erhalten sind. Die hochliegenden
Gegenden am Tapajöz liefern nämlich sehr gutes Mandioccamehl,
und diess wird, so wie getrocknete Fische, sogar von Indianern, jedoch
immer nur in kleinen Quantitäten, zu Markt gebracht. Ueberdiess
kann man hier auch Rindvieh kaufen, wovon Heerden in den offnen
Gegenden (Campos) weiden, die einige Legoas im Süden der Villa
zwischen den Wäldern anfangen, und weiter aufwärts am Strome immer
häufiger werden. Die Viehzucht wird westlich von Santarem in
demjenigen Theile des Amazonasthaies, welcher ausschliesslich mit Ur- *)
*) Die Preise der Lebensmittel waren hier folgende: ein Korb (Paneiro oder in der Lingua
geral Panacü) Farinha d'Agoa (Oi-catd), etwa 40 Pf., 1200 Reis, ein grosses Schwein 4000
ein Widder aooe, ein Ochs 12000, eine Arroba gesalzener Fische (Pirarucü) 2100 Reis.