Faro bis Santarem auf 60,000 Crusados geschätzt. Das Vieh ward auf
enge, sich täglich verkleinernde Inseln im Strome eingeschlossen, wo
es, sich selbst überlassen und den Anfallen hungriger Kaimans und On-
zen Preis gegeben, haufenweise zu Grunde ging. Besonders auffallend
war übrigens die grosse Sterblichkeit, welche diese ausserordentliche
Ueberschwemmung unter den Schlangen, Kaimans und den Fischen ver-
anlasste, die in den Seeen und stehenden Gewässern längs dem Strome
wohnten. Zum Theil ward sie durch die Fäulniss der anderen untergegangenen
Thiere, ausserdem aber wohl auch durch die Verunreinigung
jener stillen Gewässer mit den Fluthen des Amazonas bewirkt.
Die Ansiedler längs diesem Strome sind ohne Unterschied der Meinung,
dass das Wasser desselben, weil es wohl gemischt und bewegt sey
(por ser bem battidä) , vor den meisten andern Trinkwassern den
Vorzug verdiene, sobald man ihm nur gestattet habe, die erdigen Theil-
chen, welche es in ziemlicher Menge enthält, niederfallen zu lassen.
Man pflegt es daher in grossen, schwachgebrannten Töpfen, welche
durch eine unmerkliche Verdünstung die Temperatur verringern, vierundzwanzig
Stunden lang ruhig zu lassen, wo es dann allerdings von
reinem Geschmacke ist. Die Gewässer der Seeen und Canäle dagegen
sind im Allgemeinen, wenn gleich krystallhell, und durch erdige Theil-
chen minder verunreinigt, von schlechterem Geschmacke und wärmer.
Die zahllose Menge zum Theil fleischfressender Amphibien, welche sie
bewohnen, die Extractivstoffe mancher darein aufgenommenen faulenden
Pflanzentheile, und vielleicht auch der Mangel jener erquickenden Luft-
Bewegung, welche täglich wenigstens einige Stunden lang über die
Wasserfläche des Amazonas hinzieht, dürften die Gründe einer geringeren
Salubrität der benachbarten stehenden Gewässer seyn. Gleich-
mässig möchte ich aber die vermehrte Sterblichkeit ihrer Bewohner bei
langanhaltendem Hochwasser des Stromes von der Vermischung mit
dem Wasser desselben ableiten. Obgleich man Kaimans und grosse
Schlangen auch im Strome selbst findet, so lebt doch die Mehrzahl
derselben in den seitlichen Wasseransammlungen, und kommt nur in
das fliessende Wasser, wenn sie auf Raub ausgeht, oder von dem
Gerüche der in der Nähe von Ansiedlungen, besonders von Fischereien,
dem Strome übergebenen animalischen Reste angelockt wird. Wir
scheuten uns nirgends im schnell bewegten Strome zu baden, und ich
erinnere mich nicht, nur ein einziges Krokodil in einem der Hauptcanäle
gesehen zu haben, während sie in tiefen Buchten, im Röhricht
sumpfiger Ufer an den Ausmündungen der Canäle, und in der Nähe
von Wohnungen oft zu hunderten beisammen vorkamen. Wenn ich
übrigens den zahlreichen Aussagen vorurtheilsfreier Männer Glauben
schenke, möchte die Tiefe des Amazonas, ausser den eben erwähnten
grossen Amphibien, noch einige Arten von Wasserschlangen beherbergen
, die ihm und seinen grössten Confluenten angehören, aber die stillen
Gewässer der benachbarten Seeen und Teiche verschmähen. Man
hat ungeheuere grünlich oder braungefarbte Schlangen gleich treibenden
Stämmen daher schwimmen gesehen * und Kinder und sogar Erwachsene
sollen von ihnen hinweggeraubt worden seyn, wenn sie, was
jedoch selten geschieht, auf das Land hervorsteigen. Die Indianer nennen
diess Ungethüm die Flussmutter (Parana - maici), und scheuen sich,
ihm zu begegnen, noch mehr es zu tödten, weil dann ihr und des
ganzen Stammes Untergang gewiss wäre. Ein alter Ruderer auf unserer
Canoa behauptete, diese furchtbare Wasserschlange bei Gurupä gesehen
zu haben, und zwei Tage später habe sie seinen Bruder verschlungen.
Dieser sey nämlich mit seiner Braut am Ufer des Stroms spazieren
gegangen, und, an eine Stelle gelangt, wo sich in der Tiefe ein
Lager des feinen schwarzen Letten bemerklich machte, womit die Indianerinen
ihre Baumwollenzeuge färben, von ihr gebeten worden, einige
Hände voll herauszuholen. Der Jüngling taucht in die Tiefe nieder;
allein die Braut wartet lange umsonst auf seine Wiederkehr. Als sie
endlich genauer und ängstlicher nach der Stelle blickt, von wo er wiederkommen
sollte, findet sie den schwarzen Fleck in der Tiefe verschwunden,
und in der Mitte des Stroms peitscht die Flussmutter die
Wellen mit dem furchtbaren Schwänze, und der unglückliche Bräutigam
ist für immer hinweggerafft. Seit Jahrtausenden schon beschäftigt
sich die Phantasie der Völker mit dem Bilde solcher riesenhaften Schlan-
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