Theii weit entfernt wohnenden Fazendeiros und die zahlreichen Indianer-
Familien hinzu, welche bei diesen arbeiten, so darf man wohl viertausend
als die Zahl aller Einwohner in einem Districte annehmen, dessen
bewohnbare Grundfläche etwa fünfzehn Quadratmeilen einnehmen möchte.
Unter den Einwohnern zählt man eine verhältnissmässig grosse Anzahl
von Weissen, die sich hier niedergelassen und mit Frauen gefärbter
Abkunft verbunden haben. Seit P o m b a l ist in Portugal die Meinung
von dem Reichthume und den günstigen Naturanlagen der Provinz Para
■ herrschend geblieben, und dadurch sind Leute aus den niedern Volks-
Classen veranlasst worden, hierher einzuwandern, wo ihnen der Verkehr
mit den Indianern und die Leichtigkeit, diese statt der Sclaven
zur Anlegung von Pflanzungen zu verwenden, zu Statten kommt. Eben
diess Verhältniss zu den Indianern, die nicht mit Geld für ihre Dienste
oder für die von ihnen zu Markt gebrachten Artikel bezahlt werden,
hat veranlasst, dass sehr viele der Ansiedler allerlei europäische Waa-
ren in offnen oder geschlossenen Läden verkaufen; wodurch die Villa
den Schein eines lebhafteren Handels erhält, als hier wirklich statt finden
kann. Man darf übrigens Santarem als den Stapelplatz des Handels
zwischen dem westlichen Theiie der Provinz Para und der Hauptstadt
betrachten. Aus den benachbarten Villas: O b y d o s, F a r o , Alem-
cjuer, W la Nova da Rainha im Westen, und AUer do Chäo, Villa
F ran ca , B o im , Pinhel und Aveiro im Süden am Tapajöz, werden
Cacao, Salsaparilha, Nelkenzimmt, etwas Gaffe, Baumwolle und elastisches
Gummi hierher gebracht, um sodann nach Para verschifft zu
werden. Die Fazendeiros, welche Pflanzungen in der Nähe besitzen,
und nur selten, besonders während der grössten Feste, in die Villa
kommen, hatten sich früher fast ausschliesslich dem Anbaue des Cacao
gewidmet, der überdiess auch hier nicht selten wild wächst; in neuerer
Zeit fangen sie an, dem Caffe, der Baumwolle und dem Indigo mehr
Aufmerksamkeit zu schenken. Manche dieser wohlhabenden Grundei-
genlhümer versenden ihre Erzeugnisse in eigenen Böten nach Para, so
dass den zahlreichen Unterhändlern vorzugsweise der Verkehr mit den
Indianern am Tapajöz übrig bleibt, welche ihre Handelsartikel immer
nur in geringen Quantitäten einzuliefern pflegen. Ganz vorzüglich günstig
für den Handel von S a n ta rem ist die Beschiffung des T a p a jö z bis
in die Provinz von Matto Grosso, welche seit etwa fünfzehn Jahren
viel häufiger als die des Madeira unternommen wird. Die Handelsleute
von S a n ta rem benutzen diese Reise nicht blos, um mit den Bewohnern
von Matto Grosso in Handelsverkehr zu treten, sondern auch um von
den beiden mächtigen Indianerstämmen, den M u n d ru cü s und M a a h és
die längs dem T a p a jö z wohnen, Nelkenzimmt, Salsaparilha, Cacao,
Federschmuck und das Guaranä einzuhandeln, dessen Bereitung ganz
vorzüglich Geschäft der M a a h é s ist. Von S a n ta rem aus stromaufwärts
wird die Reise bis Cujabä in einem kleinen, leichten Fahrzeuge binnen
sechs Wochen, in einer grossen Canoa, die etwa zwölfhundert Arro-
bas führt, binnen vier Monaten oder etwas längerer Zeit zurückgelegt.
Ausführlichere Nachrichten über den T a p a jö z und den Handel auf diesem
Strome verweise ich in die Anmerkung. (8.)
Wir fanden freundliche Aufnahme bei einigen angesehenen Einwohnern
der Villa, unter denen seit mehreren Jahren ein Geistlicher
wohnte, der früher dem Missionsgeschäfte in Ostindien obgelegen hatte.
Seine Erzählungen von dem Naturzustände der Hindus in dem Lande
eines uralten Cultus und einer gleichsam erstarrten Geschichte gewährten
interessante Vergleichungen mit dem Zustande der Indianer, unter
denen wir uns befanden. Diese Raçe trägt in Allem den Charakter eines
gänzlichen Mangels innerer Einheit und Wesenheit, und ist darum
in einer fortwährenden Volubilität der Gesinnungen, Meinungen, nationalen
Sitte und Sprache begriffen. Sie bleibt sich in Nichts gleich, als
in ihrem Unbestande. Die Indianer um uns her, Arbeiter bei den Co-
lonisten oder Eigner kleiner Anpflanzungen, waren eine Mischung aus
zahlreichen Stämmen: den Jacypuyds, Jurünas, Cariberis, Curiarés
{Curiverés), Cuzaris, Guaruaräs, welche alle zwischen den Rios Xingü
und Tapajöz wohnen, und den Passés, Juris, Uainumàs, Marauhas
und Miranhas, die aus den westlichen Gegenden, besonders vom Rio
Yupurä hergebracht worden waren. Alle diese verschiedenen Stamm