ten wo sie nur“ das Luchsauge eines Indianers aufzufinden vermöchte.
Diese Vögel sollen .sich in der Gefangenschaft fortpflanzen. Es scheint
ein für die Ethnographie Brasiliens nicht ganz unwichtiges Factum zu
seyn, dass die Ureinwohner mehrere Vogelarten gezähmt haben; denn
diess setzt eine gewisse Stabilität der Wohnsitze und eine lange Frist
voraus, während welcher die, hier ohne Sorgfalt domicilirten, Vögel ihre
Sitte bis zur Gewöhnung an die Fortpflanzung in der Gefangenschaft
aufgeben konnten. Papageien werden eben so wenig, als Affen, in diesem
Zustande zur Paarung gebracht, aber mit Bestimmtheit versicherten
uns Indianer, dass diess am leichtesten mit dem Agami, etwas schwieriger
mit den Hoccos, geschehe. Es sind also vorzugsweise die Bauchredner
unter den Vögeln, welche sich leicht domiciliren lassen. Uebri-
gens ward uns dasselbe auch von dem rothen Ibis versichert; und allerdings
fanden wir auf der Insel Marajö zwei zahme Individuen, wel-
chex wir auch nach München gebracht haben. Auch sah ich bei den
Ju ris am oberen Yupurä einen verwandten Vogel (vielleicht Ib is m exi-
canus, C u vi), der ebenfalls domicilirt seyn sollte, und den die Indianer
wegen seiner Schönheit nicht vertauschen wollten. Woher die entferntesten
Stämme, z. B. am R io Apapuriz und am R . dos Enganos, zwei
nördlichen Beiflüsse des E u p u rä , die zahlreiche Zucht unseres Huhnes erhalten
haben, ist mir ein unerklärtes Räthsel. Im Haushalte der Indianer
spielen die eben erwähnten Arten von Vögeln eine grosse Rolle;
für ihre Zauberer und Aerzte sind besonders folgende von Wichtigkeit,
über die ich hier noch Einiges beizubringen Gelegenheit nehme. Der
C aracarä, ein durch ganz Brasilien vorkommender Habicht [P o ly b o -
rus vulgaris, Sp. A v. I. t. 1. a.), der ein klägliches Geschrei von sich
giebt, wird von den Indianern als ein Unglücksvogel angesehen. Seine
Begegnung soll Unglück andeuten und nach sich ziehen; und die Zauberer
(P a jes) geben vor, dass sie aus dem Rufe desselben vernehmen,
wer von der Horde sterben werde. Seihe Dreistigkeit, sich in ihrer
Nähe niederzulassen, und gleichsam zuzusehen, was vorgehe, wird so
gedeutet, als wenn er von dem bösen Dämon (Jarupari) abgeschickt
sey, sie zu belauschen. Andere glauben, dass er die Seelen der
Abgeschiedenen gleichsam anderen Thieren einimpfe. Nicht minder
bedeutsam ist in den Augen der Indianer der Cäoä (A ca u a n g , Oacäoam,
A stu r cachinnans, Sp. A v. I. t. 3. «.)', ebenfalls ein kleiner Geier, dessen
Hauptnahrung Schlangen sind. Sie halten ihn für einen Beschützer
gegen diese, behaupten, dass er seinen Namen rufe, um die Giftschlangen
zu verscheuchen, und ahmen ihn nach, wenn sie durch Gegenden
wandern, wo sie sich den Anfällen derselben ausgesetzt halten, in der
Meinung, sie dadurch zu verscheuchen. Der Schnabel, und, wie Andere
wollen, alle Knochen, sollen, in Pulverform eingenommen, ein
treffliches Gegengift gegen Schlangenbiss seyn. Diese antidotalen Eigenschaften
gelten übrigens in einem viel höheren Grade von dem Vogel
Inhuma (Palamedea cornuta9 L i) , und vorzugsweise von dem Horne,
welches er auf der Stirne trägt. Einige Scrupel des Pulvers, mit Wein
oder Wasser eingenommen, sollen, selbst bei gänzlicher Bewusstlosigkeit
des von einer Giftschlange Gebissenen, Genesung herbeigeführt haben.
Die animalischen Mittel, denen man ähnliche, als die hier erwähnten,
Wirkungen zuschreiben darf, erscheinen dem americanischen Wilden
in demselben Verhältnisse wichtig, als sie gegenwärtig in Europa vernachlässiget
werden. Gebranntes Horn, in welchem Ammonium entwickelt
worden, dienet ihm, und, wie versichert wird, nicht selten mit
*) ^ er letztere Glaube rührt vielleicht von der häufig zu machenden Bemerkung her, dass
der Caracarä grössere Säugthiere verfolge, was er thut, um sich die, in diesen nistenden, In-
sectenlarven zu verschaffen. Einige Verse in der Lingua geral, auch überdiess als Probe indianischer
Poesie merkwürdig, sprechen, von dem (kleineren) Caracara-i (Polyborus Chimango, Fieill.1)
in folgender Weise:
Scha manu ramae curi Wenn ich einst gestorben, Scha manu ramai curi Wenn ich einst gestorben,
Tejerru iaschid Wolle du nicht weinen; Se mombore cad puterpi, Wirf du mich in den Wald;
Aiqui Caracara-i Da ist ja Caracara-i, Aiqtte Tatu memböca Da ist ja das Armadill,
Scrapirö aramü curi. Der wird mich beweinen. Se. jutüma aramü curi. Das wirdmich begraben.f)
t) *s* bekannt, dass die Armadille ( Tatü) die Gräber besuchen, und die Leichen verzehren.
Die Gudycurus am Paraguay haben die seltsame Sage, dass sie, nachdem bereits die übrigen
Völker der Erde vorhanden gewesen, durch den Caracarä geschaffen worden seyen. Dieser
befiederte Schöpfer habe ihnen Waffen gegeben, und ihnen gesagt, dass sie damit anderen Nationen
den Krieg machen, und Gefangene abnehmen könnten. Uebrigens verehren ihn diese
Wilden nicht , und tödten ihn so gut als jeden andern Vogel. (Historia dos Indios Cavallei-
ros, im Patriota, 1814> IV. S. 26.)
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