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 gelitten  hat  und  in  Folge  derselben  ihre  Lehrbücher  mit  unrichtigen  
 Schlussfolgerungen  gefüllt  sieht.  Obwohl  die  Ethnologie  
 bei  der  innigen  Verwachsung  der  Psychologie  mit  dem  
 physiologischen  Mutterboden  ihrer  Wurzeln  die  Objecte  der  engeren  
 Anthropologie  nicht  aus  dem  Auge  verlieren  darf,  so  
 liegt  -doch  ihr  eigentlicher  Schwerpunkt,  wie  schon  v.  Baer  
 scharfsichtig  hervorgehoben  h a t,  in  dem  Geistesleben  der  Völker, 
   in  Erforschung  der  organischen  Gesetze,  unter  denen  die  
 Menschheit  im  Entwickelungsgange  der  Geschichte  zur  Cultur  
 emporwächst,  um  die  Blüthe  reiner  Humanität  zu  entfalten.  
 Diese  Aufgabe  wird  bei  der  Weite  ihres  Umfanges  und  der  
 Wichtigkeit  ihres  Gegenstandes  sicherlich,  Wenn  irgend  eine,  
 das  Zugeständniss  einer  Specialität  verlangen  können,  und  die  
 Ethnologie  ist  dazu  berufen,  ihre  Fragen  nach  der  strengen  
 Forschungsmethode  unserer  Gegenwart  zu  lösen.  Sie  hat  auch  
 die  Psychologie,  als  die  jüngste  der  Schwestern,  in  die  Reihe  
 der  exacten Wissenschaften  einzuführen,  und  sobald  diese  auf  
 der  sichern  Grundlage  der  Naturbeobachtung  ihren  festen  Halt  
 gewonnen  h a t,  werden  die  sie  bisher  umhüllenden  Phantasie-  
 Gebilde  aprioristischer  Hypothesen  bald  in  die  haltlosen  Nebel  
 ^verwehen,  aus  denen  sie  zusammengeballt  waren.  Nur  durch  
 Hjüfe  der  Ethnologie  wird  die  Psychologie  die Masse  der That-  
 sachen,  die  empirischen  Facta  gewinnen  können,  deren  es  hier,  
 wie >n  jeder  Induction,  bedarf.  Nicht  der  Mensch  isolirt  und  
 und  abgeschlossen,  sondern  der  Mensch,  dem  innerhalb  der  
 Gesellschaft  der  sprachliche  Austausch  das  eigene  Bewusstsein,  
 als  Resultat  des  Wechselverkehrs,  ermöglicht  h a t,  repräsentirt  
 den  Typus  des  Geschlechts.  Es  genügt  deshalb  nicht,  sich  
 in  der  Psychologie  auf  die  Selbstbeschauung  des  Individuums  
 zu  beschränken;  das  Geistesleben  des  Individuums  ist  nur  
 ein  secundäres  Product,  erst  dadurch  ermöglicht,  dass  das  Individuum  
 als  integrirender  Theil  eines  gesellschaftlichen  Ganzen  
 lebt.  In  den  Völkerkreisen,  in  denen  ein  nationales  Band  
 die  Individuen  vereinigt,  ist  der  Völkergedanke  zu  suchen,  
 der  als  primärer  dem  Gedanken  des  Einzelwesens  vorangeht,  
 und  der  sich  vor  Allem  in  den  religiösen  Anschauungen  re-  
 flectirt,  denn  die  Religion  erfüllt  den  normalen  Horizont  der  
 Naturvölker ^  ehe  unter  den  Differenzirungen  einer,  über  die  
 Schwelle träumerischen Gefühlslebens hinausgetretenen, Entwickelungsstufe  
 ihr  Bruch  mit  der  Philosophie  eingetreten  ist.  In  
 den  Religionen  spiegelt  sich  das  Seelenleben  der  Völker,  und  
 ihre  zum  Denken  erwachenden  Ahnungen,  die,  den Blicken  unzugänglich, 
   in  der . dunkeln  Tiefe  des  Gemüthes  gähren,  wir  
 sehen  sie  k lar  und  deutlich  zurückgestrahlt  von  den  gigantischen  
 Gestaltungen,  die  im  Widerschein  der  mikrokosmischen  
 Schöpfungen  am  mythologischen  Horizonte  einherschreiten.  „In  
 der  Religion,  wie  Lessing  sag t,  ist  der  Gang  zu  erblicken,  
 nach  welcher  sich  die  menschliche  Vernunft  jedes  Ortes  einzig  
 und  allein  hat  entwickeln  können  und  entwickeln  sollen.“  Die  
 Ethnologie  wird  der  Culturgeschichte,  die  bisher  auf  unser  direktes  
 Oivilisations-Areal  Europas  mit  dem  westlichen  Asien  und  
 dem  nördlichen  Afrika  beschränkt  war,  die  werthvolle  Hülfe  
 der  Vergleichung,  die  Hülfe  ’comparativer  Aequationen  gewähren, 
   indem  sie  ihren  Gesichtskreis  über  die  ganze  Masse  det  
 fünf  Continente  erweitert  und  neue  Perspectiven  nach  anen  
 Seiten  hin  eröffnet.  . 
 Bei  den  Naturvölkern  finden  sich  keine  eigentlichen  Mythologien; 
   die  Religion  bewahrt  bei  ihnen  noch  ganz  lmd  wahr  
 ihren  acht  etymologischen  Sinn  eines  bindend  zurück\yirkenden  
 Uebersinnlichen,  dessen  mächtigem  Walten  sich  der  Mensch  
 willenlos  unterwirft.  Erst  durch  eine  Doppelbrechung,  bei  
 weiterer  Reflexion  über  die  Spiegelung  des  aus  unbewussten  
 Denkgesetzen  projicirten  Jenseits,  bildet  sich  das  bunte  Spiel