ganzen Amazonas in geringerem Maasse als am oberen Orenoco und
am Magdalencnstrome thätig sey. Leider bin ich nicht im Stande, eine
systematische Bestimmung der Arten aufzuführen, welche uns im Verlaufe
der Reise peinigten; eine Vergleichung jedoch zwischen den von
uns und vom Herrn von H um b o l d t beobachteten Thieren lässt mich
schliessen, dass der Piwn dasselbe mit dem Mosquito am Orenoco sey,
und dass die beiden Schnackenarten Maruim (eigentlich M e ru -i d. i.
kleine Mücke) und Carapanä den Tempraneros und Zancudos entsprechen.
Die letzteren Arten von Culex scheinen mir jedoch mit den
von Herrn von H um bo ld t angegebenen Arten nicht übereinzustimmen,
und sind sehr wahrscheinlich noch nicht systematisch beschrieben.
Die Carapanä vom Amazonas (Culex amazonicus) hat einen graulich grünen
Thorax und die Füsse, deren letztes Paar sie während des Saugens horizontal
wegstreckt, sind mit einigen weiss und schwarz wechselnden Binden
gezeichnet. Die Indianer, grösstentheils unbekleidet, bieten ihren
fleischigen Rücken diesen furchtbaren Feinden mit einem Gleichmuthe
dar, dessen keine andere Ra$e fähig wäre. Im Dienste des Schiffes beschäftigt,
schlagen sie sich oft die ganze Fläche des Ruders maschinen-
mässig auf den Rücken; aber nur höchst selten suchen sie sich gegenseitig
ihre Peiniger zu verscheuchen. Solche Dienste freundlicher Aufmerksamkeit
sind ihrem Charakter fremd. Selten hört man sie über
die Unzahl der Mosquiten {Praga de JBichos, Carapanä- oder Pium-
R ey y a ) klagen, wo dann die Plage eine selbst dem bekleideten Europäer
fast unerträgliche Marter geworden ist. . Ein Stück Baumwollenzeuges,
oder des in grossen Lappen abziehbaren Bastes (Tauiri oder Turiri), bisweilen
eine Lage schwarzen Morastes * oder ein Pulver aus Sand und
Pech, womit sie die schutzloseren Theile des Körpers überziehen, sind
die Mittel, wodurch sie der Verfolgung wenigstens einigermaassen zu
entgehen trachten. Nur in den obersten Gegenden am Yupurä fand
ich jene kleinen, backofenartigen Hütten (Hornitos der span. Indianer),
in denen die Indianer am Orenoco sich den Stichen ihrer Peiniger zu
entziehen suchen. Die. stärkere Bewegung der Atmosphäre auf dem
Amazonenstrome, über dessen Mitte diese Insecten stets seltner sind,
als an den Ufern, lässt mich glauben, dass nichts so sehr zu der Verminderung
dieser furchtbaren Landplage mitwirken werde, als die Ausrottung
einzelner Waldstriche, wodurch dem Zuge der Winde Bahn
gemacht würde.
Vor der westlichen Mündung des Neamundä bewegen sich die
Gewässer in einem gewaltigen Wirbel, (Caldeiräo) , der so gefährlich
seyn soll, dass ihn alle Fahrzeuge gefliessentlich vermeiden, indem sie
wieder auf das südliche Ufer des Amazonas übersetzen. Auch wir .suchten
daher, an der östlichen Mündung des Neamundä angelangt, das
südliche Ufer des Stromes. Fast eine Viertelstunde lang mussten wir
die gewaltige Strömung des Hauptcanales durchschneiden, dessen Wellen,
so hoch als die in der Bai von Bahia, unser Fahrzeug auf eine
beunruhigende Weise erschütterten. Es ist schwer, in diesem Haupt-
Canale die Tiefe des Stromes zu messen, weil selbst ein bedeutend
schweres Senkbley von der Gewalt der Wellen ergriffen wird; doch
schien uns nach einigen Versuchen die Tiefe zwischen 70 und 80 Klafter
zu betragen. Auf der Südseite angelangt, fanden wir die zerstreuten
Cacaoplantagen von TMaracau- agu Tapera (Ort der grossen Klapperbüchsen).
Diese Pflanzungen entschädigen durch ihren fruchtbaren Boden
keineswegs für die traurige Einsamkeit des Waldes. Hier war es, wo
uns zum erstenmale eine grosse Onze erschreckte, der wir, Dr. S p ix
und ich, bei einem Spaziergange begegneten, welchen wir, während
die Mannschaft kochte, in den dunklen Wald unternahmen. Das Thier
war von ungewöhnlicher Grösse, und kam, wie es schien, vom Saufen
am Ufer des Flusses zurück, indem es einigemale stehen blieb, um
die benässte Schnauze mit der Vordertatze abzutrocknen. Wir waren
kaum dreissig Schritte von ihm entfernt, und der seltne Anblick hemmte
plötzlich unsere Schritte. Da nur Dr. S p ix mit einer Vogelflinte bewaffnet
war, so wussten wir dem Zufalle Dank, welcher das gefährliche Thier
an uns vorbei in den Wald zurückführte, ohne dass wir von ihm bemerkt
worden wären. Die Indianer erzählen viel von der Stärke des
Jaguars {Jauarete), welcher sogar einen Lamantin von mehreren Zent