Jahres hindurch, dieselben Naturphänomene auf. Mit gesetzmässiger
Herrlichkeit bringt jede Stunde dieselben Spannungen, dieselben Nachlässe
der Naturkräfte, und jede Creatur erscheint im vorgeschriebnen
Momente auf der grossen Bühne, handelt, und verliert sich dann wieder
in der Mannichfaltigkeit der Nachbargestalten. Jedes gehorcht dem
eignen Triebe seines Daseyns, und ist doch darin nur Diener der allgemeinen
Gesetze; Jedes scheint nur sich selbst im Auge zu haben,
und doch ist es so ganz der Gesammtheit verfallen; der Mensch aber,
sonst gewohnt, nur in seinem Bewusstseyn die Uhr der Weltepochen
zu finden, erkennt in jenen gewaltigen Pulsschlägen der Natur ihren
eigenen Stundenzeiger. Und dieses merkwürdige Verhältniss einer ge-
setzmässig voraus bestimmten Ordnung der Erscheinungen muss sich
gerade hier, unter dem Aequator, am deutlichsten offenbaren. Ueberall
ist unser Planet bemeistert, und gleichsam zur Dienstbarkeit dem hohem
Gestirne unterworfen; aber hier allein, wo die Sonne in immer
gleicher Entfernung immer dieselben Gesetze vorschreibt, kündigen sich
die von jener aufgezwungenen Acte des Erdlebens wie freie Bewegungen
an, und die Erde scheint der Verbündete, nicht der Diener des
beherrschenden Weltkörpers. Wie ganz anders verhält sich diess im
Norden und Süden, wo die bezwungene Erde nicht in friedlicher Hingebung
, sondern in feindlicher Knechtschaft die verschiedenartigsten
Zustände und heftig stürmische Uebergänge von einem in den andern
erfahren muss. Der schroffe Gegensatz der Jahreszeiten ist in dieser
glücklichen Weltbreite verlöscht, kaum merklich unterscheiden sie sich
durch schwachen Unterschied der Tageslänge. Trockne und feuchte
Jahreszeit (Sommer und Winter) treten einander kaum gegenüber, da
regelmässig, als wir sie geschildert haben; die eigentlichen Regenmonate beginnen im November,
in Begleitung stärkerer und länger andauernder Donnerwetter. Sie halten in bedeutender Stärke
bis Februar oder März an, werden aber oft durch einen Zeitraum des Nachlasses im Regen in
den Monaten Januar und Februar (Feranico, gleichsam Vorsommer) weiter hinausgeschoben.
Im Innern des Continentes bemerkten wir diesen Unterschied auf gleiche Weise. Im September,
wo wir, vom Ostwinde begünstigt, stromaufwärts schifften, erfuhren wir die grösste Trockenheit,
dagegen die stärksten Regenstürme auf der Rückfahrt im Monat März.
fast jeder Tag in Sonnenschein und Regen wechselt, ja gewissermaassen
verkündigen sich nur Frühling und Herbst durch die Perioden in der
Vegetation. Diese aber, hier durch ihre wahren Lebenselemente, Wärme
und Feuchtigkeit, begünstigt, erhebt sich in vollster Majestät, und
bedeckt vom Ufer der Gewässer an alles Land in dichtester Fülle mit
immergrünem Laube. Viele Pflanzen, vielleicht gerade diejenigen, deren
Vorkommen in die engsten Grenzen der Aequatorialgegenden eingeschränkt
ist, sind öfter als einmal im Jahre mit Blüthen bedeckt;
manche vergegenwärtigen die Zeit des Frühlings, andere gleichzeitig die
des Herbstes; doch möchten die Mehrzahl in den Monaten November
bis März ihre Blüthen entfalten, und vom Juni bis September die Früchte
reifen. Jener Stillstand aber, welcher während des nordischen Herbstes
und Winters den Wald seines Laubes entkleidet, wird hier niemals
beobachtet; mag auch ein Baum auf einmal des alternden Blätterschmuckes
beraubt werden, so wird er doch dadurch nicht kahl; denn
neue Knospen ersetzen augenblicklich den eingetretenen Verlust. Einem
so unendlichen Lebenstriebe entspricht auch die Fülle und Pracht
der Früchte, und man kennt in dieser glücklichen Breite nur dem Namen
nach Misswachs und Mangel. Unter den Anschauungen einer solchen
Natur mussten wir ja wohl zu neuer Frische des Gemüthes erstarken.
Die grossartige Harmonie aller Weltkräfte, welche, uns hier
überall entgegentretend, gleichsam die sittliche Aufgabe des Menschen
zu symbolisiren schien, erfüllte uns mit neuem Lebensmuthe, mit den
angenehmsten Hoffnungen und mit jener Heiterkeit der Seele, die wir
im Kampfe mit so vielen Beschwerden und Widerwärtigkeiten fast verloren
hatten.
Zu solchen glücklichen Eindrücken kamen auch noch alle Vortheile
behaglicher Häuslichkeit und geselliger Verbindungen, welche uns sogleich
mit der Ankunft auf das freundlichste dargeboten worden waren.
Unser achtungswurdiger Gastfreund, Senhor A mbrosio H e n r ip u e z
beeiferte sich, den Bedürfnissen des kleinen Haushaltes wohlwollend
abzuhelfen, und durch S. E. den Herrn Grafen von V i l l a F lo r , so
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