Rechtsverhältnisse.
Ueber die Bevölkerung des Landes laufen die verschiedensten
Angaben um, und würde es schwer sein, darüber zur
Gewissheit zu kommen. Ich hörte einmal erzählen, dass vor
einigen Jahren (1863) der König von Siam alle die alten Leute
seines Landes (von 70 Jahren und darüber) habe zusammen-
rüfen lassen, um Jedem einen Tikal (Bath) zu geben, und dass
sich 20,000 gefunden hätten (wohl männlichen Geschlechts).
Eine ähnliche Zählung soll, vorgenommen sein gerade vor der
letzten Zerstörung Ayuthias durch die Birmanen. Der König
habe alle Greise durch ein' enges Thor eintreten lassen, wo
jedem derselben ein Goldstück eingehändigt sei. In einem
Manuscript fand ich bemerkt, dass nach der Zerstörung Vieng-
chan’s (1829) der König im Pferdejahr, dem achten des Cyclus,
eine Zählung aller Lek (Conscriptionspflichtigen) aufstellen liess,
die am Handgelenk markirt waren (sak ), und dass sich nach
den in der Sala-Banji aufbewahrten Registern die Zahl 4,000,000
ergebe. Darin seien aber die vornehmsten Städte des Südens
und Nordens, wie das Laosland, nicht einbegriffen, da diese
nicht im Hangoao (den Listen der für Frohndienste Einberufenen)
aufgeführt würden.
Das Volk in Siam zerfällt in zwei Hauptklassen, in die
Tahan oder Soldaten und die Phollarüan. Von den verschiedenen
Ständen werden die Khon leo am Handgelenk durch
Brandmarken gezeichnet, nicht aber die Phu-Di oder Edeln.
Die Phrai-Fa sind Fremde und andere Volksgenossen, die das
Recht der Freizügigkeit besitzen, und die unter dem Schutze
der Regierung stehen, deren Dach sich über sie (als Metoiken)
wie der Himmel (F a ) Uber das Waldland (Phrai) wölbt im
Königsfrieden. Phrai Phollamyang heissen auch im Allgemeinen
die Bewohner der Städte, Phrai-Luang die Diener des Königs,
Bao-Phrai Sklaven männlichen oder weiblichen Geschlechts und
Kadumphi edelgeborene Bürger. Die Khek entsprechen den
hospites oder consortes (advenae oder albani) auf den Loos-
gütern. Unter dem Namen Senabodi werden alle Regierungsämter
zusammenbegriffen, Prinzen und Fürsten eingeschlossen.
Senapati bedeutet den Herrn (Pati oder Bodi) der königlichen
Diener oder den Aeltesten (Sena). Jed er, der über dem gemeinen
Volke steht, heisst Khun-nang (als ein Patrizier dem
Plebs gegenüber), und viele der Khun sind zugleich im Staatsdienste
angestellt. Alle mit einer Verwaltung betraute Beamte
sind bis zum niedrigsten (dem Khun-Muen) hinab dem Zeichnen
nicht unterworfen; wird aber ein Künstler oder Handwerker
vom Könige zum Haupt seiner Gilde erhoben, so behält er dann,
wie früher, seine Marke aufgeprägt. Solche Familien, deren
Mitglieder, entweder weil sie Stellen in Aemtern bekleiden oder
doch nahe Ansprüche auf solche haben, von dem Markiren befreit
bleiben, werden Sakun genannt. Hat der Sohn ein Alter
erreicht ( d a s ihn befähigt, die öffentliche Regierungsarbeit des
Königs zu verrichten, so nimmt ihn der Vater mit sich zurRegi-
strirung und lässt die nöthigen Papiere für ihn ausfertigen. Mit
Krakun wird ein höherer Rang bis zu einem gewissen Grade
erblichen Adels bezeichnet, als mit Sakun. Alle Edeln werden
mit einem gemeinsamen Namen Phu-Di (boni homines oder
Goden) genannt, im Gegensatz zu demRasadon als Volk. Unter
Phrai versteht man dann solche, die sich in Dienstverhältnissen
befinden. Mit Dom werden die Aristokraten, als abgeschlossene
Kaste, bezeichnet. Dem Könige gegenüber sind alle Untert
a n e n Kha Pen-Din (Sklaven*) der Erde oder glebae ascripti),
*) Le peuple de Tonquin est esclave et travaille toujours pour le roi excepté
les deux moissons (s. Choisy). „Chaque homme en Cochinchine travaille
toute l’année pour le roi pendant les quatre mois, que durent les moissons.“ Das