Mündung des Amazonas acht Legoas Weg rechnet. Dieser Theil der
Fahrt, zwischen der Bahia da Vieirinha und dem Hafen von Macapa
wegen der heftigen Bewegung des Stromes, 3er hier ellenhohe Wellen
fuhrt, nur in starken Fahrzeugen räthlich, wird unter Begünstigung
der Ebbe und des, die Nacht hindurch wehenden, Landwindes ausge-
führt. Den übrigen Weg legen die meisten Fahrzeuge zwischen den
Canälen im N. O. von Gurapä zurück. Von allen Reisen in den Gewässern
des Amazonas werden diese Fahrt, die von Para um das Cabo
de Magoary nach Macapa, und die Beschiffung .der Küsten im N. von
dieser Villa für die gefährlichsten gehalten. Dennoch hat eine Indianerin,
von treuer Gattenliebe getrieben, den furchtbaren Golf zwischen
Macapa und der Insel Marajö auf einem Balken .durchrudert. Gerne
erzähle ich die rührende Geschichte von V e n a n c i a wieder, wie ich sie
in manchen Orten am Strome vernommen. Als M e n d o n s a F u r t a d o aus
allen Orten der Küste Indianer zusammentreiben liess, um sie zum Ruderdienste
bei sein,er Expedition nach RioNegro zu verwenden, ward auch
ein Indianer vom Stamme der Armabatds zum Matrosen gepresst, der
erst vor wenig Tagen mit seinem Weibe V e n a n c i a und einem Säugling
nach Macapa gekommen war, um sich und die Seinen taufen zu
lassen. Umsonst stellte der Geistliche dem Commandanten die Barbarei
dieser Täuschung vor, umsonst warf sich V e n a n c i a verzweifelnd vor ihm
nieder;' selbst der Trost ward ihr versagt, den Geliebten begleiten in
dürfen, und thränenlos sah sie ihn, den plötzliches Unglück in rathlos
stumme Verzweiflung gestürzt hatte, mit den Uebrigen sich einschiffen.
Drei Tage und drei Nächte sitzt sie, den Säugling im Arme, am Ufer,
und ihr tiefer Harm rührt auch den Befehlshaber einer Kaufmannsbarke
nicht, den sie um einen Platz bis Chaves anfleht. Da verbirgt sie sich
in dem absegelnden Fahrzeuge; aber das Wimmern des Kindes verräth
sie, und der Unmensch zwingt sie, schwimmend an das Ufer zurückzukehren.
Diess gelingt, und neuer Muth erwacht aus der Probe. Sie
findet ein Ruder, sieht einen leichten Balken am Strande treiben, und
dieser unsicheren Hülfe vertraut sie nun mehr als den Menschen. In
dem einen Arm das Kind, mit dem andern rudernd, erreicht sie, fast
einen Tag lang den Fluthen Preiss gegeben, glücklich das jenseitige
Ufer und findet den Geliebten. So viel Heroismus erweicht die harten
Gemüther der Soldaten; sie gewinnt den Gatten wieder, glücklicher als
jene Guahiba am Atabapo, deren Mutterliebe die Feder eines grossen
Reisenden (v. H u m b o l d t , Relat. II. S. 409.) ein Denkmal gesetzt hat.
Solche Beweise von heldenmüthiger Liebe und unerschütterlicher Treue
fallen wie Sonnenblicke in die Nacht jener Rohheit und Fühllosigkeit,
worein wir fast immer den Ureinwohner America’s versenkt sehen.
Wie gerne vernehmen wir von ihm auch Züge höherer Humanität!
Sobald wir hier einen neuen Piloten aufgenommen hatten, hielt uns
Nichts in dem traurigen Oertchen zurück, und wir lichteten noch Nachts
10 Uhr den Anker, um bei klarem Mondscheine die Reise in westsüdwestlicher
Richtung* längs dem Festlande fortzusetzen. Unsere Indianer erheiterten
sich zu dem Ruderdienste durch einen einfachen Gesang, den sie ohne
zu ermüden, Stunden lang wiederholten. Die Melodie, welche wir in dem
Atlas bereits mitgetheilt haben, wahrscheinlich ein veränderter Theil aus einem
Kirchengesange, ward von Einem der Gesellschaft vorgesungen, und
dann fielen die Uebrigen pünctlich ein, wobei sich ihre Thätigkeit am Ruder
verdoppelte. Es konnte uns hiebei nicht entgehen, was sich durch längere
Beobachtung vollkommen bestätigte, dass der Indianer mit einem sehr
richtigen Gefühle für Harmonie ausgestattet sey; denn stets sangen sie
in reinen Terzen und Quinten und vermieden jede Dissonanz in bewusstloser
Sorgfalt. Auch hierin unterscheidet sich der rothe Mensch
auf das Schärfste vom schwarzen, der allen Gefühls für Harmonie beraubt,
und nur mit einer instinctartigen Vorliebe für Melodie begabt
scheint. Wer jemals Gelegenheit hatte, das furchtbare Unisono zu hören,
worin die Neger Stunden lang ihre einfachen, abgesetzt hervor-
gestossenen Sangweisen, ohne eine Spur von Gefühl für Harmonie,
wiederholen, wird unserer Bemerkung beipflichten müssen. Freilich
hatten aber unsere Indianer, ausser ihrer angebornen musicalischen
Neigung, noch eine andere, leidige Veranlassung sich die Stunden der