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benachbarten Hütte untergebracht, und durften alsbald frei umhergehen,
mit Ausnahme eines rüstigen Mannes, dessen Füsse in den Tronco
(Mondé) , einen durchlöcherten Baumstamm, gesteckt wurden, weil er
zu fliehen versucht hatte. Die Sieger traten in die grosse Hütte, wo
sie einige Stunden lang vor dem Häuptling gleichsam in Parade ausruhten,
und in eifrigem halblauten Gespräche wahrscheinlich das Schicksal
der Gefangenen verhandelten. Man überliess diese Unglücklichen während
der ersten Tage dem Hunger und jedem Elende, bis sie unter
die Theilhaber des Streifzuges vertheilt, und von diesen an den Tubixava
verkauft wurden. Gegen Abend entliess dieser die Horde, um sich
Schlafstellen zu suchen ; und mit einbrechender Nacht kamen sie wieder
herbei, um vor der Hütte mit ungeheuren Quantitäten von Kuchen,
schwarzer Mandioccabrühe und Näpfen voll Cajiri aus Palmfrüchten be-
wirthet zu werden. Die Frau des Tubixava und einige andere Weiber
machten mit vieler Emsigkeit die Wirthe, indem sie die Getränke von
Mann zu Mann trugen. Die Speisen standen frei umher, und Jeder
kauerte nach Begehr bei ihnen nieder. Auffallend war das Betragen
des Häuptlings gegen seine Frau. Sie war bis zur Versammlung der
Gäste mit Vorbereitungen für deren Empfang beschäftigt gewesen; nun
aber kam sie dem Gemahle mit einer vollen Schaale Cajiri entgegen,
ohne ein Wort zu sprechen; aber auch er hat nach so langer Trennung
nichts zu sagen, er nimmt die Schaale, trinkt sie aus, ohne die
Frau anzusehen, und giebt sie schweigend zurück. Mir liess er verdolmetschen,
indem er mich grässlich angrinzte und auf die Hütte der
Gefangenen deutete: seine Sache habe er wohl gemacht. Ohne Zweifel
hatte er meinem Hierherkommen keinen andern Grund geliehen, als
den, Gefangene von ihm einzuhandeln; er konnte daher kaum fassen,
als ich ihm fur den Federschmuck, die Waffen und ein schönes, fächerförmiges
Farnkraut (Schizaea) , welche er mir überreichte, eben so
viele Beile und Messer gab, als er für die Gefangenen erwartet hatte.
Er fugte nun seinem Geschenke noch fünf junge Indianer, zwei Mädchen
und drei Knaben, bei. Von diesen unglücklichen Geschöpfen, die
ich um so lieber aus den Händen des Unmenschen annahm, als sie hier
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ohne Fürsorge einem gewissen Tode entgegen gingen — sie waren
bereits alle fieberkrank — ist das älteste, ein Mädchen (S. im Atlas
das Porträt der „Miranha“ ) von uns nach München gebracht worden;
zwei andere übergab ich dem Snr. V ideira Duabte, Militaircomman-
danten von Ega nnd dem Snr. Pombo, Ouvidor von Para; die andern
beiden, welche bereits den Keim Todes in sich trugen, starben an Leberverhärtung
und Wassersucht während der Reise. Joäo Manoel fand
sich mit Verdruss in dem Nutzen des Descimento (tupi: G o è jyb), wie er
beschönigend seine Menschenjagd nannte, getäuscht; er hatte gehofft,
alle Gefangenen an uns zu verkaufen. Da ihm diess nicht gelang, so
liess er seinen Unmuth den Unglücklichen entgelten , die mit grausamer
Gleichgültigkeit behandelt wurden, und wahrscheinlich in kurzer Zeit
ein Opfer der Vernachlässigung und des ungesunden Aufenthaltes geworden
sind. Diese Leute waren, wie ich später erfuhr, vom Stamme
der Miranhas, der sich Muriatês nennt. Der Tubixava war, um sie
zu uberfallen, zwei Tagereisen landeinwärts, und dann parallel mit dem
Yupura gen W. gezogen. Sehr befremdend musste seyn, dass er beim
Eintritt in seine Wohnung von meiner Rückkehr und von Snr. Z anv’s
Krankheit bereits unterrichtet war. Der unmässige Genuss des Cajiri
hatte die Krieger erhitzt, und das allmälige Eintreffen der benachbarten
Familienvater, die, von den Holzpauken gerufen, mit Weibern und
Kindern erschienen, erhöhte den Freudenrausch der wilden Menge. Als
es Nacht geworden war, sahen wir uns von mehreren hundert dieser
Leute umgeben. Eine wilde, tobende Freude bemächtigte sich ihrer
und beim Scheine zahlreicher Feuer, die rings um die Hütten aüfloder-
ten, bereitete sich vor meinen entsetzten Blicken ein Bild— nicht menschlicher,
höllischer Art: ein Tanz wüster, von Siegeslust und Sinnenrausch
erhitzter Menschenfresser. Wir Ankömmlinge alle zagten, denn der
geringste Streit mit dieser entarteten Rotte hätte uns das Leben gekostet.
Ich suchte sie zu entwaffnen, indem ich so viel als möglich von
ihren vergifteten Wurfspièssen einhandelte; auch schien mir diese List
zu glücken, denn bald hatte ich eine Montaria damit angefüllt, die ich
inmitten des Stromes vor Anker legen liess; allein am andern Morgen