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Weder Schlot noch Fenster sind vorhanden; aber auf der einen Seite,
der Thüre gegenüber, stösst ein von Lehm aufgemauertes, ganz verschlossenes
Zimmer an, in das man von der Hütte aus einkriecht. Hierher
ziehen sich die Indianer zur Zeit des Hochwassers zurück, um den
Verfolgungen des P ium , jener feindlichen Mückenart, zu entgehen, die
dann in dichten Haufen über der Gegend schwärmet. Unter dem Haus-
rathe bemerkte ich eine früher nie gesehene Vorrichtung zum Abreiben
der Mandioccawurzel : ein pyramidales aufrechtes Gerüste von drei Latten,
zwischen welchen kleine, spitzige Steine befestigt sind. Der Saft
fliesst von dem Gerüste in eine untergestellte Schüssel von Baumrinde.
Meine Gesundheit war hier wieder leidend; und wir beschlossen, einige
Tage zu verweilen. Der Anführer des Ortes war mit einem Mame-
luco von Ega àusgezogen, um ein Descimento zu bewirken, und wir
trafen desshalb nur den geringem Theil der Einwohner anwesend. Die
Juris, welche wir hier, wie früher in dem Sitio de Uarivau, gefunden
hatten, rechneten sich alle zu einem gemeinschaftlichen, auch durch die
Sprache verbundenen, Stamme, aber zu verschiedenen Familien oder
Unterhorden, die, ähnlich wie die Abtheilungen der Uainumäs, verschiedene
Namen führen. * *) Man betrachtet die Juris als einen den Passés
*) So die Juri: Cacao- Tapuüja, die am Purèos wohnen, die Moingt- am Ip&, und die
übrigen längs des Yupurd selbst hausenden : Comd-, Assai -, Tucano-yBubunJia, Curasse (Sonnen-)
Oira-apu (Grossvogel-), Ubi- (Rohrpalmen-), Y b y td -(Wind-) und Taboca-Tapuüja Indianer.
Die Wind-Juris haben, wie die Caraiben, die Passés, Teciinas u. s. f. unter den Knieen und am Oberarme
einen Zoll breite Bänder von blauer Baumwolle, die sie so straff^als möglich anziehen; die
Malha nimmt bei ihnen das*ganze Gesicht ein. Die Horde'der Taboca^Zopïen - Juri), von der ich
hier Mehrere sah, trägtueinen Zapfen von Palmenholz in der durchbohrten Unterlippe. Bei einem
Alten war diess Stück Holz, dessen Ausfallen durch eine breitere Querleiste im Innern des Mundes
verhindert wird, söffest verwachsen, dass eis nicht mèhr abgenommen werden konnte. Die
Tatowirung fand ich bei verschiedenen Individuen verschieden:' die Meisten haben die halbelliptische
Malha in mehr oder minder grosser Ausdehnung, je nach Alter und Famihenunter .schied,
Manche auch zwei schräge Striche oder vier runde Puncte auf dér Oberlippe oder -bips die
ganze Oberlippe tatowirt. Eine Horde, die sie Jauarete (Onzen-) Tapuüja nennen, soll eine andere
Sprache sprecht und gegen die Uebrigen feindlich gesinnt seyn; vielleicht sind diess die Uat-
humd JauareU Tapuüja. Die Männer trugen grösstentheils Suspensorien von Turm; (fig. 4i.
der indian. Geräthsch.); die Weiber waren ganz nackt. Häufig war als Armzierde ein Büschel
der Schnâbëlspitzen von Tucanen (Pteroglossus inscriptus und Aracari, fig. 54 der a. Tafel). Es
verbrüderten Stamm, und ohne Zweifel gehörten sie früher zusammen.
Ihre Sprache hat die grösste Verwandtschaft, die Nationalabzeichen sind
dieselben, und die Körperbildung zeigt eine auffallende Aehnlichkeit;
doch schien es mir im Allgemeinen, als wären die Juris von breiteren
Gesichtszügen, breiterer Brust und minder schlank. Sitten, Gewohnheiten,
Waffen, Feinde, religiöse und kosmogonische Ideen sind bei
beiden dieselben. Ehemals waren sie nächst den Miranhas und Uainumäs
der mächtigste Stamm zwischen dem Igä und Yupurä; aber gegenwärtig
möchte ihre Gesammtzahl kaum zweitausend betragen, da sie
vor Andern in die Ansiedlungen der Weissen herabgeführt worden und
daselbst in der Vermischung untergegangen sind. Da die f/rarz’pflanze
im Gebiete dieses Stammes wächst, so sind sie mit der Bereitung des
Pfeilgiftes vertraut, welcher beizüwohnen ich hier Gelegenheit hatte. *)
war ein reinlicher Menschenschlag. Nur mit Mühe konnten wir einige ihrer Kämme (Fig. 18.)
einhandeln, die aus zierlich verbundenen dünnen Spänen von schwarzem Palmenholze bestehen.
Hier erhandelte ich auch eine Tabacksdose (Fig. 48.) aus der seltenen Muschel Bulimus Gallina
sultana, und einen, aus einem einzigen Stücke Holz geschnittenen, Fussschemmel. (Fig.-'44;)
*) Die Basis des Pfeilgiftes der Indianer vom Yupurä liefert ein dünner Baum, der Roulia-
mon gujanensis, Aull., (ein Strychnos, £ .) , der in der Tupf Urari-üva heisst. Die eingeweichte
Rinde ward von dem Juri - Taboca mit den Händen ausgepresst, und der gelblichte Saft
in einer flachen Schüssel über gelindem Feuer eingedickt, indem ähnliche wässerige Auszüge
von der Wurzel eines Pfefferstrauches (Piper geniculatum), von der eines mir unbekannten Baumes
Taraira <Moira, d. i. Baum des'Fisches Taraira, von der Rinde eines Cocculusstrauches (Coc-
culus Jneme, Df.) und eines schlingenden Feigenbaumes, zusammen etwa in gleich grosser Menge,
dazu gegossen wurden. . Dieses gemischte Extract, von der Consistenz eines dicken Syrups hatte
über dem Feuer eine dunkelbraune Farbe erhalten, als es in kleine Schälchen, deren jedes etwa
zwei Unzen fasst, gegossen, und im Schatten der Hütte der Abkühlung überlassen wurde.
Vorher steckte der Indianer noch in jedes Schälchen eine' kleine Frucht von der Beisbeere
(Kiynha-avi) , und nun war das Urari fertig. Die Indianer frischen es, wenn es schwach geworden,
durch Zusätze, besonders, des.spanischen Pfeffers und der Wurzel von Piper geniculatum,
wieder auf. Ohne Zweifel sind die-Vier, als Zusätze genannten, Pflanzen minder wesentlich
und .könnten wohl durch andere.ersetzt werden. Nach, der Aussage mehrerer Brasilianer
werden auch andere Stoffe , z. B. die Milch von der Euphorbia cotinifolia, von Hura crepi-
tans, oder die adstrigirenden Früchte der Guatleria veneßciorum, Df., und von abergläubischen Indianern
der erste Frosch, den man an jenem Tage rufen hören, die grosse schwarze Ameise,
oder Zähne von Giftschlangen beigesetzt. ' Die Erfahrung in Dfanacarii bewies mir, dass das
Curare von Esmeraldas am Orenoco, das Wwrali von Surinam und das Urari vom Yupurä
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