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vorausgegangen waren, um einen fischreichen Graben einzudämmen, welcher
dort in einen grösseren Igarapé einmündet. In dem letzteren fanden
wir jene, aus einer Reihe, in dem Umriss einer Geige eingesteckten, Stäbe
gebildete, eigenthümliche Art von Fischreussen {Camboas') angehracht,
welche die Indianer in allen Theilen Brasiliens anlegen, um die, den
den Fluss herabkommenden, Fische in den Windungen aufzuhalten. *)
Der kleinere Bach war an seiner Mündung in den grosséren durch ein
Wehr von Faschinen und Sand abgedämmt worden, und wir bemerkten
bereits viele Fische in dem unteren Theile, welche mit Lebhaftigkeit
umherschwammen. Nachdem das aufgestaute Gewässer überzutreten
anfing, hieben die Indianer einen buschichten Uferbaum um, warfen
ihn etwa hundert Schritte oberhalb der Mündung in den Bach, um den
Fischen die Rückkehr zu erschweren, und gossen nun die Töpfe des
Milchsaftes an mehreren Stellen über das Wasser aus. Die Vermischung
ward durch Umrühren mit langen Stöcken befördert. Etwa zehn Minuten
mochten verflossen seyn, als die zahlreichen Fische in eine allgemeine
und immer lebhafter werdende Bewegung geriethen. Sie kamen
häufig an die Oberfläche des Wassers, aus dem sie den Kopf hervorstreckten,
schnalzten hin und her, und mehrere der grössten und stärksten
sprangen so hoch aus dem Bache auf, dass sie zum Theil auf das
Ufer herabfielen, andere befreiten sich, indem sie glücklich über das
Wehr in den grösseren Bach entkamen. Diese Anstrengungen waren
jedoch nur von kurzer Dauer? es trat eine allgemeine Stille ein, und
die kleineren Fische kamen ohne Bewegung, die grösseren mit fortdauerndem
aber schwächerem Schnalzen an die Oberfläche. Dip Kiemendeckel
waren weit geöffnet und die Thiere schienen ohne Bewusst-
seyn und Bewegungsfähigkeit zu seyn, indem sie sich von den, in den
Bach wadenden Indianern mit den Händen fangen liessen. Bevor sie
ganz regungslos, mit dem Bauche nach oben gekehrt, im Bache flot-
tirten, kehrten sie sich gleichsam trunken von der einen auf die andere
*) Man vergl. Pr. v. Neuwied, Reise 4°- II- S. 96. Ich habe diese, wie die übrigen Arten des
Fischfanges abgebildet und beschrieben in Spix et Agassis.Pisces brasilienses.
Seite. Auffallend war uns, dass alle, hier an’s Ufer gebrachten Fische
eine ausserordentliche Erweiterung. der Pupille zeigten, ein Umstand,
der, zugleich mit der chemischen Constitution des Milchsaftes, darauf
schliessen lässt, dass die Vergiftung, wenn gleich vielleicht mit Störungen
des Athmungsprocesses beginnend, sich doch durch eine Affection
des Nervensystemes vollende. Die Fische wurden übrigens ohne Nachtheil
gegessen. Die Indianer neigen sehr dahin, diese Art von Fisch-
Fang allen andern vorzuziehen, wodurch sie oft grossen Schaden in
Teichen und Bächen veranlassen. Die Regierung hat desshalb das Vergiften
der Flüsse durch Verbote untersagt, welche jedoch wenig gehalten
werden. Im Vupura hatte ich Gelegenheit, noch anderen Arten
des Fischfanges beizuwohnen, deren Princip dasselbe ist. Statt der
giftigen Milch bediente man sich dort, wie es in vielen andern Gegenden
Brasiliens üblich ist, der Ranken des Timbö (Paullinia pinnata, Cu-
ruru., L . etc.). Grosse Büschel derselben werden zwischen Holz oder
Steinen zerquetscht, und dann von mehreren Kähnen, welche den See
in mancherlei Richtungen durchkreuzen, an der Oberfläche des Wassers
herumgeführt, worauf die Fische, von Schwindel ergriffen, aus
dem Wasser hervorspringen, oder bewegungslos darauf hintreiben, bis
sie von den Schützen, welche jenen Kähnen in anderen entgegenkom-
men, geschossen oder mit den Händen gefangen werden. Die einfachste
aller Arten beobachtete ich an dem Bache «7m, emern Confluentcn
des Yupurä. Als dort meine Indianer bei gänzlichem Mangel der Provisionen
auf den Fischfang hingewiesen waren, dämmten sie einen Theil
des Baches ein, und peitschten das Wasser mit langen Stöcken, bis
mehrere Fische betäubt und halb todt in ihre Hände fielen. Sie bedienten
sich dazu mehrerer mir unbekannter blattloser Lianenstengel, und
darunter auch der seltsam breit gedrückten, bandartig gewundenen
Stämme der Bauhinia gujanensis, Aubl.
Der Aufenthalt in Topinambarana bereicherte uns mit mancherlei
Anschauungen von dem Leben der Indianer, die wir unter der Leitung
eines wohlwollenden Commandanten zutraulicher und friedlicher fanden,