einfachen Menschen sehr unrecht thun, schriebe man die Rücksichtslosigkeit,
womit sie ihre Kleider fast überall, nur nicht in der Kirche,
ablegen, einer Sittenverderbniss zu. Die Hitze des Klima, Seltenheit
und Kostbarkeit der Bekleidung und die Gewohnheit machen sie jenes
Bedürfnisses fast vergessen. Wir fanden mehrere Weiber beschäftiget,
irdene Geschirre zu bereiten. Sie verfertigen Krüge und Schüsseln,
meistens ohne die Drehscheibe zu gebrauchen, aus freier Hand mit
grosser Geschicklichkeit. Im Winkel der Hütte erblickten wir den ärmlichen
Heerd, mancherlei Fischergeräthe, Hangmatten, und Bogen und
Pfeile, Waffen, deren sich nicht blos die Indianer, sondern auch die
übrigen farbigen Einwohner bedienen. Ein cylindrisches, zwei Klafter
langes Rohrgeflechte (Tipiti) , mit geriebener Mandioccawurzel angefüllt
und am Untertheile durch einen Stein beschwert, hängt an einem Querpfosten
der Hütte. Auf diese einfache Wreise wird der giftige Saft der
frischen Wurzel ausgepresst, welchen eine unterstehende Schüssel auffangt.
Dieser Saft, über dem Feuer eingedickt und mit kleinen getrockneten
Beissbeeren (Capsicum.) vermengt, liefert dann das Tucupi, die
gewöhnliche Würze aller Fleischspeisen, von welcher die Bewohner
des Estado do Gram Para eben so häufig Gebrauch machen, als die
Ostindier von ihrer Soya. Für die Röstung der Mandioccawurzel stehen
einige runde irdene Darröfen unter einem Schilfdache zwischen den
Häusern zerstreut, wahrscheinlich Gemeingut der Ortschaft, wie bei Uns
auf dem Lande die Backöfen. Was die Bewohner an Kleidern und Wäsche
nicht eben benutzen, hängt zum Trocknen ausgebreitet über die Gesträuche
um die Hütten her, oder ist in einem rohgearbeiten Kasten
aufbewahrt, der auch alle übrigen Reichthümer des Hauses einschliesst.
Wenn der Normann im höchsten Norden Europa’s seine Hütte nicht
verschliesst, weil er der Treue der Nachbarn mehr als Schloss und
Riegel vertrauet, so lässt der Ansiedler indianischer Abstammung auf
M arajö die seine offen , weil er kein Besitzthum von Werth hat, und,
selbst ohne Neugierde, auch bei dem Nachbarn keine Heimlichkeiten erwartet.
Wie verschieden ist in dieser Beziehung der Character des Negers '•
Sorgfältig verschliesst er seine Behausung; zugleich mit dem Gefühle heimischer
Behaglichkeit erkennt er den Werth eines Besitzthums, und wird dadurch
zu Thätigkeit und Erwerb aufgemuntert. Bei solcher Gemüths-
art der Bewohner von B reves würde man hier vergeblich ausgedehnte
Pflanzungen oder andere Beweise von Industrie* suchen. Zwar gedeiht Caffe
hier ganz trefflich, aber, wir fanden die ehemals durch die Jesuiten von
M elgago, dem Pfarrorte von B r e v e s, angelegten Plantagen vollkommen
verwildert; überhaupt schienen uns die Bewohner in entschiedener
Sorglosigkeit von einem Tag auf den andern zu leben. Ein kleiner
Fisch, den der Mann, einige Waldfrüchte oder Wurzeln, die die Frau
nach Hause bringt, sind neben der trocknen, oder mit Wasser eingerührten
(Ticuard) Mandiocca und einigen Bananen, die man in einem
vernachlässigten Hausgarten hegt, die gewöhnlichen Lebensmittel; höchstens
sorgt man durch ein Paar, in einer Umzäunung am Wasser aufbewahrte,
Schildkröten für Tage des Mangels.
Und doch, was für Genüsse würde diese Gegend, wie die ganze
Insel von M a ra jö , Bewohnern darbieten, welche verständen eine fast
überschwenglich reiche Natur zu benutzen! In einer so gesegneten
Breite, fast gerade unter dem Erdgleicher gelegen, vermag M arajö
fast alle Colonialproducte der heissesteh Zone zu erzeugen; aber die
unglaubliche Leichtigkeit, womit sich das hierher eingeführte Rindvieh
und die Pferde, fast ohne Zuthun der Ansiedler, vermehrt haben, war
Veranlassung, dass die Fruchtbarkeit des Landes vernachlässigt, und
Viehzucht bisher der einzige Culturbetrieb dieser Insel geworden ist.
Das ganze Eiland ist niedrig, und enthält keinen einzigen Berg, wiewohl
es durch die grossen Ströme, welche es bilden, nicht überschwemmt
wird, indem sich seine Ufer über den Wasserstand an allen Seiten,
besonders aber auf der Nordküste, erheben. Doch befruchtet es sich
alljährlich während der Regenzeit selbst durch partielle aber ausgedehnte
Ueberfluthungen aus zahlreichen Flüssen, Bächen und Seeen. Die Ge-
birgsformation des Eilandes ist jenes oft erwähnte eisenschüssige Sand-
steinconglomerat. Mit Ausnahme der Nordseite, wo die Küsten vieler-
orten mit weissem Sand bedeckt sind, liegt überall auf diesem Gesteine eine
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