die Sensationen des Hungers bei ihm einstellten. Er fand sich nicht
eher zurecht, als bis er auf einen mit essbaren. Früchten beladenen
Baum (P am d ) stiess, über dessen rothe Beeren er mit Heisshunger herfiel.
Sobald er sich hier genug gethan hatte, nahm sein Muth wieder
zu, und es schien, als wären die phantastischen Gebilde seiner Furcht
nur aus dem leeren Magen aufgestiegen. So wie der Gurupira die
dichten Wälder unsicher machen soll, halten dié Anwohner der grossen
Flüsse die Gewässer von anderen Unholden bevölkert, welche sie
Kp u p ia ra nennen. Dieses Wo rt, eigentlich Herr des Gewässers, ist
wohl dasselbe, welches von den tief im Innern des Landes wohnenden
Indianern für ein mit rückwärts stehenden Füssen oder mit einem dritten
aus der Brust hervorgewachsenen Schenkel versehenes Unthier (Waldteufel,
vergl. S. 1092.) gebraucht wird, dem man um so näher komme,
je weiter man sich von ihm zu entfernen glaube, und da® seine
Wuth an dem einsamen Wanderer auslasse, indem es ihn mit vér-
schränkten Armen erdrossele. Wenn ein schlafender Indianer, von einem
Krokodil aus dem Kahn ins Wasser gezogen, verschwindet, so
ist diess das Werk des bösen Kp u p ia ra gewesen. Ein Dämon von einer
ganz untergeordneten Natur ist der Uaiaara (etwa Waldherr ?) der den
Indianern gewöhnlich unter der Gestalt eines kleinen Männchens oder eines
gewaltigen Hundes mit langen, klappernden Ohren zu erscheinen pflegt.
Er lässt sich, wie das wilde Heer in der deutschen Sage, am furchtbarsten
um Mitternacht vernehmen. Vielleicht ist dieses Gespenst der
Huvishomens der Einwanderer. Auch die Irrlichter, welche die Portugiesen
unter der Form eines kopflosen Pferdes darstellen, sind ihnen
feurige Gespenster [B a ê ta ta ). So hat die verdüsterte Phantasie des
rohen Urmenschen America’s ihn von allen Seiten mit Larven und furchtbaren
Gestalten umgeben, von deren Einflüsse sich seine eingeschüchterte
Gemüthsart nie befreien kann; und in allen Handlungen hat er
Furcht und Schrecken zu steten Begleitern. Auch kennt seine Sprache
das Wort . Schreckniss {JMocahyjagaba). Vielleicht durch diese Gespensterfurcht
veranlasst, hängt er hie und da Gegenstände aus seinem
täglichen Leben, z.B. Waffen, Büschel von Kräutern oder Vogelfedern,
in der Einsamkeit des Waldes auf, entweder als stilles Opfer, den
schwarzen Mächten zur Sühne dargebracht, oder als ermuthigende
Zeugen, dass diese, an düsteren Eindrücken so reiche, Einsamkeit, bereits
schon von menschlichen Wesen durchwandert, dadurch dem Einflüsse
böser Dämonen entzogen sey.
Unsere Ausflüge in die Nachbarschaft. der Villa machten uns mit
einer von der bisher beobachteten deutlich verschiedenen Natur bekannt.
Vorzüglich die numerischen Verhältnisse in der Vertheilung der Pflanzen
nach gewissen Gruppen oder Familien sind es, wodurch der Naturforscher
darauf hingewiesen wird, dass er an der Schwelle eines
Stromgebietes wandere, welches von dem des Amazonas verschieden
sey. Erfreulich konnte uns besonders seyn, statt der verwirrten und
gleichsam unreinlichen Vegetation an jenem Strome eine grössere Menge
heiterer, glänzender Formen und ein Vorherrschen aromatischer Bestandte
i le wahrzunehmen. Myrten, Bignoniaceen, Swartzieen, Rubiaceen und
Lorbeerarten werden hier bemerkbar häufiger. Unter den merkwürdigen
Gewächsen dieser Gegenden fanden wir die Carajuru (Bignonia
chica, Hamb.'), woraus eine der Indigobereitung ähnliche Procedur eine
treffliche rothe Farbe gewinnt, welche von den Indianern in Kuchen
von vier bis sechs Zoll Durchmesser zusammengeballt und in Beutel
von Baumbast eingewickelt in den Handel kommt. (2.) In der Nähe
des Stromes waren einige Cacaoplantagen angelegt worden, welche
wir bei unseren Streifereien besuchten. Die Zahl der wilden Cacao-
stämme ist am Rio Negro, und vorzüglich im oberen Gebiete desselben,
bei weitem geringer, als am Amazonas, vorzüglich zwischen Oby-
dos, Santarem und von da abwärts bis zu den Inseln des Tocantins,
auch wird behauptet, dass er minder reiche Erndten gäbe, und leicht
wieder aussterbe. Aus diesem Grunde wird er auch hier mit weniger
Vorliebe angebaut, und man hält das Land mehr geeignet für Caffe,
Taback und Zuckerrohr. Die Pflanzungen waren in regelmässigen Reihen,
etwa fünfzehn Fuss von einander, angelegt, und die Bäume in
einer Höhe von zwanzig Fuss abgestutzt worden. Reinlichkeit des Grundes
und das frische, saftige Grün des Laubes machen den Anblick einer
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