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Ohne Bewegung, sprachlos und schussfertig, hatten sie die Augen aut
die Eingetretenen gerichtet, und ein Augenblick des Missverständnisses
oder des Zurückweichens wäre uns wahrscheinlich verderblich geworden.
Das Erscheinen mehrerer Fahrzeuge in ihrem See hatte sie einen
Ueberfall befürchten lassen, und ihr Empfang zeigte, dass sie den sichersten
Operationsplan dagegen wohl ausgedacht hatten. Ohne Raum und Licht
ihre Waffen zu gebrauchen, wären die Weissen, im ersten Momente
des Angriffes von giftigen Pfeilen durchbohrt, ein Opfer ihrer Kühnheit
geworden. Es gelang uns aber bald, dem ungünstigen Vorurtheile zu
begegnen. W ir nahmen unsere Halsbinden ab, und schwangen sie
als Friedenszeichen dem Anführer entgegen, der ebenfalls, sobald er
bemerkt hatte, dass wir unbewaffnet waren, allen Argwohn verbannte,
und aus unserer Branntweinfläsche fröhlich Bescheid that. Er war ein
Indianer von fiinfFuss acht Zoll Länge, von breiter Brust , athletischem
Muskelbaue, und erschien in seiner Nacktheit noch grösser und stärker.
Ich habe niemals bemerkt, dass Indianer sich geküsst hätten, diese
Bezeigung freundlicher Gefühle scheint über ihrer Bildungsstufe zu stehen;
aber der Cauixana bewährte seine Freundschaft gegen mich, indem
er das, dick mit Rocou bemalte, Antlitz in dem meinigen herumrieb.
Nach den ersten Begrüssungen fragte er mich durch den Dolmetscher
über das Aussehen des Königs von Portugal und Brasilien, und seine
Verehrung vor dieser erlauchten Person wuchs sichtbar, nachdem ich
ihr die Dimensionen eines Giganten zugeschrieben hatte. Zum Zeichen der
Freundschaft überreichte er mir einen Bogen von rothem Holze und
einen Bündel vergifteter Pfeile, deren jeder in einem besonderen Rohre
steckte; und seine Leute, dem Beispiele folgend, wetteiferten, uns mit
Waffen und Früchten zu beschenken, wogegen sie jede Kleinigkeit,
besonders aber Angeleisen, dankbar empfingen. Es waren nur Männer,
die wir zu Gesichte bekamen; Weiber und Kinder waren, wahrscheinlich
aus Furcht, in einer der abgelegenen Hütten versammelt, und erfüllten,
so lange wir zugegen waren, die Luft mit einem durchdringenden
kläglichen Geschreie. Die Männer waren lauter stattliche, ziemlich
dunkelgefarbte Menschen, ohne irgend eine Verunstaltung durch Tato-
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wirung; zum Theile aber trugen sie die Ohren abscheulich erweitert.
Sie hatten noch niemals Weisse erblickt, und jede Kleinigkeit, die sie an
uns sahen, schien ihnen interessant; vorzüglich verwundert waren sie
über das Schreiben, als ich dem Anführer ein Vocabularium seiner Sprache
abfragen Hess und aufzeichnete. Dieser wusste sich mit Würde zu
betragen, und blieb, da wir uns zurückzogen, in der Hütte zurück,
während er uns durch seinen Sohn an den Hafen zurückgeleiten liess.
Die Hütten dieser Cauixanas waren die kunstvollsten indianischen Gebäude,
die ich noch gesehen hatte. Bei sechs Klafter Durchmesser und
vier Klafter Höhe waren sie auf das R.egelmässigste ausgeführt. Zwei
gegenüberstehende viereckichte Thüren von vier Fuss Höhe und eine
runde Oeffnung in der Kuppel, zum Eintritt des Lichtes und Abzug
des Rauches, konnten von innen verschlossen werden. Das Zimmerwerk
bestand aus schlanken, über Feuer gebogenen Stämmen der
Mattä-Mattä und aus gekreuzten Stützen, welche mit jenen, ohne
Beschläge oder Nagel, blos durch Bänder von Schlingpflanzen verbunden
waren. Die Bedeckung von Palmblättern war so dicht, dass kein
Tropfen Regen eindringen konnte. Später fand ich eine ähnliche Con-
struction der Hütten bei mehreren Stämmen am Yupurä und bei den
Mundrucüs. Die Cauixanas (vergl. Kap. 3. Note 5.) von welchen sich
diese Horde getrennt hatte, wohnen, etwa sechshundert Köpfe stark,
weiter westlich am Flusse IMauapari. Die neuen Ansiedler waren zufrieden
mit dem Orte, und beabsichtigten, ihre Verwandten herzuholen.
Es ist dieses die gewöhnliche Weise, in welcher die wilden Indianer
Brasiliens ihre Wohnsitze verändern; und man kann sie daher, unter
einer gewissen Beschränkung, allerdings Nomaden nennen. Die Cauixanas
haben mit den Muras und Marauhas gemein, sich von Zeit zu
Zeit zu geissein, und die Ertragung von Schlägen als Heroismus zu
betrachten. Wie viele andere Stämme, pflegen sie zur Zeit der Niederkunft
ihrer Frauen zu fasten. Ihre Todten werden in grossen irdenen
Töpfen begraben.