dracüs verheurathet werden konnten, eine eben so einfache als wirksame
Weise, die Wilden der Civilisation zugänglich zu machen. Die Nachricht
von meiner Ankunft hatte alsbald Schrecken unter den Neophyten
des guten Padre verbreitet, weil sie meinten, ich wollte sie für den
öffentlichen Dienst aufgreifen. Man hatte seit Kurzem angefangen, der
Protestation des Pfarrers ungeachtet, alle Vierteljahre eine gewisse Zahl
von M undrucüs zu Frohndiensten zu verlangen, wodurch die Indianer
schon schwierig geworden waren, indem sie drohten, wieder in die
Wälder zurückzuziehen. Mein Wirth beeilte sich daher,, dem üblen
Eindrücke zu begegnen, und sendete eine Montaria in die oberen Mal-
locas am Canomd ab, um die Wilden vom Wahren zu unterrichten,
und zugleich ethnographische Merkwürdigkeiten für mich einsammeln
zu lassen. W ir besuchten die Hütten, welche reihenweise auf einer
gelichteten Niederung liegen, eben so, wie die sehr geselligen Mundrucüs
ihre Dörfer in den Wäldern anzulegen pflegen. Männer waren
wenige zu Hause; aber die Weiber boten uns überall mit Freundlichkeit
Castanien, oder dünne Scheiben sehr feiner und weisser Beiju an,
und schienen dem würdigen Geistlichen mit Ehrfurcht und Neigung zu-
gethan. Die Kinder, deren Katechetisirung das tägliche Geschäfte des
Geistlichen ist, wussten ihr Credo geläufig herzusagen. Ausserdem aber
schien es, als wäre die Horde über manche Begriffe, wie Staat, Recht,
König, Schaam u. s. w ., noch nicht weiter aufgeklärt, als im Zustande
der Freiheit, und Snr. G o n s a l v e z beklagte die Abneigung gegen Alles,
was eine solche Fortbildung zum Bürgerthume bezwecken sollte. Offenbar
standen sie hierin den Ju ris am Yupurä nach. Unter den anwesenden
Männern zeichnete sich einer durch seine offenen, derben
Manieren aus. Ich erfuhr, er sey der Scharfrichter dieses Haufens gewesen,
habe viele feindlichen Jümas und Paren tintin s geköpft, und das
fürchterliche Amt bekleidet, M undrucüs, deren Krankheit für unheilbar
gehalten worden, mit einer schweren Keule vom Leben zum Tode zu
bringen. Dieser scheusslichen Sitte liegt, nach der Versicherung des
Padre G o n s a l v e z , (wahrscheinlich wie einst bei den Wenden, die davon
durch eine deutsche fromme Gräfin abgebracht worden seyn sollen), Mitleiden
zum Grunde; die Kinder glauben den greisen Aeltern einen Dienst zu
erweisen, wenn sie ein Daseyn enden, das, ohne Jagd, Festtanz und
Cajiri, kein Glück mehr darbiete. Eine grössere Anzahl von Männern
fand ich in Caiaue und einigen andern MaUocas auf dem gegenseitigen
Ufer des Flusses, der hier über vierhundert Klafter Breite hat. Als
uns die Indianer herbeirudern sahen, kamen sie aus ihren grossen kegelförmigen
Hütten hervor , und tanzten uns in wilden Sprüngen entgegen,
mit einer Federhaube auf dem Kopfe, langen Schleifen von Federn
über den Nacken hinabhängend, und einen cylindrischen Scepter
aus Federn in den Händen schwingend. (S. „Besuch bei den Mundrucüs“
im Atlas.) Noch ehe wir aber ans Land gestiegen waren, hatten
sie sich in die Hütten zurückgezogen, wo sie uns nach ihrer Weise
empfingen, auf den Zehen (em cocras) um einige Schüsseln niedergekauert,
woraus sie die Speisen langsam und sprachlos mit den Fingern
langten. Es war ein Gericht aus zerstampften Castanien und aus dem
spinatähnlichen Kraute des Cararix - agü (P h y to la cca decandra, X .) ;
daneben stand eine Schaale mit dem süssen Safte aus frischen Cacao-
bohnen, die über einem Siebe gerieben worden waren. ' Sie boten uns
von diesen Gerichten an, kümmerten sich aber wenig, dass wir nichts
nahmen. Nach dem Mahle legten sie sich in die Hangmatten, von wo
aus sie ruhig auf uns hinblickten. Diese seltsame Sitte, den Gast speisend
oder ruhend zu empfangen, habe ich bei- den meisten Indianern
bemerkt. Auffallend war die grosse Unreinlichkeit dieser M undrucüs;
besonders die Kinder starrten von Schmutz. Hieran mag der Mangel
an Badeplätzen in ihren ursprünglichen Wohnorten, und die UngeWohnung,
in das Wasser zu gehen, Schuld seyn. Die Weiber, deren Männer
abwesend waren, schienen ängstlich, uns mehr Aufmerksamkeit zu
erweisen, als ihren Eheherrn lieb seyn möchte. Aus einer Hütte, deren
männliche Bewohner fehlten, nahm ich einen Bogen und Pfeil mit,
indem ich reichlichen Ersatz an Messern und Angeleisen zurückliess.
Allein wir hatten uns kaum eingeschifft, so kam ein Alter aus dem nahen
Gebüsche mit so drohender Gebärde an’s Ufer, dass der Geistliche
dringend bat, die Waffen eiligst zurückzu geben. Die hier Anwesenden
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