(l.) Zur Geographie des B io Negro. Alle Nachrichten über die Ufer, die Richtung, Strömung
und Tiefe des Rio Negro machen es mir wahrscheinlich, dass derselbe.in seinem unteren Theile e in
Sy stem e h em a lig e r Binnenseen d a r s t e lle , w e lch es e r s t durch die B e i f lü s s e d ie
N atu r e ines selb s ts tän d ig en Stro m es an g enomm en h ab e. Von der Mündung in den
Solimoês bis nach S. Isabel darf man wenigstens vier grosse Bechen annehmen, in welche sich der
Fluss hie und da erweitert. Bei der Fortaleza da Barra hat er kaum eine halbe Legoa Breite, bei Pa-
ricatuba wird er noch mehr, auf eine Viertellegoa, eingeschränkt; nun erweitert er sich bei Tarumd
und noch weiter auf mehrere Legoas, bis Ayräo, wo dieses erste Becken schliesst. Zahllose Inseln
trelcn vorzüglich an den Ufern hervor, «wischen welchen man eine sichere Schifffahrt verfolgt. Das
südliche Gestade ist hier höher, als das nördliche, nnd seine Inseln sind freier,vor den Ucbcr-
schwemmungen, als -die in dem weitlä'uftigen Archipel von Anavilhana (richtiger Anauené) an der
nördlichen Küste. Oberhalb Ayräo, wo, statt der Bänke von Sandstein, convexe Granitinseln er-
scheinen, stellt der Strom gleichsam einen, an Inseln ärmeren, Canal, dar, welcher das untere Becken
mit dem zweiten verbindet. Dieses beginnt bei Monra, wo sich das Ufer^senkt, nimmt die Mündungen
des Bio Branco auf und verengert sich wieder bei Cagyoeiro, wo sich kahle Granitbänkc und
Hügel weit in den Strom erstrëpken. Oberhalb dieser Enge, treten die Ufer zurück, erhöhen sich
bei Poyares, und hien bilden die dunklen Gewässer in ausserordentlicher Breite, von fünf bis sechs
Legoas, ein grosses Becken, dessen Ausdehnung durch die geringere Zahl von Inseln noch um so grösser
erscheint. Barcellos liegt ebenfalls an diesem Bassin, dessen Verschmälerung zwischen Poyares und
Barcellos durch das Ilervortreten von FClsengruppeni und Inseln eingeleitet wird, die zwischen béiden
Orlen Canäle bilden. Oberhalb Barcellos erheben sich die Granitufer bis gegen Moreira; sie senken
sich wieder bei Thomar, und. zugleich treten wieder häufigere Inseln im Strome hervor. Von Lama-
Longa bis S. Isabel, dehnt sich der Strom zum letzten Male zwischen sandigen, nicht sehr erhabenen
Ufern aüs. (Eine analoge Verkettung von Seen stellen in demselben Gebiete die Müsse Uarird und
Ataui dar!) In seinem untersten Theile hat der Rio Negro fast gar keine Strömung; er gleicht vielmehr
einem todten See. Erst wo er den Druck".mächtiger Beiflüsse, des Branco u; -s. w ., erfahrt,
nimmt er eine schwache Strömung an, welche aufwärts bis gen Mafarubi, wo sich die ersten Strom-
schnellen befinden, deutlicher wird, in dem Gebiete der Stromschellen und Fälle selbst, von Mafarubi
bis zur Einmündung des Uaupés, sich noch mehr verstärkt, aber von da bis zur Vereinigung
mit dem, schnell nach S. strömenden, Canale Cassiquidri wieder abnimmt. Leider mangeln mir genauere
Angaben über die Geschwindigkeit des Rio Negro an verschiedenen Puncten, aber die baro-.
metrisch ermittelten Höhen von S. Carlos del Rio Negro und Barcellos weisen auf ein ausserordentlich
schwaches Gefalle, von 213 Fuss, zwischen diesen beiden Orten hin. Hr. v. Humboldt hat am erstem
Orte eine Höhe von 762Fi?gefunden; die von Barcellos berechnet sich nach den von Spix angestellten
Barometerbeobachtungen aüf549 F., die von Barra auf 522 F. Auf einer Länge von wenigstens 200 Lieues
beträgt somi'fdas Gefalle für eine nur i*/s F. Mit der hier ausgesprochenen Ansicht von der. Natur des
schwarzen Flusses'stimmt auch die Tiefe in jenen beckenartigen Ausdehnungen überein, die an manchen
Stellen und namentlich in der Mitte,. 50 bis 60 Kl. betragen soll ; während sie in dem Gebiete der Stromschnellen
uhd Fälle höchstens 8 bis 9 , und gegen die Mündung des Stromes hin 18 bis »9 Klafter
beträgt. — Wir haben schon oft im* Verlaufe dieser Reise von der schwarzen Farbe der abgeschlossenen
, ruhigen Wasseranbäufungen gesprochen, welche in den Provinzen Para und Rio Negro so häufig
Vorkommen; sollte nicht auch dieser Umstand für unsere Hypothese sprechen? Herr y, Humboldt
hat den Rio Negro (Quainid) in seinem obersten Gebiete und unterhalb der Verbindung mit dein
Canale Cassiquiari gesehen; er giebt die mittlere Breite des Stromes bei Marod zu 200 bis- 250 Kl.
und bei dem Fortim de S. Agostinho zu 290 Kl. an, und vergleicht sie mit der von de la Cokda-
Mike angegebenen Breite zu 1200 Kl. an der schmälsten Stelle bei der Barra, in einem Abstande von -
-zehn Graden der Flüsslänge. Da die Breite des Stroms von der Barra bis Ayräo im Ganzen viel
mehr, oft mehrere'‘tausend J?oisen, beträgt, da ferner nach den Untersuchungen jenes grossèn Reisenden
die Quelle des GuaÈid wohl schwerlich weit über 72° w. von Paris, und die des Uaupé
höchstens gegen 75° hin liegen möchten, ■ so dürfte es nicht gewagt seyn, anzunehmen, dass der
oberste Theil des Rio Negro, welcher „wie ein künstlicher Canal in gerader Linie zwischen hohen,
'ébénen und dicht felsigen Ufern hinläuft“ nicht die u r s p rü n g lic h e Quelle jener südlichen mächtigen
Wasseranhäufung gewesen sey, die wir jetzt mit demselben Namen, bezeichnen. Ich möchte
hiedurch andeuten? dass es mir wahrscheinlich ist, dass das grosse Stromgebiet des Rio Negro ursprünglich
in seiner tiefsten Thallinie ke inen e in z e ln e n HaupUlrom geführt habe, sondern, dass
der gegenwärtige Stand der Gewässer und die correlative Configuration der Erdoberfläche das Resultat
von allmäljg eingetretenen Verbindungen mehrerer benachbarter Flüsse sey: des Guainid mit dem
südlichen Ablauf des Paraud (Orenoco) , den man Cassiquiari nennt, des Uaupé und des Rio Branco
mit ihren-zahlreichen Nebenflüssen, und endlich der verketteten Binnenseen am unteren Rio Neero.
Herr v. Humboldt hat durch die.; scharfsinnigsten Combinationen (Reise 4. S. 272 298.), nachgewiesen
, dass von den westlich vorn Orenpco und obern Rio Negro entspringenden Flüssen nur der
Guaviare und der Yupurd an den östlichen Gehängen der Andes, die andern weiter östlieh in den
Sayancn oder aus einzelnen kleinen Bergsystemen entspringen, die sich isolirt aus den Ebenen erheben,
und dass die schon, so lange behauptete Gabeltheilung des Yupurd (Caqueld) zum Orcnoco und
zum Amazonas (die älteste Darstellung dieser problematischen Flussverbindung, welche mir bekannt
ist, befindet sich bei Pagah , Relation de la rivière des Amazones, 1655.; ihr sind bekanntlich Sah-
soh , Corokelli , de l’Islk. und de la Gohdamike gefolgt) sich schlechterdings nicht bewähre. Wenn
sich übrigens unter den Indianern eine Sage von der Verbindung zwischen dem Caqueld ünd Orenoco
immer noch erhalten hat, $0 mag diess von der dunklen Kenntniss einer Thatsache herrühren, deren
umständliche Angabe ich in dem oft erwähnten trefflichen Werkchen Mohteiro’s ^finde, und durch
welche eine Verbindung, nicht zwischen Yupurd und Orenoco, sondern zwischen Uaupés und Guaviare
nachgewiesen Wird. Jener Schriftsteller sagt §. ,184. Folgendes: „Der wahre Name des Uaupé ist
Ucayari, was in der Sprache der JUandos und Barés Fluss von weissem Wasser bedeutet; da jedoch
die Indianer, welche den Haüptsu&mm dieses Flusses bewohnen, von dem Stamme Uaupé sind, so
haben ihn die übrigen Indianer mit diesem Namen bezeichnet, was dié Weissen in Guaupé verwandelt
haben. Es ist diess derselbe Fluss, welchen de la Cokdamine in seiner Reise Quiquiari, und
auf seiner Karte Yquiari nennt. Er läuft vonW. nach O., parallel mit dem Rios Negro, Ifanna und
Uexié. De la Cohdamihk verlegt seinen Ursprung in die Gebirge von Neugranada. Man hat jedoch
durch Indianer mitgetheilte Nachrichten, dass der Ucayari oder Uaupé Ast eines mächtigen Flusses
von weissem Wasser sey, der in das nördliche Meer falle, und man vermuthet, diess sey der Auiyari
oder' Uauyiari (Guaviare), und zwar nicht blos mit Rücksicht auf seinen Lauf, sondern weil eben
vom Auiyari ein Canal, ebenfalls von weissem Wasser, ausgeht, der sich dem Uaupé auf der Nordseite
einverleibt. Durch diesen Canal fuhr einstens der Indianerprincipal Jozé de Mehezes Cabvqlewa
aufwärts und kam in den Auiyari. Dieser Muss ist der Hauptstamm des Orenoco, denn, ihn abwärts
fahrend gelangt man zur Vereinigung mit dem andern Arme, welchen die Indianer Paraud nennen
und in welchem man aufwärts fährt, um in den Canal Cassiquiari zu gelangen, der sich mit dem
Aio Negro verbindet. Somit communicirt der Rio Negro mit dem Cassiquiari, und durch diesen mit
dem Paraud, und oberhalb dem Cassiquiari findet Verbindung des Rio Negro mit dem Auiyari (Gua-
vidre) Statt. Dahin gingen die Portugiesen zur Zeit, als ihnen der Auslösungshandel der Indianer
erlaubt war, auf den FlüsSen-rinwim‘ und Yavitd, welche auf der Nordseite, oberhalb des Cassiquiari,
in den schwarzen Muss fallen; Sie kamen dabei vom Tinivini (Tiniunt) zu Lande nach dem Rio Si-
mité, welcher auf der Ostseite in den Atacau mündet; und von Yavita unmittelbar in den Ataeau