Die Villa de Barcellos liegt, nach den von Spix angestellten Beobachtungen, 549 F. hoch,
also nur 27 F. h’öher als die Villa da Barra do Rio Negro. Die Mütidung des Rio Madeira
dürfte in einer Höhe Von 5oo F. anzunehmen seyn. Das weitläuftige System von Wassercanälen
im S. und S .-W . der Ilha Marajö, welches den Amazonas mit dem Tocantins verbindet,
und den sogenannten Rio do Para bildet, bedarf sorgfältiger und längere Zeit hindurch fortgesetzter
Barometerbeobachtungen, um mit Sicherheit die Anomalien der Erhebung und Vertiefung
des Terrains kennen zu lernen^ welche sich hier darstellen, und durch die Eigentümlichkeit
der Ebbe und Fluth in diesem Gebiete wird die Untersuchung noch bedeutend erschwert werden.
Wir haben in Breves, an der südwestlichen Küste von Marajö eine Höhe von 161 F .,
dagegen' in dem weiter westlich gelegenen Canale von Japy in der Bahia do Litnoeiro
189 F. beobachtet; und noch viel tiefer als Breves erscheint, wenn einigen wenigen Beobachtungen
in diesem Lande der Stetigkeit des Barometers Vertrauen zu schenken ist, der Igarape-
mirim ^ der die Wasser des Mojii mit denen des Tocantins vereinigt. Hier weist nämlich die
eine Beobachtung ( = 338" / bei 190 R. eine Höhe von 46,19, die andere, zum Grund gelegte,
= 336,7'" bei 190 R ., 100 F. (Mittel == 77,208 Fi) aus. Es hat übrigens diese Erniedrigung
des Landes nichts Unwahrscheinliches, wenn man bedenkt, dass die ganze südwestliche Hälfte
der Insel Marajö durch ihre jährliche Ueberfluthung auf eine geringere Erhebung über dem Öcean
hinweist, als die nordöstliche, welche nicht mit Ygapöwaldung, sondern mit Fluren und niedriger
Waldung bekleidet ist.
Die U fe r . Gehe)»'wir von diesen allgemeinen Betrachtungen zu den Anschauungen am
Strome selbst über, so kann uns nicht befremden, die Gewässer, welche im tiefsten Thalgrund
eines so ungeheuer grossen Beckens ausgeführt werden, nur von niedrigen Ufern eingeschlossen
zu sehen. Natürlich erscheinen sie nach den verschiedenen Perioden der Stromfülle in verschiedener
Höhe; doch erheben sie sich nirgends im ganzen Verlaufe des Stroms durch Brasilien
zu Hügeln oder Bergen, und der Reisende würde oft eine weite Aussicht gemessen können ?
wären die Gestade nicht mit einem hohen Urwalde bewachsen, der ohne Unterbrechung den
Strom so lange begleitet, bis « d e n Charakter eines Bergstromes aiinimmt. In dgm untersten
Stromgebiete^; d. h. demjenigen T h e ilc f welcher von ten Brasilianern vorzugsweise Rio das
Amazonas genannt wird, von seiner Mündung bis an die Vereinigung mit dem Madeira, treten
die Ufer während des Hochwassers nur wenige Schuhe über den Wasserspiegel hervor.
Beständig voniden Fluthen bearbeitet, wechseln sie ihre Form, und die Vegetation kann auf
ihnen um so weniger festen Fuss gewinnen, als das Hochwasser, da wo sich das Terrain senkt,
tief austritt und das Land oft, auf mehrere Stunden Ausdehnung überfluthet. Wo, wie z. B.
bei Gurupd, Santarem, Obßtos oder in dem Canale von Jatauarana, die Ufer sich auf eine
Höhe von 20, 5o bis 100 Fuss erheben, tragen sie durch Löcher und Porositäten, welche das
Spiel der Gewässer in den Mergel oder Sandstein einfrisst, die Spuren verschiedener Wasserhöhen
an sich. Im Allgemeinen ist das nördliche Ufer höher, als das südliche, ein Verhältniss,
welches im untersten Theile des Rio Negro gerade umgekehrt erscheint, der durch die Widerlager
auf der Südseite von einer Verbindung mit dem Hauptstrome weiter gen W . verhindert
wird. Oberhalb der Verbindung des Rio Negro mit dem Amazonas , in dem sogenannten Soli-
moes der Brasilianer, ist im Durchschnitte das südliche Ufer etwas höher, als das nördliche,
und die Zunahme der Hochwasser, welche um so schneller und plötzlicher eintritt, je mehr
man nach W . fortschreitet, hat einen um so gewaltigeren Einfluss auf ihre Gestaltung. Häufig
erscheinen sie vom Wellen dränge zu senkrechtsteilen Kegeln oder Wänden abgerissen, und
drohen durch Einsturz den vorübergehenden Fahrzeugen den Untergang. Es ereignet sich diess
nicht selten, vorzüglich dann, wenn hohe Bäume auf den beweglichen, aus Sand oder aufgeweichtem
Letten bestehenden Ufern wurzelten und umgerissen werden. Der fast unglaubliche
Wasserreichthum des Stromes, welcher einen so entschiedenen Einfluss auf die Gestaltung der
Ufer äussern muss, hängt insbesondere auch mit der Menge kleinerer und grösserer Seen längs
der Ufer zusammen. Diese U fe r s e e n sind eine eigenthürnlich^und charakteristische Bildung
des hiesigen Terrains. Zwar mag das, während der Üeberschwemmung ausgetretene, Wasser
theilweise zu der Bildung und Erhaltung der Tümpfel, Teiche und Seen beitragen, aber die
Hauptursache derselben ist ohne Zweifel in dem überschwenglichen Q u e l le n r e ic h th um e zu
suchen, die, nah und fern vom Strom, aus dem Boden ausbrechend, sich je nach der Oertlichkeit zu
solchen stehenden Wasserbecken ausbreiten, oder als Bäche und Flüsse dem Hauptrecipienten
zufliessen. Man ist versucht, in dem Worte der TupiSprache Ypaua, eigentlich Hy-paue oder
Hy - päiie, d< i. Alles Wasser, eine naturgemässe Ansicht von dieser Eigentümlichkeit des Terrains,
eines Bodens, der gleichsam überall Wasser bereitet, zu erkennen. (Die Portugiesen
haben hieraus Ipoera gemacht, ein Wórt, das auch in den südlichen Provinzen häufig zur
Bezeichnung eines Teiches gebraucht wird?) Wenn.man bedenkt, welche grosse Menge atmosphärischen
Wassers in . diesen dichtbewaldeten Gegenden herabgiesst, wo das ganze Land
in einem Jahre wohl achtzig Zoll hoch mit Regen bedeckt wird, wenn man ferner die
söhlige Lage und die Porosität der herrschenden Gesteinart, des Sandsteinconglomerats und
Keupersandsteins, ins Auge fasst, so mag dadurch das Ausbrechen von Irdischem Gewässer an
so vielen Puncten erklärt werden. Jede noch so kleine Wasseransammlung in der Nähe des
Stromes muss nun hierbei der grossen Ausdehnung der verflöchten Ufer durch entfernte Zuflüsse
ins Ungeheure vermehrt werden, wie man denn in dem ganzen Gebiete des Amazonas fast
seltner einen Bach oder Weiher, als einen mächtigen Fluss, einen tiefen See antrifft. Die
Mehrzahl dieser Seen steht mit dem Hauptrecipü&tcn oder mit dessen Confluenten durch Canäle
in Verbindung , . die selbst allmäliges Erzeugniss gegenseitiger Ueberfluthungen seyn mögen.
Man fin<(ëtïünter diesen Wasseranhäufühgen viele, weléffe&ogenanntes schwarzes Wasser, gleich ■
dem des] Rio Negro, führen, das in einem Glase angesehen, alle Nüanfen von Hellgelb zu
Bernsteingelb und Braun zeigt. Dass die Entstehung solcher dunklen Gewässer durch ganz
örtliche Verhältnisse bedingt sey, wird vorzüglich durch die Verschiedenheit der.Färbung mehrerer
WäSseranhäufungen im Umkreise weniger Stunden dargethan. Ueberall konnte ich die
Bemerkung machen, dass diese schwarzen Wasser-das Licht stärker zerstreuten, als die weissen,
was der Meinung Raum geben möchte , dass sie irgend einen breimbaren Stoff (Bitünen, Torf
oder andere vegetabilische Extractivstoffe?) aufgelöst enthalten. Man weiss ferner, dass die
Seen von braunem Wasser (d’Agoa preta) tiefer, kühler und constanter 'in ihrem Wassergehalte
sind, als die von weissem oder trübem Wasser (d’Agoa branca) welche häufiger austreten
und auch häufiger von dem. benachbarten Strome überfluthet werden. Desshalb sind die Ufer
der schwarzen Seen trockner und gesünder. Auch werden-. sie minder von Insecten verheert,
weil sie, sandig und nicht sumpfig, den Larven und Eiern derselben keinen Zufluchtsort darbieten.
Die Ansicht der Zitterwiesen Peri (vom Tupiworte Perl Schilf, juncus) vonMaranhäo (vergl. II. 848-)
hat mich auf die Vermuthung geleitet, dass diese schwarzen Seen ihre Entstehung, wenigstens
theilsweise, den Extractivstoffen von Wäldern zu danken haben mögen, welche durch auSbre-
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