und Erzeuger aller Dinge, keine Vorstellung hat; dass nur ein böses,
sich in jedem Verhängniss anders gestaltendes, Wesen launenhaft und
unversöhnlich sein Geschick beherrschet, dem er sich in blinder, bewusstloser
Furcht unterwirft. Die Seele dieses gefallenen Urmenschen
ist nicht unsterblich; sie thut sich nur in dem Bewusstseyn des Seyns,
nicht in dem des Denkens kund; und nur Hunger und Durst mahnen
an die Existenz. Eben desshalb wird das Leben nicht als hohe Gabe
geachtet, und der Tod ist gleichgültig. Dieser endiget Alles; höchstens
leben Hass und Rache fort, als quälende Gespenster. Das Band der
Liebe schlaff, statt Zärtlichkeit Brunst, statt Neigung Bedürfniss; die
Mysterien des Geschlechtes «entweiht und offen, der Mann aus Bequemlichkeit
halb bekleidet, das nackte Weib Sclavin; statt der Schaam Eitelkeit;
die Ehe ein nach Laune wechselndes Concubinat; des Hausvaters
Sorge sein Magen, nach dessen Füllung rohe Begierde; sein Zeitvertreib
Völlerei und dumpfes Nichtsthun; seine Beschäftigung Regellosigkeit;
der Weiber Schaffen blind und ohne Ziel; ihre Freuden schnöde
Lust; die Kinder der Aeltern Bürde, darum vermieden; väterliche Neigung
aus Berechnung, mütterliche aus Instinct; Familienvater ohne Sorge
und Ansehn; Erziehung äffische Spielerei der Mutter, blinde Sorglosigkeit
des Vaters; statt kindlichen Gehorsams Furcht; Emancipation-gegenseitig
nach Gutdünken; dem Alter statt Ehrerbietung Trotz; der
Kranke verwahrlost zuruEntledigung der Gesunden; statt Freundschaft
Kameradschaft; Treue, so lange keine Versuchung; Verkehr im Schwanken
des Eigennutzes; statt Recht die Stimme des Egoismus; statt Patriotismus
unbewusstes Vertrauen zu den Sprachverwandten, angeerbter
Hass gegen fremde Stämme; Schweigsamkeit aus Gedankenarmuth;
Unentschlossenheit aus blödem Urtheil; des Häuptlings Herrschaft aus
Hülflosigkeit der Uebrigen, aber Alle weder fähig des wahren sittlichen
Gehorsams, noch des Befehlens: — so ist und lebt der Urmensch dieser
Wildniss! Auf der rohesten Stufe der Menschheit, ist er ein beklagens-
werthes Räthsel sich selbst und dem Bruder aus Osten, an dessen Brust
er nicht erwärmet, in dessen Arm e r, von höherer Humanität wie von
einem bösen Hauche getroffen, hinschwindet und stirbt!
Am 12. Februar verliessen wir den Porto dos Miranhas, einen
Ort, von dessen schwermüthiger Einwirkung auf meine Seele ich mich
erst nach der Rückkehr, in Europa , beim Anblick menschlicher Würde
und Grösse, geheilt fühlte. Unser Gesundheitszustand hatte sich zwar
gebessert; doch fürchtete ich immer noch den Eintritt eines schleichenden
Nervenfiebers bei meinem Gefährten, und ich theilte die enge Ca-
jüte nur in der Art mit ihm, dass ich, während der Nacht mich von
ihm wegbettete, und lieber dem Nachtthau aussetzte, da sich die eigenen
Fieberanfälle als eine geregelte Quartana darstellten. Das neue
Fahrzeug, mit meinen Sammlungen beladen, nahm am ersten Tage
viel Wasser und verursachte Sorge, bis‘ich «so glücklich war, die versteckten
Ritzen zu finden, und es kalfatern lassen konnte. Wir ruderten
schnell; allein die Entleerung des Flusses hatte seit acht Tagen so
sehr zugenommen, dass wir Manacarü erst am Abend des zweiten
Tages erreichten. Bei Nacht zu schiffen ist wegen der Sandbänke und
Felsenriffe nicht räthlich. Gegen die Miranhas gehalten, fanden wir
jetzt die Juri- Tabocas von Manacarü, deren Tubixava mit seinen Männern
aus dem Walde zurückgekehrt war, ein gebildetes Völkchen. Die
meisten von ihnen sprechen die Lingua geral, und bemühten si<M, uns
Kranke zu laben, wozu vor Allem die sauren Limonien erwünscht waren,
welche zur Zeit der Grenzberichtigung hier gepflanzt worden waren.
Manche Juris erinnerten sich noch an jene Expedition, und baten uns,
ihren Weibern unsere Arme zu zeigen, da sie noch keine ächten Weis-
sen (Carjrba sobaigoara) gesehen hätten; sie verwunderten sich aber
sehr, an uns keine Haarbeutel mehr zu finden. An der Mündung des
Miriti-P a rana , welche den nächsten Abend erreicht ward, versicherte
mich ein Signal von Körben, an Uferbäümen aufgesteckt,, dass der
Principal G regor io bereits aus jenem Flusse zurückgekehrt sey und uns
an dem grossen Falle von Capati erwarte. Die Indianer pflegen sich
durch ähnliche Signale (Sangaba) in mancherlei Fällen des Lebens
Nachricht zu ertheilen; bleiben aber die aufgestellten Gegenstände in
den Orten zurück, so werden sie nicht selten von später Ankommenden
mit abergläubischer Furcht, als eine Art Hexenwerk, betrachtet,
in. Theil. 161