Indianerstämmen bewohnt,, zwischen denen keine europäische Familie
Fuss gefasst hat. Die Paraënser selbst pflegen aus diesem Grunde die
westlichen Gegenden die Wüste, o Sertäo do Amazonas, zu nennen.
Da wir von nun an häuflg Veranlassung haben werden, von Indianern
zu reden, so dürfte es am rechten Orte seyn, die Verhältnisse über-
haupt kürzlich anzuführen, unter denen- diese Autochthonen dem Reisenden
begegnen können. Sie sind entweder in den von Weissen gegründeten
Ortschaften angesiedelt, oder sie leben noch abgesondert in
ihren Wäldern, haben aber so viel Sitte angenommen, dass sie einen
schwachen Verkehr mit ihnen unterhalten, oder endlich sie sind erklärte
Feinde der Einwanderer, bald geneigt sie zu überfallen und zu Verfolgen,
bald in dem Gefühle ihrer Schwäche veranlasst, sie zu fliehen
und jedem Verkehre zu entsagen. Durch die Ueberredung der Missionäre
oder angesehener Colonisten wurden einzelne Familien oder ganze
Horden, bisweilen aus den verschiedensten Gegenden, bewogen, sich in
Ortschaften (Povoagoês) niederzulassen, und diess ist die Ursache der
unglaublichen Mischung, aus sechs bis zehn und mehr Stämmen, welche
man hier nicht selten antrifft. Die angesiedelten Indianer [Indios
aldeados) haben im Verhältnisse der Zeit, welche sie in den Ortschaften
zubrachten, ihre eigenthümlichen Sitten und Sprachen bereits aufgegeben
, und sprechen die Tapi- oder, bei längerer Bekanntschaft mit
den Colonisten, die portugiesische Sprache. Diese Bevölkerung, gewöhnlich
nur durch vorübergehende Verhältnisse, wie z. B. durch Krieg mit
den Nachbarn, verheerende Krankheiten, Mangel an Nahrung, selten
durch ein lebhaftes Bedürfniss eines bessern bürgerlichen Zustandes
geschaffen, ist oft sehr unbeständig. Sie kehrt in ihre Wälder zurück,
oder verändert den Platz der Ortschaft, bei dessen erster Wahl sie
sorglos genug zu Werk gegangen war. Manche Villas stehen jetzt
schon auf dem vierten oder fünften Platze, und haben bei jeder Dislocation
gewisse Einwohner verloren oder andere dagegen gewonnen.
Auch die Beispiele sind nicht selten, dass die Indianer den Missionär
ermordeten und sich wieder in ihre ursprünglichen W'ohnsitze zurückzogen.
Getäuschte Erwartungen rücksichtlich der Behaglichkeit ihres
neuen Zustandes, Bedrückung durch eingewanderte Colonisten, die Verheerungen
der Blattern oder Masern, sehr selten uilkluges Benehmen
ihres Bekehrers waren die Gründe eines solchen Aufruhrs, der dann
gewöhnlich von dem Gouverneur in Para oder in Rio Negro durch einen
Ausrottungskrieg oder Hinwegführung zur Gefangenschaft in entferntere
Orten bestraft wurde. Diese Verhältnisse erklären hinreichend
die Entvölkerung, welche wir fast überall antrafen, wohin wir im Innern
der Provinzen von Para und Rio Negro kommen mochten; sie
erläutern zugleich, von welcher Art die Beobachtungen über die Völkerstämme
seyn konnten, die uns in den Ortschaften begegneten. Hier
stellte sich uns keineswegs ein Bild ihres ursprünglichen Naturlebens,
ihrer freien Bewegung, selbstständigen Sitte und Sprache dar; son~
dem wir fanden gleichsam nur kranke und veränderte Ueberreste. Ja,
noch mehr, da gerade die weniger zahlreichen Stämme am leichtesten
vermocht worden waren, sich in diesen Ortschaften niederzulassen, da
sie überdiess durch minder heroische Gemüthsart, minder eigenthümli-
che Sitten und schwächere Leibesbeschaffenheit um so eher geneigt
waren, in der Vereinigung mit den W^eissen unterzugehen, so war oft
nur eine einzige Familie eines ganzen Stammes, von andern sogar nur
noch der Name übrig, und unsere ethnographischen Untersuchungen
gingen bisweilen in eine Art archäologischer Erörterungen über, da
das Interesse der Gegenwart verschwunden war. Von vielen Stämmen,
die im Berichte A c u n n a ’s als mächtige Anwohner des Stromes beschrieben
werden und von noch mehreren, die auf den Karten verzeichnet
sind, fanden wir keine Spur, oder nur entfernte Anklänge ähnlicher
Namen. Um so wichtiger musste uns aus dem Grunde die Bekanntschaft mit
mächtigen Stämmen seyn, die noch in ihrem ursprünglichen Zustande
verharren, aber in einigen Verkehr mit den Weissen getreten sind.
Eine zahlreiche Nation, die HTuras, lebt frei in einzelnen Familien längs
den Ufern des Amazonas, des Solimoes und des Madeira. Diese, gleichsam
die Zigeuner unter den Indianern, haben keine fixen Wohnsitze
(Indios de Corso) , und ihnen konnten w ir , als Freund oder Feind, je
nach Gelegenheit, begegnen. Die übrigen grösseren freien Stämme,
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