Rahein in Birma war ziemlich herrenlos, nur gelegentlich von
den Beamten des einen oder ändern Staates durchstreift, um
von den in den Wäldern zerstreut lebenden Karen-Familien einen
Tribut von denjenigen Gegenständen einzufordern, die gerade
ihr Vermögen bilden möchten. Die Niederlassung Maiteta in
diesem menschenleeren Gebirgswalde war deshalb auch eine sehr
einsame. Fünf Tagereisen von den bewohnt n Provinzen Siams,
vom Menam entfernt und ungefähr eben so viel von dem nächsten
blecken in Birma. Der siamesische Beamte (der Schan-Min oder
Edelmann, wie ihn die Birmanen nannten) stand unter dem
Gouverneur von Rahein und hielt sich während der Regenzeit
in dieser letzteren Stadt auf. Wenn am Ende derselben die Holzarbeiten
in den Teakwäldern beginnen, begiebt er sich mit dem
nöthigen Train von Aufsehern, Schreibern, Soldaten, Culis u. s. w.
auf diese Station und nimmt auch mitunter die eine oder andere
seiner Lieblingsfrauen mit sich, während das Gros seiner
Familie in Rahein zurückbleibt. Als ich in Maiteta eintraf, war
er schon seit mehreren Wochen angelangt und hatte sich in einem
Bambuhause eingerichtet, das, wie alle dortiger Gegend, auf
Pfählen stand, von einer Veranda bekleidet. Der weite Hof, der
dasselbe umgab, war ziemlich die einzelne Lichtung in diesem
Waldlande, denn um die anderen Hütten des nahen Dorfes war
in den angelegten Feldern und Bananenpflanzungen schon wieder
eine so ranke Vegetation aufgeschossen, dass sie fast ganz
davon bedeckt waren oder doch nur hie und da die Spitze eines
Daches aus dem dichten Laubwuchs hervorsah. In kurzer Entfernung
unterbrach der Wasserstreifen des Mailmont-Flusses die
Einförmigkeit des Waldes, und war an einer Stelle, wo er über
Steingerölle hinströmte, durch Fischreusen abgesteckt. So machte
es mein Koch mitunter möglich, Fische zu erhalten, denn
sonst sah es mager mit der Tafel aus, wenn die Jagd keinen
Ersatz:' gab. Hühner waren nur mit der grössten Mühe aufzutreiben,
und die Bananen, wenn es überhaupt solche gaby zeigten
sich kaum geniessbar. Der siamesische Beamte, der grosse
Freude Uber meinen Besuch kundgab, konnte nicht helfen, da es
bei ihm selbst karg bestellt war, doch war er sonst munter und
guter Dinge. Die chinesische Caravane, die von meiner Escorte
profitirt hatte, um die Grenze zu passiren, hatte Branntwein,
Tabak und andere Luxusartikel mitgebracht; damit wurde geschwelgt;'
und da sich in dem Gefolge des Edelmanns mehrere
Laos fanden, geborene Musikanten, wie alle Angehörigen dieses
Bergvolkes, so wurden Abende und Nächte in Concerten verbracht,
oft bis zum frühen Morgen, ehe ich auf meinem wieder
vom Fieber heimgesuehten Lager den Schlaf gefunden. Während
des Tages bildete sich eine Spielparthie, in der die Chinesen
als Croupiers fungirten und durch Würfel- und andere
Hazardspiele das im Kreise befindliche Geld bald in ihre Taschen
zusammengescharrt hatten. Auch Moung-Lin, der unter einem
erdichteten Vorwand um Auszahlung des rückständigen Gehaltes
gebeten hatte, war rasch davon erleichtert, ehe ich, aufmerksam
geworden, f Zeit zum Einschreiten hatte.
Der Beamte nahm anfangs Anstand, mir mein Gesuch um
Elephanten für die. Reise nach Rahein zu gewähren. Bis zu
der Grenzstation könne er das Vorgehen von Europäern erlauben,
aber nicht weiter in’s Innere hinein; der Weg, um Bangkok
zu besuchen, sei zur See, nicht bei Lande vom Norden. Ausser-
dem wäre es in dem englischen Vertrage (geschlossen durch
Sir John Bowring) abgemacht, dass Reisen in Siam für Fremde
nur unter einem Pass des englischen Consuls in Bangkok erlaubt
seien. Ich suchte ihm indess zu erklären, dass die von dem englischen
Gouverneur in Molmein ausgestellten Pässe eben für den
Consul bestimmt seien, und dass ich, einmal in Rahein angelangt,
nöthigenfalls mit dem letzteren vorher communiciren könnte,
ehe ich meine^ Reise fortsetzte. Der Edelmann fand sich in
einer etwas precären Lage, da er sich keines darüber entscheidenden
Präcedenzfalles zu entsinnen wusste, und hielt es schliesslich
für gerathener, mich an die höhere Behörde in Rahein zu
senden, um die Verantwortung los zu sein. Er versprach uns
deshalb die gewünschten Elephanten und schickte auf die umliegenden
Karen-Dörfer, um solche zu requiriren. Die flüchtigen
Siamesen, die mich aus Birma her begleitet hatten, betrachtete
er mit bedenklichen Augen und sagte ihnen bei ihrer Ankunft
in Rahein ein böses Schicksal vorher, da man sogleich auf sie
fahnden würde. Mir theilte er im Vertrauen mit, dass die mei-
1*