durften daher auf jede Weise verfolgt, und in die Sclaverei geführt werden. In den südlichen
Provinzen Brasiliens versuchten es nur wenige Ansiedler, sich auf diese Weise Indianersclayen
zu erwerben, aber im Innern von MaranMo und Para, namentlich im Flussgebiete des Tocan-
tfns, wurden zu Anfang dieses Jahrhunderts immer noch Menschen jagden veranstaltet, indem
man die verfolgten Indianerstämme, um dem Buchstaben des Gesetzes, welches' den Krieg gegen
die Botocudos erlaubt hatte, nachzukommen, fälschlich mit letzterem Namen belegte. Uebri_
gens trug die neue, von Menschlichkeit und Rcchtsgefühl ausgegangene, Maassregel, dennoch die
gehofften Früchte -nicht. Man hatte erwartet, dass die Indianer, wenn sie mit allen Prärogativen
freier Menschen unter den übrigen Bürgern leben könnten, diesen Zustand ihrer früheren
wilden Freiheit vorziehen würden, allein Gemüthsart wie Bildung dieser unglücklichen Rape begünstigen
noch keine bürgerliche Selbstständigkeit , und in dieser Ohnmacht blieb ihnen; keilte
andere Wahl: entweder als Diener der Weissen unter diesen zu verharren, ode r— ,in die Urwälder
zurück zu kehren. Diejenigen Indianer, welche ganze Familien bildeten, sind, zwar
grösstentheils unter den Weissen geblieben, aber ihre Existenz war nicht verbessert, als sie sich
diesen gesetzlich gleich stellen konnten; fehlte es ihnen ja geradezu an Allem, wodurch sierder
bürgerlichen Freiheit Werth ertheilen konnten: Einsicht, Gewandtheit $ Thätigkeit. Mancherlei
Bedürfnisse machten sie aber fortwährend abhängig von den gebildetem Rapen, denen sie wenigstens
von Zeit zu Zeit dienen, so dass man sie, wenn auch nicht dem Namen nach, für
die gemissbrauchten Sdaven der übrigen halten muss. Wo sie aber durch Dünkel- und Indolenz
'■ abgehalten werden, zu arbeiten, sind sie als faule, diebische Nachbarn nur. eine Plage
der Uebrigen. Einen grösseren Verlust erlitten die Colonisten durch die allmälige Flucht- der
einzelnen, unverheuratheten Indianer, denn eben sie waren, »jeder körperlichen Arbeit gewachsen
, die industrielle Kraft der Aldeas unter den Jesuiten wie unter den Directoraten gewesen.
Gerade diese aber verloren sich am schnellsten, und mit ihrem Abgänge hat der Wohlstand
und Handel der ehemaligen Hauptorte im Serldo ohne Zweifel abgenommen, so dass gegenwärtig
nur die Stadt Para, und die dem Occane näher gelegenen Villas an Population, Thätigkeit
und Reichthum zunehmen, das Innere aber, vorzüglich*alle Niederlassungen am Rio Negro, ein
klägliches Bild des allgemeinsten Verfalles darbieten. Die traurigen Folgen dieser Maassregeln
blieben auch nicht lange der Regierung verborgen, und man kam nun an mehreren Orten wieder
auf die Nothwendigkeit zurück, den Clerus zur Anlegung von Missionen, unter Beisteuer
der Kosten aus der Staatscasse, zu verwenden. So geschah diess z. B, in G$yaz durch königlichen
Befehl vom 12. Mai 1802. In dem Estado do Gram Para wurden durch die Regierung
mehrere Aldeas angelegt, wie z. B. Maripi und S. Jodo do Principe am Japurd und die der
Maues und Mundrucus an den Flüssen Maue und Canomd; allein theils fehlte es ,ai^ Geistlichen,
theils verfolgten die einander ablösenden Gouverneure nicht einerlei System und Hessen das
bereits Geschaffene wieder eingehen. So finden sich z. B. die erstem der genannten Aldeas,
welche zu Ende des vorigen Jahrhunderts geschaffen Wurden, fast ganz verfallen. Die Thätigkeit
des Carmelitanerordens und der Kapuziner in Para, verdient in Beziehung auf diese Anstalten
alle Anerkennung; im Allgemeinen aber ist der Einfluss des Glerus theils wegen moralischer
Gebrechen, theils wegen Mangels an gleichförmigen und durchgreifenden Principien in
seiner Handlungsweise viel geringer, als er unter den Jesuiten war. Das Gouvernement hat
seitdem keinen allgemeinen Grundsatz in Beziehung auf die Indianer aufgestellt, ja vielmehr
alles in der Unentschiedenheit gelassen, welche Folge der letzten allgemeinen Maassregel gewesen
war. Besonders unerfreulich erscheint dieser Zustand der Dinge in dem Estado dö Gram
Para, welcher vermöge seiner verhältmssmässig starken Bevölkerung an Indianern bei grossem
Mangel an andern Arbeitern am Ersten eine günstige Veränderung zu erheischen scheinet. Die
dortigen Einwohnerderen Wohlstand fast.lediglich, von den Armen der Indianer abhängt, befinden
sich diesen,gegenüber zwar ohne ^Vortheiledie das Recht, aber mit allen, welche einerseits.
Kluglieit. und Thätigkeit geben, andererseits Indolenz und Geistesarmuth einräumen. • Sich
zu den geringsten-Preisen die Indianer nützlich und zinsbar zu machen, das ist dort die allgemeinste
Rücksicht. Unter solchen Verhältnissen ist es leicht erklärlich, dass die Descimentos
oder Expeditionen, um Indianer für häusliche Dienste zu erhalten,- nie aufgehört haben. Zwar
verbietet das Gesetz jeden feindlichen Angriff auf die in den Wäldern lebenden Indianer; aber
die Kunst der Ueberredung ist freigegeben, und dass sie manchmal Nachdruck durch die Waffen
erhalte, wird nicht befremden, wenn man bedenkt, dass, diese zur Nothwehr mitzunehmen
erlaubt seyn müsse 1 Oft wérden durch solche Unternehmungen, zu denen die Genehmigung
der Regierung nothwendig ist, *) Indianer überfallen und als Gefangene im Tronco-**) oder
in Fussschellen hinweggeführt; öder in andern Fällen handelt man. die Gefangenen ein, welche
der Anführer eines Stammes (Tuxaua oder Principal) von- diesem selbst oder von Feinden erbeutet
hat. Alle Indianer, welche sich unter einem Principal befinden und somit in die Bevölkerungslisten
des Richters aufgenommen werden, sollen eben wie jene, welche in den Ros-
sas der Ortschaften Landbau treiben, als rechtmässige brasilianische Unterthanen betrachtet wer-
den; gar häufig aber werden selbst solche, von den Weissen überfallen und, unter dem Vorwände,
dass sie entflohen oder Aufrührer seyen, in'die Sclaverei hinweggeführt. Bitterer Hass
und unbesiegbares Misstrauen von Seite dér rothen Menschen und eine gefühllose , das Recht
verspottende Sinnesart von Seiten der Brasilianer, dièss sind die natürlichen Folgen eines so traur
rigen Verhältnisses. Die -neue Verfassung . Brasiliens hat nun zwar den Indianern alle Rechte
der übrigen freien Bürger ertheilt; wir sind aber versucht zu glauben, dass jener liberalen Institution
ungeachtet, bis auf den heutigen Tag die Lage derselben sich.noch nicht verbessert
habe, und. immer noch’ eben-so sehr als der Negerhandel die Hülfe und Fürsorge einer weisen
und menschlichen Regierung in Anspruch nehme. Wo aber liegt diese Hülfe, und kann sie
überhaupt im Allgemeinen geschafft werden? Welche Mittel stehen dem Staate jetzt noch zu
Gebote, um die Lage jener unglücklichen Söhne eines Bodens zu verbessern, welcher bisher statt
aller Segnungen nur Krieg und Verwüstung aus dem christlichen -Europa empfangen hat?
Die vorhergehende Schilderung von den Schicksalen der Indianer in Brasilien und von der
Legislatur in Beziehung auf die bürgerliche Veredlung- derselben rechtfertigt in mancher Rücksicht
die Handlungsweise der portugiesischen Regierung, der es ernstlich um die Civilisation
und Beglückung der Indianer zu thun war; sie beweisst aber auch, dass jener. Aufgabe die
grössten Schwierigkeiten entgegenstehén. Wenn die spanische Regierung auf die Begründung
und Ausdehnung der Missionen am Paraguay jährlich eine Summe von neunzig bis hundert-
*) Um auf den Nebenflüssen des SolimoSs Descimcntos zu veranstalten, muss die Erlaubniss von
dem Militärcommandanten in der Villa de Ega eingeholt werden.
” ) Ein schweres Stück Holz, durch dessen rundes, verschliessbares Loch man die Füsse der
Gefangenen steckt.
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