F r a g e : Wie verhält es sich mit dem siamesischen Gebrauch, das
Eideswasser zu trinken (thü nam).
-A n tw o r t : Dies stammt aus den brahmanischen Bräuchen (thamniem
Phrahm) und hat folgende Bedeutung: Als im Beginn der ersten Kalpa
(Pathoma-Kab) der heilige Siva, der der Herr ist (Phra Insuen pen chao)
die neuentstandene Welt wieder ausbaute (sang lok khün leao hmai),
gab es einen gewissen Jakh (Rakshasa), Hiranjatajakh genannt. Dieser,
Hiranjatajakhsa, der zu dem Geschlecht der Brahmanen (Xüa Phrahm)
gehörte, wurde von Gott Siva, der der Herr ist, gesegnet (dai phon). Als
nachher diese erste Weltperiode weiter vorgerückt war, fing in späteren
Zeiten dieser Hiranjatajak, der im Grunde ein wilder und unverschämt
roher Bursche war, auf der Erde an umherzugehen, -um die Oberfläche
in eine Menge von Faltenlagen aufzurollen und unter seinem Arm zu
tragen, denn der Schurke hatte die Absicht, auf diese Weise die lebenden
Thierwesen zu fangen und nacheinander für Befriedigung seines Appetites
zu verspeisen. Als die Schaaren der Engelgötter (Phuek Thevada) dieses
sahen, wurden sie über solches Benehmen höchst ungehalten und fühlten
sieh tief bekümmert. Sie begaben sich deshalb zu Gott Siva, der der
Herr ist, um ihm ihre Klagen vorzulegen. Dieser traf dann die Einrichtung,
dass Phra-Narai (Narayana oder Vishnu*)) in mannichfaltige Erscheinung
trat (Beng Phak), d. h., dass er sich stückweiss abtheilte [beug
sueng oder l a o S a i r i j s , wie der zerstückelte Dionysos als Zagreus] und sich
im Existenzen-Wechsel zur Wiedergeburt auf der Erde einkörperte, um
sich unter vielfachen Geschlechtern (Xat) vielfache Male zu incarniren,
für den Zweck, die lebende Wesen bedrückenden Asun (Asura) zu bezwingen
und glücklichen Frieden wieder herzustellen. Nun geschah es
zu einer Zeit; dass der heilige Vishnu, der der Herr ist (Phrai Narai pen
Chao), als Mensch (Manut) geboren wurde,' unter dem Nämen Phra Ram
(König Rama), und dann mit dem Thossakan (Zehnkopf) genannten Jakhsa
(Rakshasa) Krieg führte, der Dame (Nang) Sida wegen, die dem Rama
als seine Gattin vermählt, aber später durch Thotsakan (Ravana) entführt
war. Ais der Krieg auszubrechen drohte, sah Phiphek, der jüngere Bruder
des Thotsakan voraus, wie die Sache enden würde, und machte dem
Thotsakan Vorstellungen, mit dem Rath,' die Dame Sida an Phra Ram
zurückzugeben. Darüber würfe Thotsakan zornig und verbannte seinen
Bruder aus dem Reiche Ceylon (Myang Langka). Phisek (Piphek) begab
sich dann zu Rama, um seine Dienste anzubieten, aber dieser, in Anbetracht,
dass Phiphek Thotsakan’s Bruder war, wusste nicht, ob er seiner
Aufrichtigkeit trauen könne. Er liess deshalb ein Zelt für Fefiescere-
monien (Rong Phitthi) an der Küste des grossen Oceans errichten, und
*) In der Wara-Awatara überwindet £ i Hiranya-Aksana. Als Gold glänzend heisst die
Residenz des Naga-Königs Hiranjavadi, Buddha steh t den theilweisen Offenbarungen der Pra-
tyeka gegenüber.
legte dort seine königlichen Waffen als ein Zeichen nieder. Dann forderte
er den Phiphek auf., den Eid in der folgenden Weise zu schwören: ,.Ich
hier, eine Person bei dem Namen Phiphek genannt, ich bete, wenn ich
dem Herrscher Rama nicht treu und aufrichtig dienen sollte, dass diese
Waffen Phrohmamat’s mich tödten und zerstören mögen.“ Nachdem dieser
Eidesschwur abgelegt war, tauchte man Speer und Bogen in Wasser, das
zum Theil durch den Fürsten Phiphek getrunken, zum Theil auf sein
Haupt gesprengt wurde, und dieser Gebrauch heisst Thü nam phi phat
satcha (das Schreckenswasser aufrichtigen Gedeihens zu verehren). Solcher
Brauch hat nun bis auf den heutigen Tag fortgedauert. Und der
hier beschriebene Gebrauch (thamniem) findet keine Begründung in der
buddhistischen Religion (Phra-Phuttha-Sasana), sondern gehört zu den
Gebräuchen der Brahmanen, die dem Kamphi Saiayasatr entnommen sind.
So ist der ursprüngliche Grund, dass die Könige über die siamesische
Nation im Thai-Bande während ihrer Regierung diesen Gebrauch des
Eideswassers bis in die Gegenwart nach brahmanischer Sitte beobachtet
haben. Zu diesem Trank sind verpflichtet die Chao mit und ohne Krom,
die Chah Luk Thö (Söhne des Königs), die Lan Thö (Enkel des Königs),
ferner die Kha thun ong thuli Phrabat (die auf dem Haupte tragenden
Sklaven im Staube der heiligen Füsse) alle miteinander, wie die Chao-Phaya,
die Phra, die Luang, die Khun Müm, die Panthanei und Jeder, der ein
regelmässiges Gehalt nach den zugemessenen Cowrie-Muscheln bezieht;
sie müssen sämmtlieh, ohne Ausnahme, den Eid des Wassers ablegen.
Ausgeschlossen davon sind nur die Phrai-Leo (die Hefe des gemeinen
Volkes), die Kha Chao (die Sklaven der Fürsten) und die Bao khun-nang
(die Diener der Edlen), die nicht besoldet und abgelohnt werden. Man
kann deshalb mit Recht sagen, wie ich es gethan habe, dass Jeder ohne
Ausnahme verpflichtet ist.
F r a g e : Wo und wie wird das Wasser getrunken?
Antwo r t : Für das Trinken des Eideswassers sind zwei Plätze bestimmt.
Die Chao mit oder ohne Krom schwören im Palaste, die Kha
Raxakan der Vorhut (Khang na) und des Centrums (Khang nai) im Kloster
Phra-Sri-Ratana-Sasadaram, oder, wie es gewöhnlich heisst, das Kloster
Phra Keoh. Zur Bereitung füllen die Beamten mit einem silbernen Löffel
ein grosses Gefäss ganz voll mit Wasser und stellen es in den Ubosat-
Vät-Phra-Keoh. Dann breiten sie Tücher und Teppiche aus und legen
die Bücher des Trai-Pidok auf eine Tafel daneben. Sie laden darauf
die königlichen Waffen ein, die Säbel, die Spe.ere, die Lanzen, die
Schwerter, dass sie sich herausnehmen und auf den Tisch legen lassen
mögen, gnd sie laden auch die Würdenträger der Geistlichkeit (Phra-
Song Thananukrom) ein, die Sprüche Buddha’s (Phra-Phuttha-Mon) zu
beten. Nachdem sodann die Worte des Eides laut ausgesprochen*) sind,
*) J e tz t wird er auch, in der königlichen Presse gedruckt, in Pamphleten unter die Versammelten
vertlieilt.
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