Herz für das Verständniss des Höchsten und Heiligsten empfänglich
sein könne! Er hatte jetzt gut orakeln, da auf der
Kanzel keine Einsprüche zu fürchten sind. Ich machte Herrn
Alabaster mit' meinen Schicksalen im Kloster Rakang bekannt,
damit ihm von der Würze nichts verloren gehe, und während
wir uns zerknirschten Herzens diese niederschmetternden Philippiken
hinter’s Ohr schrieben, kam zu unserer Tröstung der
Herr Minister heran und zeigte sich in flüsternder Mittheilung
sehr indignirt über diese Ausfälle, die er sehr bedauere, da sie
nicht hierher gehörten und selbst einem so heiligen Manne nicht
ziemten. Wir würden natürlich sehr bedauert haben, wenn sie
uns entgangen wären, und -versicherten unserm theilnehmenden
Ohrenbläser, dass die Angriffe eines Gegners sich stets lehrreicher
beweisen, als Zusammenstimmung der Meinungen.
Die bei diesem Feste, wie immer bei vorkommenden Gelegenheiten,
den Priestern- verehrten Geschenke waren durch
eine lange Schnur umwunden, die sich mit dem einen Ende an
ein Büddhabild knüpfte, um von demselben mit magischer
Kraft durchströmt zu werden. Während der Yorlesung pflegte
der P h ra-K lan g vor dem jedesmaligen Abte zu knieen, aus
einem goldenen Becher Wasser vergiessend, und nach Beendigung
derselben überreichte er ein neues Mönchsgewand, das
durch weisse Zeuge mit jenem geweihten Cirkel verbunden war.
Die ersten Prediger hatten sich darauf beschränkt, Pali-
Sentenzen herzusagen, denen sie siamesische Uebersetzungen beifügten,
um die vier heiligen Wahrheiten, die Aryasat thang-si,
zu erläutern. Als Seine Eminenz (Chao-Khuji) aus dem Glockenkloster
aber das Katheder eingenommen hatte, folgte eine frei
improvisirte Rede in Knüttelversen und wurde das in der Hand
gehaltene Pali-Buch gar nicht geöffnet. Es war zum grössten
Theil eine ächte Kapuzinerpredigt voll derber Spässe und Gassenhauer,
und Alles im verständlichsten Volksdialekt, der auch
von den Zuhörern gebührend geschätzt und belacht wurde. Er
bemerkte gleich in der Einleitung, dass es sonst bei solchen
Gelegenheiten gebräuchlich wäre,' Pali-Gebete herzusagen; er
wolle indess diesmal von dem Brauche abweichen und in solchen
Ausdrücken reden, dass auch der gemeine Mann klar begriffe,
ein wie böses Ding es um jene alten Erbfeinde des Menschengeschlechtes
sei, jene drei *) Grundlaster, der Moha (Dummheit
oder Irrthum-), Thosa (Zorn) und Lobha (Begierde), und bis
zu welcher Verblendung dieselben führen könnten. Mit Recht
würde die Weisheit der heiligen Religionschriften dem unendlichen
Ocean verglichen, denn kein Menschenleben könne genügen,
sie zu erfüllen, und doch wäre der Versucher da mit
seinen Einflüsterungen, dass ihr Studium wohl abgekürzt und
übersichtlich zusammengefasst werden könne. Das sei eine
verdammungswürdige Ketzerei, ein schmähliches Vermessen.
In den heiligen Schriften gäbe es keine Abkürzung und Zusammenfassung,
jedes Wort, jeder Buchstabe sei ein Wort des
Lebens/ müsse treulich und ehrlich erlernt und durch beständiges
Wiederholen im Kopfe festgehalten werden. Dazu könne
man nicht früh genug anfangen, und würde trotz ununterbrochenen
Fleisses doch auch bei längster Lebensdauer das Ziel
nicht erreichen. Sollte man es aber glauben, dass in Blindheit
umherirrende Heiden sich einbilden könnten, die in den
Schleier solch’ undurchdringlicher Weisheit gehüllten Wahrheiten
zu ergründen, noch ehe sie selbst durch den elementarsten
Vorbereitungscours' die Wurzel der Moha, Thosa und Lobha
am sich abgeschnitten hätten; während sie noch leichtfertigen
Gedanken nachhingen, während sie noch im Zorne aufbrausten,
während ihr Herz noch an den Dingen dieser Welt klebe. Seine
Zuhörer möchten zweifelnd den Kopf schütteln über solche Verkehrtheiten
in der Menschennatur. Es scheine dennoch, dass
dieser Wahn in manchen Köpfen existire. Aber e r, der Abt
des Klosters Rakang, er sässe jetzt hier auf dem Lehrstuhl, und
er rathe ihnen eindringlich, ihr hoffnungsloses Beginnen aufzugeben.
Er wisse gar wohl, mit welch’ unschätzbaren Gütern sie
ihre Schiffe zu beladen dächten, aber ihr Wunsch würde ohne
Erfüllung bleiben. Vielleicht möchte es ihnen gelingen, ein
paar Samenkörner fortzuführen, doch auch das würde ohne
*) Indem die Seele sich mit dem Körper verbindet, zeigt sie sich (nach
Saadiah Fajjumi) in drei Thätigkeitsäusserungen, in der Nesehamah, im Zorne
(Ruach) und in der Begierlichkeit (Nephesch). ,