seiner Huldigung den heiligen Männern. Darauf rutschte auf
ihren Knieen die älteste Tochter des Verstorbenen herbei und
stiess einige Schachteln mit Geschenken vor sich her, bis sie
den Sitz derjenigen Mönche erreicht hatte, für welche sie bestimmt
waren. Sie war ein junges Mädchen, deren heller Teint
nicht übel die Probe der weissen Gewänder bestand, worin sie
gekleidet war, mit Freilassung des einen Armes und eines Theiles
des Oberkörpers. Um die Geschenke rascher unter die Priester
zu vertheilen, kam ein Haufe kleiner Knaben zur Hülfe, theils
Söhne des Königs, mit den Kopfknoten, theils Söhne des Verstorbenen,
deren Haupt in Folge des Todesfalles geschoren war.
Nachdem der König sich einige Körbe mit Lotosblumen und
andere mit Lotossamen hatte bringen lassen r stimmten die
Priester einen recitativischen Choralgesang an, während ihr Gesicht
hinter den aufgesteckten Fächern verdeckt blieb. Neben
dem Centralgebäude fand sich ein ähnliches kleineres, wohin
die Leichenurne bei der Verbrennung zu versetzen war. Alle
Thore waren von ungeheuerlichen Riesengestalten bewacht und
siebenfache Schirme (von Gold- und Silberzeugen) standen umher.
In einem Theil der Anlagen fanden sich künstliche
Felsen mit Höhlen und Grotten oder kleine Seen mit Papier-
Mache-Häuser und Puppen darin. Die Soldaten waren in ihrer
Uniform aufgezogen, ebenso wie die Orchesterbanden, aber die
Wächter in der nächsten Umgebung des Königs trugen Lanzen.
Einige der in die weisse Trauerfarbe gekleideten Diener hatten
reichverzierte Schwerter um hängen.
An verschiedenen Stellen waren Speisehäuser aufgeschlagen,
die auf Kosten von Fürsten oder Vornehmen eingerichtet waren
und für deren Bekannte offene Tafel hielten. In einem derselben,
wo wir eintraten, fanden sich auch Tische und Stühle.
Wir liessen uns dort Thee mit Gebäck serviren, sahen aber
sehr substanzielle Mittagsessen, um welche die auf der Erde
hockenden Siamesen mehrere Cirkel gebildet hatten und es sich
wohl sein liessen.
Als wir am folgenden Tage wieder hingingen, war die
Urne schon nach dem Verbrennungsthurm entfernt. Wir standen
in einem Kreise mehrere Europäer auf den Stufen, wo sich die
jungen Söhne des Königs mit uns neckten und scherzten, als
eine der erwachsenen Prinzessinnen, die auf den labyrin-
thischen Irrpfaden dieser Baulichkeiten ihren Weg verloren
haben mochte, sich plötzlich mitten unter uns befand. Sie
sprang aber rasch entschlossen, mit der Gelenkigkeit und Behendigkeit
eines Rehes, die hohen Treppen hinab. Der ganze
Zug der jungen Ehrendamen folgte der Gebieterin, und im Nu
war Alles hinter einer blinden Thür- verschwunden. Unsere
Gegenwart in dem Theile der Anlagen schien überhaupt zu
geniren, und hatten wir uns wahrscheinlich aus Unkenntniss in
die Nähe der Frauengemächer hingepflanzt, die die Eingeborenen
aus guter Lebensart immer zu incommodiren vermeiden. Ein
auf ihrer weissen Kleidung mit reichem Goldschmuck behange-
nes Mädchen»schaute mehrere Male scheu aus einer halbgeöffneten
Thür hinaus, wagte sich aber erst auf das wiederholte
Drängen ihrer Gefährtinnen vorwärts, da vielleicht ein, keine
Verzögerung leidender, Auftrag auszuführen war. Als sie in
verlegener Hast bei uns vorbeieilen wollte, verwickelte sie sich
mit ihren Füssen in eine am Boden liegende Schnur, so dass
sie in’s Fallen gerieth. Ehe aber Jemand Zeit hatte, hülfreiche
Hand zu bieten, hatte sie sich schon mit Geschick befreit und
war mit ein paar zierlichen Körperbewegungen unseren Blicken
entflogen. Der König schickte ein Theebrett mit Lotterieblättern*),
d. h. zusammengeklebte Fruchtschalen, die beim
Oeffnen ein Papier enthielten mit der Nummer des gewonnenen
Gegenstandes. Einer meiner Gewinne war eine mit eingearbeiteten
Blumen verzierte Beteldose, ein anderer ein Körbchen,
ein dritter ein Handtuch, wie ich glaube. Ein beliebter , Spass
des Königs bei solcher Festlichkeit besteht darin, kleine Goldmünzen
unter das sich darum balgende Volk auszuwerfen, oder
seinen Freunden Limonen zu vertheilen, die silberne oder goldene
Tikal enthalten. Diesmal war er jedoch trübe gestimmt, weil
an dem Morgen desselben Tages seine Lieblingstochter, die ihm
am Meisten am Herzen gelegen hatte, von der Cholera befallen
*) Aehnliche Loose warf (nach Sueton) Nero aus und Titus (nach Dio) hei
der Einweihung des flafischen Amphitheaters,