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 Deduction  in  ihrer  Arbeit  des  systematischen  Ordnens  nicht  
 über  den  Umfang  der  gemachten  Sammlungen  hinausgehen.  
 Die  Beschäftigungen  der  Pioniere  mögen  dann  vorübergehend  
 dem  Zusammenschütten  eines  Steinhaufens  ähneln,  aber  wenn  
 ein  die  Zeitstürme  überdauerndes  Gebäude  aufgeführt  werden  
 soll,  muss  vorher  einmal  der Bauplatz mit unbehauenen Quadern  
 voll  gelegen  haben,  und um ungenaue Zusammenfttgungen zu ersparen, 
   darf  die  Arbeit  des  Emporrichtens  nicht  zu  früh  begonnen  
 werden.  Wenn  dann  aber  im  Laufe  unverdrossener  
 Bemühungen,  der  Architekt  allmälig  unter  seinen  Händen  den  
 ewigen Dom  aufsteigen  sieht,  der  den  Tempel  des  Kosmos  zu  
 überwölben  verspricht,  so  müssen  ihm  die  metaphysischen  Gelüste, 
   Wolkenpaläste  zu .bewohnen,  gar  sonderlich  Vorkommen.  
 Von  der  Grösse  und  Erhabenheit  seines  Werkes  durchdrungen,  
 wird  er  sich  desto  gewissenhafter  verpflichtet  fühlen;  die  Fundamente  
 auf  unerschütterlichem Felsen  zu  gründen,  damit  nicht  
 später  ein  Einsturz  drohe.  Die  elementaren  Untersuchungen  
 i  der  Anfänge  sind  eben  diejenigen,  die  die  sorgfältigste  und  
 k ü n s t l i c h s t e  Aufmerksamkeit  verlangen.  Bleiben  sie von Fehlern  
 frei,  so  ist  damit  die  Gesetzlichkeit  des  Ganzen  gesichert.  Der  
 beliebtere  Weg  der  Deduction  ging  jedoch  stets  in  der  umgekehrten  
 Richtung.  Mit  Prämissen  leicht  fertig,  pflegte  sie  
 gerade  das  punctum  saliens  des  ersten Ansatzpunktes  in Bausch  
 und  Bogen,  in  der  weitesten  Ausdehnung  des  Absoluten,  zuzugeben  
 und  dann  ihren  ganzen  Fleiss  auf  die  sorgsame  Ausarbeitung) 
   der  auseinander  hervorfliessenden  Folgerungen  zu  
 verwende^.  Dies war  im  Grunde  verlorene Mühe,  da  das Denken  
 bei  einiger' Uebung  sich  selbst  denkt  und  allzu  feine  Feile  nur  
 das  Charakteristische  abschleifen  mag.  Die  Hauptsache,  das  
 einzig  und \allein  Bedeutungsvolle,  ist  aber  jener  erste  Schritt,  
 da  von  seiner Richtigkeit  oder Unrichtigkeit  das Schicksal  alles 
 Nachfolgenden  abhängt.  Die  mühsam  beschwerlichen  Elementaruntersuchungen  
 können  deshalb  nicht  erspart  werden,  so  
 lästig  sie Manchem  auch  scheinen,  der  sie  gern  als  verächtliche  
 und  gemeine  Handlangerarbeit  bei Seite  schieben  möchte.  Man  
 huscht  leichtfertig  darüber  hinweg  und  meint,  dass  das Wort  
 des  geistreichen F r a n z o s e n „L e   style  c’.est 1’homme,“  wie  in  der  
 Kunst,  so  auch  in  der  Wissenschaft  gelten  müsse,  obwohl  ihre  
 lebenskräftig  schwellenden  Säfte  rasch  vertrocknen  müssen,  
 wenn  der  Inhalt  einseitig  der  Form  geopfert  wird.  Es  ist  dann  
 nicht  die  Natur  der  Dinge,  die  geboten  wird,  -sondern  die  Persönlichkeit  
 des Verfassers,  und  die  wissenschaftlichen  Resultate  
 besitzen  nur  den  Werth  individueller  Meinungen,  während  sie  
 die  Aussprüche  des  Weltgesetzes  darstellen  würden,  wenn  im  
 allgemeinen  Austausch  geistigen  Zusammenwirkens  rectificirt.  
 Wohl  kostet  es  manche  Ueberwindung,  der  Darstellung  keine  
 subjective  Färbung  zu  leihen,  aber  wer  von  der  Wissenschaft  
 unter  ihre  Jünger  aufgenommen  zu  werden  wünscht,  muss  solcher  
 Askese  fähig  sein  und  keine  Resultate  erhaschen  wollen,  
 ehe  sich  nicht  zur  Zeit  der Fruchtreife  die  beschwerten  Zweige  
 freiwillig  zu  ihm  niederneigen. 
 Für  die  erste  Anpflanzung  bedarf  es  eines  Samens,  der  
 unmittelbar  der  Natur  entnommen  ist.  Der  Botaniker  würde  
 es  dem  Reisenden  wenig  Dank  wissen,  wenn  er  ihm  nur  Topfgewächse  
 und Zierpflanzen  aus  den  fremden Ländern mitbrächte,  
 der  Mineraloge  wünscht  die  Gesteine  im  Reinzustand&(  nicht  
 polirt  und  geschnitten,  der  Conchyloge  kann  die  rohen  Muscheln  
 am Besten  für  seine  Bestimmungen  verwerthen.  feo  wird  
 es  auch  dem  Psychologen  am  Willkommensten  sein,  wenn  ihm  
 die  natürlichen  Anschauungen  der  Volksstämme,  delb  einheimische  
 Gedankengang  möglichst  ächt  und  unverändert  überliefert  
 wird.  Dass  hierüber Ansichtsverschiedenheiten  herrschen,  
 ist  mir  wohl  bekannt.  Der  neue  Umschwung  der Wissenschaft,