Wir hatten zu der Fahrt von Para bis Rio Negro, die in kleinen Fahrzeugen
und bei grösster Eile in einem Monate gemacht worden ist,
drittehalb Monate gebraucht.
Anmerkungen zum vierten Kapitel.
('•)• Ukuer pik Amazonen. Wenn irgend ein Umstand'dafür zu sprechen scheint, dass es
in Südamerica Amazonen gleich denen von Asien gegeben habe oder noch gebe, so ist es die
ausserordentlich grosse Verbreitung, welche die Sage von ihnen in diesem Continente erlangt
hat. i) Orellana wird von einem Caziken vor dem streitbaren Weibervolke gewarnt, das die-
ser (vielleicht vom Stamme der, die Lingua geral sprechenden, Omaguas) Cunhd puydra, die
Weiberleute, nennt, und findet, i. J. >542, am Rio Cunwiz, jetzt das Trombetas, Weiber unter
den Männern streitend. (Herrera, Dec. VI. L. IX. 2.) A cunna’s Bericht (Cap. 71.) stattet
den einfachen Thatbestand mit all den Sagen aus, welche seitdem so vielfach ventilirt worden
sind. 2) F ernando de R ibeira, der Conquistador von Paraguay, legt i. J. 1545 das eidliche
Zeugniss ab, auf seiner Expedition im Westen des Paraguay von einem ganzen Reiche von
Amazonen, unter dem 12® s. 11., gehört zu haben. In dieselbe Gegend versetzt die von dem
Missionär B araza um d. J. 1700 aufgezeichnete Sage ein Amazonenvölk. (Lettr. édifiant. Vol»
8. S. io n ) . 5 ) W alter R alegh bezeichnet (1595.) als das Land der Amazonen die Gegenden
am Flusse Tapajoz. 4) D e la Condamine hat gehört, dass Amazonen, von dem Flusse Caya-
md herkommend, am Cuchiuara, einer Mündung des Puni in den Amazonas, gesehen worden
seyen. Von liier hätten sie sich an den Rio Negro gewendet. Nach anderen diesem Reisenden
gegebenen Nachrichten sollen sie 5) am Rio Irl jo , einem Beiflusse des Amazonas, südlich
vom Cabo do Norte, und 6) westlich von den Fällen des Ojapoco hausen. 7) Gili setzt
sie an den Cuchiuero, einen Beifluss des Orcnoco. Es verdient bemerkt zu werden, dass in
mehrere dieser, den Amazonen angewiesenen und sehr wenig bekannten, Gegenden noch andere
Fabeln versetzt wurden. So galt Moxos als das Reich des sogenannten grossen Moxo, wohin
später (1615.) F ranc, de P oherques das erdichtete Reich Er im *) verlegte; und die Länder des
E l dorado in der Gujana fallen mit einem der angeblichen Wohnorte der Amazonen zusammen.
Der blinde, träumerische Glaube der Indianer konnte eine solche Sage durch weite Landstriche
eben so leicht verbreiten, als es mit notorisch unmöglichen Dingen der Fall war. Ich erinnere
hier an die Fabel von dem Upupidra oder Waldteufel, einem Unholde, den die Phantasie der
brasilianischen Indianer, wie (nach Gil i’s Zeugniss) die ganz entfernter Stämme am Orenoco,
mit rückwärts stehenden Füssen begabt hat. Zu dieser Eigenthümlichkeit der Indianer, das
Wunderbare aufzunehmen, kommt noch die Neigung der europäischen Entdecker, welche be*)
Ueber die mancherlei Ausgeburten d e r abentheuerlichen Phantasie je n e r Z e it: das Reich Ma.
nao od e r £1 D o rad o , das bald nach Maynas, bald ins In n ere vo n Gujana v e rleg t w u rd e , ü b e r das
Moxo oder £ rim in Pa rag u ay , das Pa ititi am Ucayale, das Guivira in Neumexico, die erdichteten
Städte de los Cesares u nd Aucahuicas in C h ile, vergl. Phil. Bauza in den Denkschr. d e r Münchner
Akademie v. t# 2t. u nd 1822. S. 89- ffl.
bemüht waren, ihre Thaten der erstaunten alten Welt im Abglanze solcher phantastischen Bilder
zu zeigen. Vielleicht hatte man dem Orellana die Streitbarkeit eines gewissen Stammes
dadurch schildern wollen, dass man sagte, selbst die Weiber ergriffen die Waffen, und der
Anblick einiger solchen Weiber, die ihren Männern im Gefechte am Flusse Cunuriz beistanden,
reichte hin, die Fabel zu vollenden. Auf diese, wie mir scheint, einfachste Weise erklärt Rx-
beiro (§. 84-) die Erscheinung, indem er,' was uns ebenfalls versichert wurde, anführt, dass
unter andern die Mundrucus ihre Weiber in die Schlacht mitzuführen pflegten, wo sie den
Männern die Pfeile darböten. Aus dem sclavisclicn- Zustande der Weiber, worin de la Condamine
die mögliche Veranlassung einer Weiberrepublik erblickt, möchte ich eine solche Erscheinung
um so weniger herleiten, als die Abhängigkeit der Weiber von den Männern notorisch
gerade in der vorherrschenden Sinnlichkeit der erstem begründet ist. Dieses Verhältniss
veranlasst manche Indianerin, ihre Horde, yvo sie vielleicht von ihrem Manne verstossen wurde,
zu verlassen, und als freie Hetäre von einem Haufen zum andern zu ziehen, wo sie Um so
eher angenommen wird, als man in ihr eine Art von Sdavin erblickt, welche sich jedem Dienste
des Hauses unterziehen muss. *)
(2.) U eber die Tupis und ihre Sprache. Das Auftreten der Topinambazes (oder Tupin.-,
der Wechsel des Vocals ist hiev, wie in allen Zusammensetzungen mit Tupi ganz gleichgültig),
entfernt von dem gleichnamigen Stamme längs der Küste, und durch viele dazwischen wohnende
Stämme getrennt, ist ein für den Ethnographen Brasiliens sehr merkwürdiges Phänomen. Zwar
scheint B erredo selbst daran zu zweifeln (Annaes §. 731.), dass die von Acunna auf der Insel
Topinambarana gefundenen Indianer dem Stamme der Topinambazes angehört hätten; allein
sein Grund, dass dieser Stamm damals vorzugsweise die Ufer des Tocantins und die Gegenden
um Para inne gehabt hätten, schliesst Nichts aus. A cunna berichtet, (Cap. 68»), dass die 7b-
pinambazes, bedrängt von den siegerischen Waffen der Einwanderer, und in zu grosser Anzahl
um sich ernähren zu können, sich aus der Capitanie von Pernambuco, wo sie vierundachtzig
grosse Ortschaften bildeten, nach dem Innern, bis an die Grenze von Peru zurückgezogen hätten,
und darauf, die Gegenden am oberen Madeira verlassend, auf oder längs diesem Strome
nach Topinambarana gekommen seyen. R ibeiro (§. 17.) giebt zu verstehen, dass diese Indianer
es auch gewesen seyen, welche die Serra Ib ’apaba in Searä inne gehabt hätten, von wo
*) Solche Weibspersonen werden in der Lingua geral Cunha mendapdra eyma (wörtlich: Mutier
in matrimonium ducta absque) genannt. Der Ausdruck, welchen uns de la Condamink als für die
Amazonen üblich aufbewahrt hat (Cougnanta insecouima) ist verstümmelt; cs soll (nach portugiesischer
Schreibart, worin h nach n = j ) heissen: Cunhdetd - imina - eyma (mulicres marito absque). Um die
verschiedenen Verhältnisse zu übersehen, unter welchen die Lingua geral das Wort Cunha (Weib; —
man wird an das griechische yvvij, das altgermanische Kona oder Quen erinnert,) zusammensetzt,
diene Folgendes: Cunhd mina: mutier affinis; Cunhd codra eyma: m. foramine absque, i. e. virgo;
Cunhd mendapdra: m. in matrimonium ducta, s. vidua (mendära: matrimonium); Cunhd mendapdra
eyma: m. caelebs, meretrix; Cunha membyra: m. filia matris (so wurden namentlich die Töchter
genannt, welche aus der Verbindung eines Gefangenen und später Geschlachteten mit einer ihm als
Beischläferin gegebenen Tupi entsprungen waren;) Cunhd tajyra: m. filia patris; Cunhd uaimim oder
goaimim: anus; Cunhd cacudo, mulier nondum vetula; Cunhd agoapd: concubina. Temirieöi uxor.
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