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len durch die dunkelgrüne Landschaft sichtbar. Nachdem er sich in
S.-S .-W . um das südliche Ende des Berges von Cupati geschlungen,
verfolgt ihn das Auge aufwärts in einem grossen Bogen nach N.; unterhalb
der Katarakte glänzt er in verschiedenen Abständen aus S.-O.
durch die Waldung hervor. Auf der andern Seite des Cupati schlängelt
sich der A pap oris, scheinbar ganz nahe, um das Gebirg. Deutlich
erkannte ich seine beiden ersten Wasserfälle. Gegen N. vermochte ich,
in drei Reihen hintereinander, die niedrigen, langgestreckten, bewaldeten
Berge am oberen A paporis, am Tiquie und U aupes, weiter gen
N.-O. die isolirten Berge von 5 . Joaquim zu unterscheiden. Wenige
Rauchsäulen, die aus der ungeheuren, ja fast unübersehbaren, grünen
Waldfläche Aufstiegen, waren die einzigen Spuren von Menschen in
dieser schauerlich stillen Einsamkeit. Da sich der Morgenwind legte ,
stellte sich eine ausserordentliche Zahl kleiner Bienen ein, welche, obgleich
stachellos, durch die Keckheit, womit sie in Augen und Ohren
flogen, zur Plage wurden. Ueberdiess war ein weiteres Gehen in diesem,
gleichsam lebendigen, Modergrunde nicht möglich; wir wendeten
uns daher zum Strome zurück, schifften glücklich die kleinere Katarakte
hinab, welche inzwischen auch von den übrigen Fahrzeugen passirt
worden war, und vereinigten uns mit der Mannschaft, die sich eben
mit ergiebigem Fischfänge beschäftigte. Der niedrige Wasserstand erlaubte
hier, die Sandsteinfelsen am südlichen Ufer des Stromes zu untersuchen,
und ich fand ähnliche Figuren, wie die von A ra ra -C o a ra ,
jedoch in viel grösserer Menge eingegraben. Fast alle ebenen Felstafeln
sind mit solchen Sculpturen bedeckt; und wenn mich auch die
künstlerische Ausführung derselben nicht in Verwunderung setzte, so
war es doch die ausserordentliche Ausdehnung, in der sie an einer
Stelle mehrere hundert Geviertfusse einnehmen, an einer andern in geringerer
Anzahl, und dann wieder eben so dicht und weitausgebreitet
Vorkommen. Die meisten Figuren, die ich zu Gesicht bekam, waren
die ersten Versuche , eine menschliche Gestalt darzustellen (vergl. „Sculp-
turen auf Felsen4? im Atlas). Von Thieren, Sonne, Mond und den zur
Bereitung des Mandioccamehls üblichen Instrumenten, dergleichen auf
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den Granitfelsen von Caycara am Orenoco und von Culimacare am Cas-
siquiare durch Hrn. v. H u m b o l d t wahrgenommen worden, fand ich
nichts. Es war interessant, zu beobachten, welch’ verschiedene W eg e
die Einfalt der rohen Künstler eingeschlagen hatte, um den Effect ein%r
menschlichen Aehnlichkeit hervorzubringen. Der Kopf beschäftigte sie
am meisten: die-Augen, Ohren, Nase und der Mund sind auf verschiedene
Weise durch Puncte, Striche oder freigelassene Flecke angedeutet.
Die Extremitäten sind schneller abgefertigt; Finger und Zehen gewöhnlich
nur in der Dreizahl. Am Rumpfe sind gewisse Theile selten
vergessen. Manche dieser Figuren sind in ein Quadrat eingeschlossen.
Ausser ihnen findet sich hier nur noch jene, bereits (S. 1154.) erwähnte
Figur: ein oder mehrere einander genäherte Quadrate, in welchen eine
Spirallinie läuft. Die Sculpturen sind drei bis sechs Linien tief eingegraben;
jede von anderen Grössen Verhältnissen, in einer Ausdehnung
von einem halben bis zu zwölf Fuss, und alle ohne Ordnung und Symmetrie
unter einander. Meine Indianer staunten sie mit blöden Augen
an; wussten mir aber nichts über ihre Bedeutung oder Abstammung
zu sagen. Bedenkt man die Härte dieses Sandsteins, der sich durch
die etwas schiefe Lage seiner Tafeln in der Richtung des Gewässers
der Einwirkung der Fluth theilweise entzieht, und findet man dennoch
manche Sculpturen fast ganz v erwischtso wird man geneigt, ihnen ein
Alter von vielen Jahrhunderten zuzuschreiben. Auf eine höhere Bildungsstufe
derjenigen, von welchen diese Monumente herrühren, als die des gegenwärtigen
Bewohners, lassen sie indess nicht schliessen. Die Malereien
der jetzigen Indianer auf ihren Trinkschaalen, an den Thüren ihrer
Hütten, ihren Rudern u. s. w. stellen dieselben monströsen Köpfe,
dieselbe Spirallinie innerhalb eines Quadrates dar, und scheinen zu dem
Schlüsse zu berechtigen, dass die Urväter, auf gleicher künstlerischer
Bildungsstufe mit den Lebenden, desshalb in jenen rohen Zeichnungen
schwerlich die Spuren eines Cultus hinterlassen haben. (7.) Die Gegend
um die Fälle von C upati würde dem Botaniker bei längerem Aufenthalte
eine Menge schöner und interessanter Pflanzen darbieten. (8.) Leider
war ich nicht im Stande, die Indianer, so wie früher, zur Einsamm