Arbeit durch Gesang zu verkürzen; diess waren die Mosquiten, welche
sich heute zum Erstenmale in dichten Schwärmen über das Schiff lagerten
, und uns Alle bis zur Verzweiflung peinigten. Schon öfter waren
wir auf dieser Schifffahrt von den summenden langbeinigen Verfolgern
angefallen worden, wenn wir am Abend in der Nähe von dichtem
Gebüsche landeten, oder durch enge Canäle fuhren; doch waren
die Besuche vorübergehend und minder zahlreich. Heute aber, wo wir
uns auf den Gewässern des Amazonas selbst befanden, fielen diese Har-
pyen in so dichten Schwärmen auf uns nieder, dass ihre beständige
Berührung ein Gefühl gleich dem eines leichten Regens auf der blossen
Haut erregte, das alsbald in den Schmerz unzählicher Stiche überging.
Der Schutz der Mosquiteira, eines weiten Zeltes von dünnem Baumwollenzeuge,
womit der Reisende sich und seine Hangmatte umgiebt,
ist in der erstickend heissen Luft um so unleidlicher, als er manche jener
singenden Peiniger dennoch nicht ausschliesst; und so bleibt keine
Schutzwaffe, als dichte Bekleidung voni Leder oder Seidenzeug, für das
Antlitz aber eine Maske oder —— Geduld. Dieses bösartige Insect, welches
die Indianer Carapand nennen, erhebt sich mit Sonnenuntergang
von dem Schlamme der Ufer und den Gesträuchen in der Nähe der
Gewässer, und fliegt, bald höher bald niedriger, je nach dem Zug der
Winde, in zahllosen Schwärmen einher. Vor Gewittern oder Regen
und bei stiller trüber Luft sind sie unruhiger, thätiger und lästiger.
Nur dichter Rauch, besonders von angebrannten Tabackblättern, den
man in den Fahrzeugen unterhält, vermag sie zu verscheuchen. Von
Sonnenuntergang an bis nach Mitternacht schwärmen sie am dichtesten,
dann ziehen sie sich theilweise in die Uferwaldungen zurück, wo sie
bis zum nächsten Abend verweilen, denn sie fliehen den hellen Sonnenschein,
und kehren aus dem Schatten bei Tage nur dann zurück, wenn
sich die Sonne hinter Wolken verbirgt. Es ist bereits von Herrn von
H u m b o l d t bemerkt worden, dass diese Schnacken sich nur in der Nähe
solcher Flüsse aufhalten, die, im Ganzen angesehen, braunes oder
schwärzliches Wasser führen. Auch wir machten diese Bemerkung; unter
den Flüssen mit dunklem Wasser ist namentlich der Rio Negro
ganz frei von jener Plage; dagegen bieten Flüsse von trübem, weiss-
lichem Gewässer vorzugsweise die Wohnorte für jene Unholde dar.
Wahrscheinlich sind die in dem schwarzen Wasser aufgelösten Extrac-
tivstoffe den Eiern und Larven verderblich, während der Flussschlamm
der übrigen Gewässer ihre Entwickelung und Vermehrung begünstigt.
Besonders auffallend ist übrigens, dass alle Reisenden, welche den Amazonas
beschiffen, gerade in den Gegenden, wo wir uns befanden, am
grausamsten von den Carapand schwärmen verfolgt werden. Man behauptet
sogar, dass sie sechs Monate lang herrschen, und vom vierten Oc-
tober an verschwinden sollen. Vielleicht haben die Ostwinde und die
Ueberschwemmungen des Herbstäquinoctiums Antheil an dieser Erscheinung.
Mit der Zunahme der Cultur, der Verminderung jener grossen
Schlammflächen an den Ufern, die durch die Hitze in Gährung gesetzt,
den Insecten willkommne Brutorte darbieten, und wahrscheinlich auch
mit der Abnahme gewisser Uferpflanzen darf man wohl auf allmälige
Verminderung dieser peinlichen Landplage hoffen. Manche der am
Ufer wachsenden Bäume vermehren die Bösartigkeit dieser blutgierigen
Insecten. Die leichte, schmerzhafte Geschwulst, welche durch den
Stich zahlreicher Carapanas verursacht wird, nimmt an Höhe und
Spannung zu und veranlasst bisweilen einen fieberhaften Zustand, wenn
Gebüsche von Sapiam aucuparmm oder Bäume des Oassacü {Hora) in
der Nähe stehen. Wahrscheinlich tragen dann die Insecten einen Antheil
der Milchsäfte jener giftigen Euphorbiaceen auf die Haut über, von
•wo aus sie, gemäss dem in diesen heissen Gegenden doppelt lebhaften Ein-
saugungsprocesse, schnell in die Blutmasse aufgenommen werden. Wenn
andere Gegenden durch die Menge von Schlangen oder Fledermäusen
fast unbewohnbar werden, so treten hier überhaupt gerade die unscheinbaren
Geschlechter der Insecten als die ärgsten Feinde der Ansiedler
auf. Den Ortschaften am nördlichen Ufer des Amazonas wird neben
den Schnacken auch noch der fast unsichtbare, im Grase der Fluren
wohnende, Mucuim und eine grosse Art von Wespe, Morugoca, äusserst
lästig. In der Villa Nova vistoza da Madre de Deos heftet diese ihre
Nester furchtlos überall in den Häusern an, und hat nicht wenig dazu
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