leidige ihn doch nicht durch Stolz und Verachtung. Es ist höchst unangemessen,
durch Reden zu morden.
Nach den siamesischen Gebräuchen über Grosse und Kleine müssen
die grossen Leute folgende Regeln beachten: Sie seien wohlwollend und
herablassend gegen die kleinen Leute. Sie müssen dieselben nach ihren
Mitteln in Unglücksfällen unterstützen. Wenn sie Mangel an Nahrung oder
Kleidung leiden, so gebe ihnen der Grosse , so weit er kann. Ferner
muss er den kleinen Mann unterrichten und zurechtweisen, wenn er ihn
irren und Fehler begehen sieht. Das erste Mal gebe er ihm gute Lehren;
wenn der Fehler wiederholt wird, schelte er ihu aus; wenn er aber
zum dritten Mal darin beharrt, so gebrauche er körperliche Züchtigung
und tahre mit seinen Belehrungen fort, bis völlige Besserung herbeigeführt
ist, damit nicht das verkehrte Handeln zur Gewohnheit werde. Wenn
sieh ferner die Kleinen streiten und zanken, so müssen die Grossen Ruhe
zu stiften und sie zu versöhnen suchen, unter der Errhahnung, die Ursache
ihrer Zwistigkeit als nicht der Mühe werth zu betrachten. Wenn der
Grosse so handelt, so thut er, was recht und angemessen ist. Kleine
Leute haben ihrerseits den Grossen die schuldige Achtung zu beweisen,
und sich wohl zu hüten, sie durch Rohheit zu beleidigen. Sie
müssen sich stets der Wohlthaten erinnern, die sie den Grossen schuldig
sind, und wenn sie über dieselben in ihrem Gespräche sich unterhalten, so
müssen sie ihrer stets nur mit Ehrerbietung erwähnen, von ihnen das Wahre
und Angemessene reden. Wenn ferner der Grosse Geschäfte hat und sie
dafür ausschickt, so seien sie nicht lässig und träge, und sollte der Grosse
krank sein, so müssen sie ihn sorgsam pflegen. Sie müssen stete Sorge
tragen, in keiner Weise gegen die gute Sitte zu verstossen. Wenn der
kleine Mann in dieser Weise seinen Pflichten nachkommt,, so wird sein
Lob in Jedes Munde sein.
Folgendes lehrt das Naturgesetz den Eltern als ihre Pflichten, nach
siamesischer Sitte:
So lange das Kind sich im Mutterleibe befindet, muss wohlwollende
Gewogenheit für dasselbe gefühlt und Alles gethan werden, was zum gesunden
Wachsthum sowie'zur Fernhaltung schädlicher Einflüsse beitragen
kann. Nach der Geburt muss das Söhnchen sorgfältig beaufsichtigt und
gehütet werden, dass nicht Ameisen über das kleine Wesen hiukriechen
oder Grashüpfer es beissen. Wenm unter wachsamer Sorge für seine
passende Ernährung, der Sohn das Alter von 6 oder 7 Jahren erreicht hat,
so müssen seine Eltern diejenigen Schritte thun, die ihm sein späteres
Wohlergehn sichern. Er muss in Künsten und Wissenschaften unterrichtet
werden, um Reichthum erwerben zu können und die Mittel zu seinem
Lebensunterhalt zu besitzen. Auch muss er lesen lernen. Bisweilen unterrichten
ihn seine Eltern selbst, sonst bringen sie ihn zu einem Schulmeister
und treffen mit demselben Abrede über! die Lehrstunden. Gewöhnlicher
aber ist es, dass sie ihn einem Mönch übergeben, um unter
dessen Augen seine Studien zu machen. Im Alter von 14 öder 15 Jahren
erfüllt der Knahe seine religiösen Pflichten als Novize (Samanero) ,im
Stüdiren, Verehrung und Verdiensterwerben. Ist er 20 Jahre alt geworden,
so nimmt er die priesterlichen Weihen und muss dann noch grössere
Aufmerksamkeit den Religionsvorschriften und verdienstlichen Werken
schenken. Verlässt der Sohn den geistlichen Stand, um in’s bürgerliche
Leben zurückzutreten, so haben die Eltern die Pflicht, ihn passend zu
vermählen und ihr Vermögen in a gemessener Weisse mit ihm zu theilen.
Sollte der Sohn seinen eigenen Lebensunterhalt erwerben können, so ist
es sehr lobenswerth Er wird seine Eitern erfreuen und ihnen Ruhe und
Zufriedenheit verschallen.
: Söhnen guter Familie lehrt das Naturgesetz Folgendes:
Im Alter von 7 bis 8 Jahren sind Kinder unter der Autorität ihrer
Eltern und müssen allen ihren Anordnungen gehorchen. Sie müssen sich
bemühen, ihre Lectionen richtig zu lernen, von dem ihnen ertheilten Unterricht,
Nutzen zu ziehen, um sich in Künsten und Wissenschaften zu vervollkommnen,
und fleissig sein, um Bücher lesen zu lernen. Im Alter von
15 oder 16 Jahren treten sie als Novizen (Samanero) in den geistlichen
Stand, studiren, verehren und erwerben Verdienst. Im 20. Jahre lassen
sie sich als Mönche (Samana) weihen und wenden noch grösseren Eifer
darauf die Religionsvorschriften zu beobachten sowie die Verdienste zu
mehren. Treten sie in’s bürgerliche Leben zurück, so werden sie bei der
Vermählung von ihren Eltern ausgestattet, doch müssen sie versuchen,
sich baldmöglichst unabhängig zu machen, um ihre Ausgaben selbst zu
bestreiten. Sollten ferner ihre Eltern von Unglücksfällen betroffen und
in gerichtliche Untersuchungen verwickelt werden, so muss der Sohn ihre
Sache zu seiner eigenen machen und nicht von der Seite seiner Eltern
weichen, bis dieselben von jeder Strafe befreit sind. Zuweilen sind die
Strafen so -schwer und hart, dass sie unerträglich scheinen; aber auch
dann darf er seine Eltern nicht verlassen, sondern muss sie stets begleiten,
so lange seine Kräfte hiebt völlig nachgegeben haben. Dies ist eine
Regel. Wenn sein Vater oder seine Mutter in Krankheit fallen sollte,
so muss er einen geschickten Arzt für sie suchen, um ihre Hei ung zu
erwirken, muss sie auf ihrem Siechbette pflegen und jedem ihrer Bedürfnisse
nachzukommen suchen. Er muss die heilsamen Speisen für sie bereiten,
sie mit seinen Armen unterstützen, wenn sie sich aufzurichten oder
niederzulegen wünschen. Er holt Wasser für sie, er wäscht sie und entfernt
die Unreinigkeiten, er reicht ihnen reine Kleider und hilft ihnen
im Anziehen. "So muss er mit ängstlicher Sorgfalt über seine Eltern
i wachen, bis sie völlig genesen sind. Sollte dagegen die Krankheit sich
zum Schlimmen wenden, so weilt er bei ihnen bis zum letzten Athemzug.
Dann ordnet der Sohn das Leichenbegängniss an, wie es passend und
angemessen ist und so weit es ihm seine Mittel erlauben. Ein Sohn, der in
dieser Weise handelt, legt in seiner Kindespflicht die den Eltern schuldige