dergelassen; der grösste Theil dieser Einwanderer hat sich jedoch in
die nördlichen Villas, Massagäo und Macapä begeben- Die Landbauer,
welche man von ihrem Aufenthalte Rosseiros nennt, unterscheiden sich
in Sitten und Gewohnheiten von den Städtern weniger, als die Bewohner
gleichen Ranges in den südlichen Provinzen, die Matolos in Per-
nambuco und die, spottweise so genannten, Tabareos in Bahia, denn
die Verschiedenheit zwischen der Giyilisation grösserer Städte und der
Einfalt des Landmannes ist hier bis jetzt in geringerem Grade eingetreten.
Diesem Theile der Bevölkerung, welcher sich mit mehr oder
weniger Recht den Namen der w e is s e n (Branco) giebt, und in dieser
Bezeichnung seine europäische Abkunft noch geltend macht, während
er sich in dem schon länger bewohnten und mehr civihsirten
Pernambuco geradezu den e in g e b o rn en [FiUio da Terra) heisset,
stehen die Familien gemischter Abkunft (Cafasos), meistens mit indianischem
Geblüte, am nächsten. Sie wohnen grösstentheils in der Nachbarschaft
der Stadt zerstreut, und in den kleinen Ortschaften (Kdlas)
nördlich von der Hauptstadt, auf der Insel Marajö und am Ufer des
Rio Pari. Den niedrigsten Theil der Bevölkerung bilden endlich die
Neger und Indianer. Die letzteren sind frei, jedoch, wie die Sprache
wohl unterscheidet, nicht civilisirt, sondern nur zahm {Indiosmansos),
Reste der ehemaligen indianischen Bevölkerung, unter den Eingewanderten
zurückgeblieben. Diese beiden letzten in der Provinz Para zahlreichen
Volksclassen leben in einer Halbcultur, ohne Kenntnisse, Unterricht
und Ehrgeiz, auf Nichts, als auf den Erwerb ihrer wenigen
Bedürfnisse gerichtet, in denen das Dolce far niente, Branntwein und
Weiber die Hauptrolle spielen. Die fischreichen Gewässer, ein fruchtbares
Stückchen Land um die Hütten liefern ihr, ohne dass sie sich
yiel zu bemühen hätte, das Nothwendige; so schleicht die Zeit ohne
Sorgen hin, und der halbgebildete Mensch betrügt sich um ein Leben,
dessen höhere Reize ihm nie bekannt werden. Es ist einleuchtend, dass
ein solcher Zustand, gleichsam die eine, sinnliche Hälfte des patriarchalischen
Lebens und erst an der Schwelle des Bürgerthumes, nur
langsam zu höheren bürgerlichen Entwickelungen fortgehen könne.
In der Einfalt, Harmlosigkeit und Vereinzelung jener Familien, wird
die grösste Wohlthat der Civilisation, der Schutz der Gesetze, wenig
vermisst, und der Familienvater hat nur ein undeutliches Bild vom
•Staate und von seinen eigenen Verpflichtungen gegen denselben. Das
Leben eines Hofes, die Kosten einer geregelten Verwaltung und Gerichtspflege,
die Verhältnisse eines Staates nach aussen sind ihm unbekannt,
und Forderungen der Regierung für jene Zwecke erscheinen
ihm ungegründet. Jede Steuer oder andere öffentliche Leistung ist ihm
daher drückend, jede Gelegenheit, sich denselben zu entziehen, hält er
für erwünscht und gerecht; den Dienst im Heere oder auf der Flotte
flieht er als eine, mit Unrecht über ihn verhängte, Sclaverei. Unstreitig
aber ist dieser tiefe Standpunct der Einsicht und Bildung, gemäss
welchem jedes Opfer für das Gemeinwohl ausser den moralischen Begriffen
des isolirten Bewohners liegt, ein mächtiges Hinderniss in der
gesammten politischen Entwickelung der Provinz von Para, eines jungen
Staates, dessen Hülfsquellen vorzugsweise in indirecten, und eben
desshalb nie vollkommen genau zu schätzenden, Abgaben beruhen müssen.
Einen solchen Zustand, der sich mit Zunahme der Bevölkerung allerdings
von selbst auf hebt, auch durch Maassregeln der Verwaltung zu vermindern
, ist eine eben so schwierige, als in ihrer Lösung erfolgreiche
Aufgabe. Wir wagen es jedoch nicht, die Mittel, welche der Regierung
zu Gebote stehen möchten, an diesem Orte einer Prüfung zu unterwerfen
; nur das erlauben wir uns beyzufügen, dass uns, so wie bei
der ersten Colonisation America’s , auch jetzt noch eine wohlgeleitete,
von Selbstsucht freie Thätigkeit des Clerus die günstigsten Wirkungen
für jene Zwecke zu versprechen scheine'. Die Geschichte der europäischen
Civilisation im Mittelalter und manche Leistungen dér geistlichen
Corporationen in America, von längerem Bestände als ähnliche Versuche
der weltlichen Obrigkeiten, können für diese Meinung angeführt werden.
Diese Betrachtungen beziehen sich vorzugsweise auf die Indianer
von denen der Estado do Gram Para eine verhältnissmässig grössere
Menge besitzt, als irgend ein anderes Gebiet Brasiliens. Nächst
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