Atlas). Andere Männer trugen ein zolldickes Stück Holz in der Unterlippe,
und ein Weib hatte in dem durchbohrten Nasenknorpel* einen
dünnen Cylinder von Bambusrohr, den sie bei unserer Annäherung selbstgefällig
mit einem Stücke gelben Harzes vertauschen wollte. Um den
Hals trugen die Meisten eine Schnur dichtgereihter Affen - und Coatizähne,
oder zwei halbmondförmig vereinigte Klauen eines grossen Ameisenfressers,
mittelst eines Baumwollenfadens befestigt, und am ganzen Körper
waren sie mit rother und schwarzer Farbe bemalt. Einige Männer mit
grossen, rnregelmässigen schwarzen Flecken auf Brust und Unterleib, hatten
davon ein eckelhaftes Aussehen, das durch Schmutz und Unreinlichkeit
vermehrt wurde. Zwei junge Weiber hatten sich am ganzen Körper
mit Flusschlamm überstrichen, um die Plage der Mosquiten weniger zu
empfinden. Die Horde hatte sich seit mehreren Wochen hier niedergelassen,
und-war von einer ambulanten Wache verfolgt worden, welche
auf Befehl des Gouvernements die von Schildkröten besuchten Prayas
begeht, um Unfug durch zu frühes Ausgraben der Eier und Verscheu-
chung der Thiere zu verhindern. Um diese zu täuschen, hatten sie
ihre kleinen Kähne, an Lianen festgebunden, in den Strom versenkt,
und sich auf einen Tag lang in die benachbarten Wälder vertieft. Diese
Nachrichten erzählten sie mit grinsendem Lachen dem Cap. Z a n y , der
die Murasprache gelernt hat, weil seit mehreren Jahren eine Niederlassung
des Stammes nächst seiner Fazenda besteht, die er daselbst
duldet, und, wenn ihre launenhafte Trägheit einwilligt, zum Fischfang
benützt.
Die Muras sind einer der zahlreichsten Btämme, und um so weiter
verbreitet, als sie keine festen Wohnsitze haben, sondern nach Laune
und Bedürfniss an den grösseren Strömen umherwandern. Man nimmt
an, dass die Gesammtzahl aller einzelnen Horden sich auf sechs bis siebentausend
Bögen, d. h. bewaffnete Männer, belaufe, und demgemäss
dürfte die ganze Nation aus dreissig bis vierzigtausend Individuen bestehen.
Sie scheinen ursprünglich an dem unteren Madeira gewohnt zu
haben., von wo aus sie sich zum Theile vielleicht wegen der Verfolgung
der Mundrucus, in kleinere Horden zerstreut und an den Solimoös, Rio Ne-
gro und den Amazonas gezogen haben. So wie die Payagoäs die Geissei
des Paraguaystromes sind, haben die M ura s, seit man sie kennt, entweder
allein, oder mit den befreundeten Toras (Tarazes) , die nördlichen Ströme
unsicher gemacht. Diese beiden Stämme wurden desshalb von den
europäischen Ansiedlern als freie Wegelagerer [Indios de Corso) rücksichtsloser,
denn alle übrigen , verfolgt. Sie pflegten an Stellen der
Flüsse, welche durch stärkere Strömung die aufwärts Schiffenden beschäftigen,
Ueberfalle zu wagen, zu welchem Ende sie Wachtposten
auf hohen Bäumen ausstellen. Der nahende Feind wird durch das Ture,
ein schnarrendes, zinkenartiges Instrument signalisirt, das sie aus einem
dicken Bambusrohre bereiten, in dessen durchbohrte Knotenwand ein
dünneres, der Länge nach in eine Zunge eröffnetes Rohrstückchen befestigt
wird, so dass das Ganze die einfachste Nachahmung einer Drossel
darstellt. Unter der Begleitung dieses Instrumentes führen sie auch
ihre wilden Tänze auf, welche wir später in der Fazenda des Senhor
Z a n y z u sehen Gelegenheit hatten. Obgleich gegenwärtig, wenigstens
theilweise, schon aus dem feindseligen Verhältnisse getreten , verachteten
sie dennoch den Dienst des Weissen, mehr als irgend, ein anderer Stamm,
und nur ihre Neigung zum Branntweine macht sie bisweilen auf kurze
Zeit dienstbar. Ohne diesen Talisman würde die Erscheinung eines
Mora unter den Weissen die grösste Seltenheit seyn. Alle übrigen
Lockungen bleiben ohne Kraft bei Menschen, deren niedrige Cultur selbst
die einfachsten Bedürfnisse verschmäht. Als geschickte Fischer und Jäger,
und nur mit der Gegenwart beschäftigt, hab'en sie gewöhnlich
hinreichende Mittel zur Subsistenz, und sic prassen im Genüsse des
Ueberflusses, während sie in Tagen des Mangels mit Resignation Hunger
leiden. Man behauptet, dass dieser Stamm mit mehr Lebhaftigkeit,
als andere, dem schönen Geschlechte huldige, dasselbe mit sichtlicher
Eifersucht bewache, und von Untreue oder Misstrauen nicht selten zum
Meuchelmorde und Kriege zwischen einzelnen Horden Veranlassung
nehme. Gewöhnlich hat jeder Mann zwei oder drei Weiber, von denen
die schönste oder jüngste am meisten gilt, während die übrigen als