Miranhas, sollte ich endlich das Ziel meiner Reise erreichen. Zwischen
gefährlichen Klippen, im steten Kampfe mit der zunehmenden Strömung,
gelangten wir an eine kleine Felseninsel, neben welcher der Rio dos
Enganos von Norden her in den Yupurä fällt. Der Hauptfluss wird
an der Südseite der Insel auf die Breite eines Büchsenschusses eingeengt,
und brausst schnell an einer Granitwand hin, die, mit dichtem Gebüsche
von Ubi (Rohrpalmen, Geonoma paniculigera, Mart. t. 10.), grossblättrigen
Farnkräutern, Aronstauden und Carludovica überwachsen,
einen grotesken $ überaus frischen Anblick darbietet, dergleichen ich
schon lange, wohl seitdem ich die felsigen Urwälder von Ilheos durchwandert,
nicht mehr,.gehabt hatte. Hitze, Mosquiten und Krankheit
hielten mich in der verdunkelten Cajüte zurück, als endlich Nachmittags
das jubelnde Geschrei der Indianer: Arara-Coara icke c ek ö i, hier
ist Arara-Coara (Araraloch), mich hervorrief. Der Strom hat hier
einen Berg durchbrochen, windet sich von N. W . her durch die auf
der Ostseite steil abgeschnittenen Granitwände, und stürzt, beim Austritt
aus der Schlucht, donnernd und in Schaum aufgelöst', über aufge-
thürmte colossale* Felsenmassen. Der Fall, dessen Höhe vom Eintritt
des Stromes in die Schlucht bis zum ruhigen Wasser unterhalb derselben
sechzig Fuss betragen mag, bot bei der dermäligen Entleerung ein
minder gewaltiges Bild des siegreichen Elementes dar, vielleicht aber
war es um desto wilder und düsterer. Gigantische, abgerundete Felsentrümmer
von glänzend dunkelbrauner Oberfläche liegen, wie ein
steinernes Meer, an beiden Ufern bis zur senkrechten Felswand und
ausserhalb der Schlucht tief landeinwärts im Walde, so dass das Hochwasser
wohl dreimal so weit ausgebreitet hier durchstürzen möchte.
Die Vegetation am tiefsten Ufer bilden zahlreiche dichte weidenartige
Gebüsche von Myrten und Psidium; weiter aufwärts ein düstrer Urwald,
aus dem schlanke Assaipalmen aufragen, hie und da dichte Gehäge von
Baumgräsern, mit Schäften von der Dicke eines Schenkels. Da wo die
Granitfelsen einer Vegetation Raum gönnen, sind sie mit dem Laube
der Mertensia dichotoma, eines wuchernden mannshohen Farnkrautes,
so dicht bewachsen, dass sie, von Ferne gesehen, mit einem hellgrünen
Moospolster überzogen scheinen. Oben am Rande der Felsenwand, die
sich hie und da wohl hundert und fünfzig Fuss hoch erhebt, sah ich
kleine Bäume, gleich denen der Taboleiros in Minas, ihre Aeste ausbreiten.
Tief ergriffen vom Schauder dieser wilden Einsamkeit setzte
ich mich nieder, um eine Zeichnung davon zu entwerfen (Vergl. „Arara
- Coara“ im Atlas); aber ich versuche nicht, dem Leser die Gefühle
zu beschreiben ,; welche sich während dieser Arbeit in meiner Seele
drängten. Es war diess der westlichste Ort, wohin ich meine Reise
ausdehnen konnte. Während er mich mit allen Schrecknissen einer
der Menschheit fremden, starren Wildniss einengte, fühlte ich mich
von einer unaussprechlichen Sehnsucht nach Menschen, nach dem gesitteten,
theuren Europa ergriffen. Ich dachte, wie alle Bildung, wie
das Heil der Menschheit aus Osten gekommen sey. Schmerzlich verglich
ich jene glücklichen Länder mit dieser furchtbaren Oede; aber
doch sah ich dankbar freudig mich hier; noch einen Blick nach Oben,
und muthig kehrte ich Sinn und Herz wieder nach dem befreundeten
Osten um.
Von den Klippen oberhalb des Eintritts des Yupura zu den Fahrzeugen
zurückkehrend, ward ich durch die begleitenden Indianer auf
einen hervorragenden Felsen aufmerksam gemacht, an dem sich einige
nur wenig sichtbare Sculpturen befanden. Jene näherten sich ihm ehrfurchtsvoll
, und fuhren den leicht eingegrabenen und durch Verwitte-,
rung halb unkenntlichen Figuren mit dem Zeigefinger nach, indem sie
ausriefen: Tupana, Tupana (Gott.) Nach längerem Betrachten unterschied
ich fünf Köpfe (S. die Tafel: „Sculpturen auf Felsen“ ) deren vier
mit einer Strahlenbinde (Calantica ?), der fünfte mit zwei Hörnern versehen
war. Diese Sculptur war so sehr verwittert, dass sie auf ein
hohes Alter zurückzudeuten schien. Näher am Strome entdeckte ich
auf einem platten horizontalen Felsen, der etwa neun Fuss lang war,
einige andere Figuren, die das Wasser bei hohem Stande erreichen
konnte, und fast schon unkenntlich gemacht hatte. Es waren sechszefin
Zeichnungen, eben so roh als jene ausgeführt, die Schlangen, Onzen