als irgendwo sonst. Die Nähe der grossen Völkerstamme Mandrucüs
und Maah.es bringt Leben und Betriebsamkeit in das Oertchen, und
verleiht den angesiedelten Indianern noch etwas von jener Lebensfrische
ihres ursprünglichen Naturzustandes, welche in den meisten längere Zeit
bestehenden Aldeas von Schläfrigkeit, Unlust und grösster Sittenlosigkeit
verdrängt wird. Doch mussten wir auch hier mit Bedauern das Haupt-
Laster der Indianer, ihre Trunkenheit, bemerken, wodurch der schönste
Keim der Civilisation in diesen Ländern unterdrückt, und vielleicht
auch die Entvölkerung befördert wird. Man würde Unrecht thun,
wollte man die Trunksucht als lediglich durch die Europäer eingeführt
betrachten. Die rothen Menschen kannten schon vor der Entdeckung
America’s berauschende Getränke, das Pajauaru aus sauer gewordenen
Mandioccawurzeln, und das Ca.jiri aus den grossen Broden des Mandioc-
camehles [Beiju). In dem Zustande der Trunkenheit geht ihre ruhige
und schweigsame Natur zu wildem Lärm und Geschrei über, und es
fehlt dann nicht an Zank und Streit, der Blut fliessen macht. W ir hatten
desshalb unseren, auf Erlaubniss des Commandanten zur Villa gekommenen,
Leuten strenge verboten, nach Sonnenuntergang die Hütten
der Indianer zu besuchen; aber es war schwer, sie von der lärmenden
Lustbarkeit zurückzuhalten, welche sie aus den gastfreundlich geöffneten
Hütten der Indianer beim Scheine des Mondes anlockte. Einer
der Soldaten, ein Portugiese, mit dem wir bald aus gegründeteren Ursachen
unzufrieden seyn sollten, konnte des Lobes der wild durchschwärmten
Nächte kein Ende finden, und der wackere Sergeant äusserte mit
Bedauern, dass man hier im Sertäo die Lustigkeit, wenn auch nicht
des Himmels, doch der Hölle, fände.
An den abgerissenen Ufern des Stromes konnten wir die früher
gemachten Beobachtungen über die geognostischen Verhältnisse bestätigen.
Wo wir derbes Gestein sahen, waren es Felsen eines violettbraunen,
stark eisenschüssigen Sandsteines, der hier häufig in Tafeln geschichtet
erschien. Hierauf findet sich röthlicher, weisser oder violett
gebänderter feiner Thon (Tabatinga), welcher auch hier zum Anstreichen
der Häuser benützt wird, dann eine rothe schwere Thonerde, oder ein
grauschwarzer Sand, und endlich schwarze Dammerde in einer Mächtigkeit
von -drei bis fünf Fuss. Als wir am 5. Oct. die Villa verliessen;
fanden wir die Ufer schon weiter, bis auf eine Höhe von zwölf Fuss,
entblösst, da der Strom seit einigen Tagen sich stärker zu entleeren
begann. An solchen Stellen war der Sandstein hie und da vom Spiel
des Gewässers corallen- oder schwammartig zerfressen, und nach dem
verschiedenen Stande des Stromes wechselten Streifen des durchlöcherten
Gesteines mit anderen, noch dichteren, ab. Die Sandinseln im Strome
tauchten in grösserer Ausdehnung aus der Fluth auf; von nun an
boten sie uns für jede Nacht Herberge, und überdiess ein erfreuliches
Schauspiel, weil sie mit unzählichen Wasservögeln bedeckt waren, welche
eben jetzt ihre Eier legten. Unsere Leute brachten ganze Körbe
voll Eier, die sie unter lautem Geschreie der ängstlich umherfliegenden
Möven [Larus brasiliensis) vom Sande aufgelesen hatten. Dieser Vogel
legt zwei, denen unserer Kibitzen ähnliche, Eier. Auch Enten
(Anas uiduata), Taucher (Colymbus ludovicianus), Reiher {Ardea Egret-
ta) und bisweilen die gravitätischen JYIagoaris (Ciconia americana) belebten
diese Inseln, welche sich nicht selten auf eine halbe Stunde und
mehr in die Länge bei verhältnissmässiger Breite ausdehnen. Von zahlreicher
Beute angelockt, steigen auch die Kaimans in grosser Anzahl
auf die Ufer herauf. Wir sahen deren manchmal ganze Haufen mit
halbgeöffnetem Rachen und blinzenden Augen liegen, der Annäherung
des harmlosen Gefieders gewärtig. Der sandige Boden, worin wir abgerundete
lydische Steine und Sanderz neben den gewöhnlichen Bestandteilen
des Flussandes bemerkten, ernährt nur wenige Pflanzen, vorzüglich
die hellgrünen Gebüsche der Salix Humboldtiana, der Hermesia
castaneaefolia und hie und da Gruppen der Jauaripalme (Astrocaryum
Jauari, Mart. Palm. tab. 52.). Sobald wir landeten, war das erste
Geschäft, unsere Hangmatten zwischen jenen südlichen Weidenbäumen,
welche durch ihren Namen uns noch theurer geworden waren, aufzuhängen.
Wo sie zu tief im Lande standen, wurden Stämme derselben
abgehauen, nächst dem Strande in die Erde gerammelt und die Hang- '