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406 IV. Steppengebiet.
Wolga den Steppenrand bezeichnet, erscheinen die Bäume nicht
völlig ansgewachsen, sondern bilden nnr ein kümmerliches Gestrüpp,
welches mit kleinen Stränchern abwechselt, ausgenommen am Flussufer,
wo aber auch das Weidengebüsch ihnen oft den Raum streitig
macht. Aus allen diesen Beobachtungen ergiebt sich also, dassnicht
der Boden, sondern das Klima den Steppen ein Ziel setzt, und
hiedurch wird die vielbesprochene Frage über die Möglichkeit, sie
zu bewalden, entscheidend erledigt. Denn wie weit der Sommerpassat
weht, hängt von der ganzen Konfiguration des Kontinents und
von der Lage Afrikas ab, und die durch Bewässerung künstlich gepflegten
Wälder genügen nicht, Niederschläge zu beAvirken, welchedurch
die allgemeinen Luftströmungen ausgeschlossen sind. Vob
einer Bewaldung der Steppen, die nur unter örtlichen Vortheilen des
Terrains, durch Bewässerung eingeleitet, gelingen, aber niemals in
weitem Umfange sich ausbreiten kann, versprach man sich daher
irrthümlich eine erhebliche Steigerung der Hülfsquellen Russlands >
Hier kann nicht, wie in den Haiden der baltischen Ebene, die Entwickelung
des Ackerbaus der Erweiterung der Wälder nachfolgen.
Dort ist die Aufgabe, den Boden durch den Laubabfall zu verbessern^
hier ist die Erdkrume im Bereiche des Tschernosem, der einen grossen.
Theil der Grassteppen erfüllt, für den Ackerbau die vortrefflichste,,
und den Cerealien fehlt es nur zur geeigneten Zeit an hinreichendem
atmosphärischen Niederschlägen, um sicher zur Reife zu gelangen.
Die reichliche Bewässerung, welche den südrussischen Steppen
durch die Einschnitte grosser Flüsse zu Theil wird, die von dem.
Waldgebiete aus dieselben durchströmen, ist die Grundlage ihres,
Ackerbaus. Je mehr ihre Gewässer auf dem ganzen Räume von der
Donau bis zur Wolga zusammengedrängt sind, desto häufiger erscheinen
die Linien von Kulturlandschaften, deren sesshafte Bevölkerung
den Nomaden der Steppe gegenübersteht. Ostwärts von der
Wolga fehlen diese belebteren Ansiedelungen bis zu den Grenzen.
Turkestans fast ganz, weil das Wasser sich zu grossen Strömen nicht
vereinigt oder nach Norden abfliesst. Die russischen Flüsse, die
nach Süden in die Steppe treten, haben stets ein höheres westliches-
Ufer und an der gegenüberliegenden Seite eine tiefe Alluvialfläche,-
ein Verhältniss, welches nach dem Baer'schen Gesetze auf der Rotation
der Erde beruht, die das Wasser an das rechts gelegene Gelände
Kaspisches Depressionsgebiet, 407
drängt. Der Ausbreitung des Ackerbaus ist es wenigstens auf der
einen Seite des Thalgrunds vortheilhaft, aber doch stehen die Ströme
Russlands denen Turkestans in doppelter Beziehung nach, sowohl in
dem Umfange des zur Bewässerung geeigneten Raums als in der Beschaffenheit
des Wassers. Flüsse, die, wie der Oxus in Chiwa und
der Särafschan in Buchara, in hochalpinen Gebirgsketten entspringen,
haben, wenn sie in die Mulde des Depressionsgebiets eintreten,
den'Vorzug des stärkeren Gefälles und reicherer, aus den Quellen
krystallinischer Gesteine stammender Mineralbestandtheile, die den
Werth des zur Irrigation verwendeten Wassers für die Ernährung
der Kulturpflanzen erhöhen. Die wagerechte Oberfläche des Bodens
gestattet eine Kanalisation, soweit die Wasservorräthe des Flusses
dazu ausreichen. In Buchara werden sie so vollständig dazu verbraucht
, dass der Särafschan, gleichsam bis zum letzten Tropfen
ausgeschöpft, den nahen Oxus nicht erreicht. Unter solchen Verhältnissen
wiederholen sich in den Chanaten von Turkestan die Verhältnisse
Aegyptens, und die Ergiebigkeit der Ernten ist ungeachtet
der strengen Winterkälte fast ebenso gross. Wenn die jährlich zum
Anbau verwendbare Zeit nicht so lange dauert, so liegen die Quellen
der Fruchtbarkeit im Hindukusch und in den Gebirgen von Samarkand
dem Kulturboden ungleich näher, als die abessinischen Hochlande
dem Nilthale Aegyptens. Das Flusswasser hat, wo es die
Steppen berührt, noch nichts von seinen befruchtenden Schlammtheilen
eingebüsst, und die rasch gesteigerte Wärme des Kontinentalklimas
erhöht die Energie des Wachsthums.
Der Ackerbau und die allgemein verbreitete Kultur von Obstbäumen
wird in Buchara (40 o N. B.) durch periodische Ueberstauungen
der Felder und Gärten unterhalten, die sämmtlich von
Lehmmauern eingefasst sind, und in die man von Zeit zu Zeit das
Flusswasser leitet, um es seinen Detritus absetzen zu lassen 20). So
werden die Feigenbäume den ganzen Sommer hindurch einmal
wöchentlich unter Wasser gesetzt, im Winter müssen sie niedergebogen
und gegen die Kälte durch Bedeckung geschützt werden.
Fast alle Früchte des wärmeren Europas reifen hier, die Aprikosen
und Pfirsiche gehören zu den bedeutendsten und trefflichsten Erzeugnissen
des Landes. Auch findet Seidenzucht statt, und die Rebe
wird, nur zweimal im Jahre bewässert, auf dem ebenen Felde gezogen.