Drittes Kapitel.
Reise von Para durch den Archipel in den Amazonenstrom,
und auf diesem bis zur Enge von
Obydos.
A m 21. August verliessen wir mit Tagesanbruch unsern schönen Land-
sitz, und Vormittags 9 Uhr schifften wir uns ein. Der Intendant des
Arsenals, Senhor A n t . R o d r ig u e z M a r t i n s , der uns in den Vorbereitungen
zur Reise mit literarischer Theilnahme beigestanden war, und
alle unsere europäischen Freunde begleiteten uns bis auf das Schiff.
Die zehnte Stunde war für die Abfahrt gewählt worden, um sowohl
den Seewind als dieFluth zu benutzen. Nach einer Stunde hätten wir,
an der Mündung des Guama vorübersegelnd, den südlichen Grund der
B a h ia de Goajarä erreicht, und liefen in den R io M oju ein, der sich
mit einer über 700 Klafter breiten Mündung in ein Meer von Süssem
Wasser ergiesst. Die Ufer dieses majestätisch dahinwallenden Flusses,
überall mit dichtem Waldgrün bekleidet, sind eine deutsche Meile weit,
bis zur Mündung des A ca rä , in grosse Buchten ausgedehnt, dann aber
ziehen sie sich auf fünfzig und sechzig Klafter Breite zusammen. Eine
sieben Stunden lange Reise brachte uns zu dem E n gen ho de Jacua-
r a r y , dem schonen Besitzthume unseres. Wirthes, Senhor A m b r o s io
H e n r i^u e z , der bereits Aufträg ertheilt hatte, uns hier einige Tage lang
zu beherbergen. In ganz Para hat diese Fazenda, welche die in der
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Umgegend gepflanzten Zuckerrohre auf Zucker, und besonders auf
Branntwein benutzt, den Ruf grösster Zweckmässigkeit und Eleganz,
und allerdings hatten wir kein Engenho gesehen, das sich diesem hätte
vergleichen lassen. Das sehr geräumige, hohe Werkhaus enthält eine
ausgedehnte Zuckermühle nebst Zubehör, . eine Reisstampfe und die,
nach englischen Mustern gebauten, Destillirapparate. Ein beträchtlicher
Bach, der zugleich das Trinkwasser für die Einwohner liefert, setzt
die Maschinen in Bewegung. Der Branntwein (Rum), dessen jährliche Production
sich auf fünfzehnhundert Pipas beläuft, wird in dem Untern
Stocke eines grossen Hauses, in ungeheuren hohlen Stämmen vom An-
gelimbaume aufbewahrt. Die Wohnung des Verwalters stösst einerseits
mit dem Wcrkhäuse Zusammen, und verbindet es mit dem äus-
serst geschmackvollen Wohnhause des Besitzers, welches von seiner
schattenreichen Varanda einen heiteren Anblick des stillwallenden Stromes
und seiner bebauten Ufer darbietet. Hinter dem Werkhause liegen
zwei Reihen kleiner- Wohnungen für die Sclaven, deren Reinlichkeit
und körperliches Wohlbefinden das beste Zeugniss von der menschenfreundlichen
Behandlung giebt, die sie hier erfahren. Jacuarary war
ehemals ein Landgut und Belustigungsort (Casa de recreió) der Jesuiten
gewesen. Sie hatten hier eine Cacaopflartzung angelegt, die jedoch,
weil der Boden, ein weisslicher Letten, nicht kräftig genug für diesen
Baum ist, nicht gut gediehen, und desshalb wieder eingegangen war. Noch
sah’ ich |einen einzelnen Zimmtbaum, der von einem der Väter vor
siebzig Jahren war gepflanzt worden und, jetzt ganz vernachlässigt, sich
dennoch erhalten hatte. Die nächste Umgebung des Engenho ist in eine
Wiese verwandelt worden, durch welche einzelne Stämme der majestätischen
Inajapalme (M axim iliana r e g ia , M . Palm . t. 91.) zerstreut
stehen. Eine kleine Viertelstunde stromabwärts hat der baufreudige
Besitzer eine kleine Capelle errichtet, und dadurch die von seinem Fleisse
der Natur abgewonnene Wildniss Veredelt. Wer niemals beobachtet
hat, wie schwer die düstern Urwälder auf dem Gemüthe ihrer Bewohner
lasten, kann auch das Gefühl der heiteren Ruhe nicht ‘ erfahren
womit solche freie Ansichten den Cölonisten belohnen. Die Ufer des
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