standen und verklungen seyn! Fremd der Lust und dem Wehe des menschlichen Geschlechtes,
sich selbst genug und seiner Entwickelung Gewährschaft und Messer, knüpft solch ein
Baum seine Geschichte, gleichsam jenseits der 'Menschengeschichte, an jenen Katastrop en
an, die der jetzt lebenden Pflanzenwelt Boden bereitet haben^ Nur wenige Successionen
seiner Vorgänger reichen über das Weltalter hinaus, in dem er grünet und blüht; ja vielleicht
gewährte sein Geschlecht einst jenen Thiercolossen, dem Mastodon und dem noc
grösseren Megatherium, Nahrung und Obdach; deren Gebeine, weithin zerstreut durch die
Sümpfe Südamerica's, von keinem Beste einer untergegangenen Pflanzenschopfung begleitet
werden. Bei dem, Jahrhunderte hindurch erneuten Wachsthum solcher Baume tritt der unterste
Theil des Stammes sternförmig in Ungeheuern Flächen auseinander, und bildet eine
breite, vieleckige Grundfeste, auf der sich der übrige cylindrische Schaft erhebt ). Auf den
Sinn des Betrachters wirkt ein solcher Baum der Urwaldung mit der Kraft und Fülle eines
Elementes: einfach, riesenhaft. Wie in de* unübersehbaren Flache des Oceans verliert sich
der Blick hier in ein Meer von Blättern, wie von einem Kühn;^aufgethürmten Felsen, prallt
das Auge von der ungeheuere# Masse des Stammes zurück. Auch gebärden* sich diese Riesen
des Pflanzenreiches wie ein Element, werden sie mit den feindlichen Kräften um sie
her in Kampf versetzt. Wer vermag das Grausen jener Nächte zu schildern, *wenn der Orcan
auf die Urwaldung fällt, - Laub und Stämme aufwühlt, und wenn tiefes, Brausen und Aech-
zen und Donner den zornigen Streit dieser grünen Titanengeschlechter gegen Jupiters Sturmwind
und Blitze verkündigen! Wessen Muth beengt nicht die furchtbare Scene, wenn ein
wildes Fluermeer, von zerstörender Menschenhand in die Laubgewölbe geschleudert, den
widerstrebenden Bau in Asche legt! Der Brand eines tropisch#Urwaldes ist eines der
grossartigsten Naturschauspiele. Wer den vollen Eindruck von der Grösse und dem Ernste
dieser uralten Gewächse erhalten will, der muss sich weit in das Dunkel der Urwälder vertiefen
; clort, in stiller Einsamkeit, reden s ie , dort erfüllen sie die Brust des Menschen
der Baum in eine Periode der vollsten Lebenskraft, wo er auf allen Aesten Saamen ausbildet; und
von diesem Höhenpuncte-altert e r, im langsamen Nachlasse der Kräfte, noch volle Jahrhunderte hindurch,
bis e r, wie alles Irdische, der Herrschaft des Todes verfällt. Diese Betrachtung und die ungeheueren
Grössenverhältnisse mögen darthun,; dass zehn Successionen eines tropischen Urwaldbau-
mes- schon bis zur ersten Epoche unserer schriftlichen Urkunden hinaufreichen. Ich habe in den
Urwäldern Brasiliens viele Stämme gesehen, die 120 bis 180 Fuss, und bis zu den ersten Aesten 80
bis 120 Fuss iÄ der Länge, am dicksten Theile 45„Fuss im Durchmesser massen. In Europa rechnen
wir Stämme von solchen Dimensionen unter die seltnen Wunder, aus einer-frühen Vergangenheit
übrig; so z. B. den dicksten Baum in Europa, die Castanie auf dem Aetna, von löO Fuss Umfang,
die Linden in Lithäuen von 82 Fuss Umfang, mit 815 Jahrringen, die Eichen m den polni-
schcn Wäldern von 49 Fuss Umfang, mit^10 deutlichen Jahrringen, welche daher tausend Jahre alt
geschätzt "werden, ln den Tropenländern sind Jahrringe minder deutlich, und nach ihnen ist jede
Altersbestimmung trüglich.
») Jeälter und mächtiger der oberirdische Pflanzentheil wird, desto geringer wird verhältnissmässig das
Volumen desUnterirdischen, der cigentlichenWurzel; Ich habe über dieseEigerithümlichkeit des Wachsthums
ip den Tropenländern Messungen angestellt, die ein fortschreitendes Ueberwiegen des .Stammes gegen
die Wurzel nachweisen. Vergl. Tab. II. 1. einen tausendjährigen Stamm der Bertholletia excelsa, H.
mit einer Ahnung vom geheimnissvollen Wechsel und Wachsthum der Dinge, seine Phantasie
mit Bildern einer überschwenglichen Grösse. Höchst mannichfach im Bau ihrer Blumen
und Früchte und ausserdem überzogen mit dem Schmucke zahlreicher Parasiten, sind
sie Maassstab für die Vielartigkeit der Richtungen, nach welchen der Pflanzenstoff in diesen
üppigen Ländern ausgeprägt worden.- Diese Urwaldbäume gehören mancherlei und den verschiedenartigsten
Gattungen an, und die Tracht der einzelnen ist so verschieden, dass von ihr
nur wenig auf gleichartige Bildung der Blumen und Früchte mag geschlossen werden. Eine
Gewächsgruppe jedoch, welche sich auch durch ein gleichmässiges Aeussere verkündigt, ist
die der W o 11 b äum e (Bonibaceae). Ihre Stämme sind nicht mit fester Holzsubstanz erfüllt,
sondern eine überwiegende Entwicklung des Markes nimmt den grössten Theil des
Innern ein; demgemäss dehnen sie sich übermässig in die Dicke, und verlassen die gewöhnliche
Cylindergestalft, statt welcher sie ungeheuere Tonnen, von dreissig bis vierzig Fuss
Höhe, bei verhältnissmässigem Umfange, darstellen. Ein kurzer, aber gewaltiger Astwuchs
krönt diese seltsame Bildung, welche sich vorzüglich in solchen Wäldern hervorthut, wo,
gleich dem Laubfalle in unseren Wäldern, die Blätter während der trocknen Monate abge-
worfenwerden. Die Rinde ist oft mit Warzen oder mit gewaltigen Stacheln,' von dunkler Färbung,
und glatt, dis wären sie polirt, bewaffnet. Von den Aesten hängen Büschel parasitischer
Riemfenblumen (Lorantjius) herab; andere starren von schwarzen, gestreiften Kugeln:
den labyrinthischen Wöhnungen der Ameisen.und Wespen. Auch das Laub dieser Pflanzengruppe
ist ausgezeichnet: grosse, gemeiniglich gelappte Blätter, von. steifen Haaren und, Borsten
rauh, stehen um die Enden der Zweige her, und bilden eine dünne aber weit ausgebreitete
Krone. Die Blüthen, den Malvenblumen ähnlich, mit schönen Farben geschmückt, erhöhen
die Pracht dieser Gewächse. Die Früchte gleichen kleinen Kürbissen; eröffnen sie sich, so
treten Bündel einer weisslichen Wolle hervor. Seltsam wird der Baum mit diesen Flocken
übersäet, bis sie sich, mit den darin eingehüllten Saamen, im Fluge über die Gegend verbreiten*).
Im Allgemeinen bemerkt man, dass die Gewächse heisser und feuchter Länder vorzugsweise
saftiggrüne und unbehaarte Blätter darbieten. Die Erzeugung vieler Haare an
*)* Diese dreifache Ansicht, beim Blühen, der Fruchtreife und. bei dem Saamenfalle gewähren die co-
lossalen Gattungen von Ochroma, Bombax, Eriodendron und Chorisia, Bewohner der dichten Wälder.
Am Ufer der Flüsse und Sümpfe erscheint die. prächtige Carolinea, ein niedriger Baum mit
glänzenden, gefiederten Blättern und spannenlangen Blumen, zwischen deren weissen oder purpurnen
Blättern ein Büschel goldher Staubfäden winket. In Mexico tritt das Chirostemon platanoides, H. auf,
verrufen durch die seltsame Bildung des Staubfadenbündels, der einer fünffingrigen Tatze gleicht. In
Peru und Brasilien wachsen die unförmlichen Stämme der Pourretia (.P. tuberculata, M . , Tab. XII; uw.)
nach dem Blätterfall weithin durch die Waldung dunkelnd. In Afriea ist es der berühmte Baobab,
der diese Pflanzengruppe repräsentirt. Von ihm, den oft mehrere Negerfamilien bewohnen, will man
berechnen, dass er bei SO .Fuss Dicke und 73 Fuss-Höhe über 5000 Jahre alt sey. Ostindiens majestätische
Urwälder sind ebenfalls reich an diesen Riesengewächsen; überdiess herrscht dort die verwandte
Bildung der Sterculiaceen vor, die auch in Südamerica einzelne Repräsentanten hat. (So z.
B. Sterculia Ivira, deren Kapsel mit Brennstachcln versehen ist, und St. Chicha mit essbarer Frucht.
Vergl. Mart. Palm. t. 62-j