Menzile den Vorzug geben müssen. Es war nämlich seit Kurzem die Cholera
in Fars ausgebrochen und hatte bereits in den umliegenden Dörfern ihre
Opfer gefordert. Wie gewöhnlich war diese Krankheit, von den Persern
Webci genannt, von Indien auf dem Landwege über Beluischistdn nach den
südlich gelegenen Theilen Persiens gelangt, um sich von hier aus, wie weiter
unten ausführlicher erzählt werden soll, in grofsen Sprüngen über Tc-
heran und Kirmansehahan nach Baghdad zu versetzen. Dafs diese Nachricht
nicht sehr ermuthigend auf diejenigen wirkte, welche, wie ich, von der
Dysenterie geplagt waren, braucht wohl nicht erst weiter berührt zu werden.
Auf unserer Wanderung nach Kamin, — neben uns das frische Wasser,
ein Anflug wiesenartigen Bodens unter unseren Füfsen, über uns der herrliche
blaue Himmelsdom, —- begleiteten uns, seltsam genug, vierbeinige Gesellschafter
zur gröfsten Unzufriedenheit unseres stattlichen Jagdhundes
Caro, oder wie ihn die Perser in falscher Auffassung des Fremdnamens
zu rufen pflegten: Karoul d. h. Wachtposten. Es waren dies sogenaunte
Karawanenhunde (sek-i-kefaleh), unansehnlicher Gestalt, aber äufserst wachsam,
welche die Gewohnheit haben, von einer gewissen Station bis zu der
nächsten mit den Karawanen zu ziehen, um sodann mit einer ändern Wandergelegenheit
wieder zurückzugehen. Eine so augenscheinliche Aufmerksamkeit
gegen den wandernden Menschen hat etwas Rührendes, so dafs
wir es uns nicht versagen konnten, unsern Dank den vierbeinigen temporären
Freunden in den reichsten Efsspenden auszudrücken. Der Hund hat
in Persien von Alters her eine höhere Bedeutung, als sie sich aus dem
bekannten Schimpfworte Pmer-i-sek „Hundesohn!“ herausahnen liefse. Er
wird noch heute von den Bewohnern Iran’s besonders gehegt und gepflegt^
vor allen die unserem Windspiel täuschend ähnliche Rasse der Jagdhunde,
welche von den Jagdliebhabern oft mit grofsen Summen bezahlt werden.
Wie ihren Lieblingspferden, so geben sie auch ihren Hunden besondere
Namen, welche nicht selten bis in die altpersische Helden- und Sagenwelt
hinaufsteigen.
Nach einem zweistündigen Ritte auf der grofsen Ebene von Muryhdb
erblickten wir rechter Hand von der Strafse oben auf der Seitenhöhe eines
etwa fünfzig bis sechszig Fufs hohen Hügels ein eigenthümliches Gebäu,
einer Terrassenanlage nicht unähnlich, das uns von den Eingeborenen als
Takht-i-mader-i-Suleimdn bezeichnet wurde. Was es mit diesem „Thron
der Mutter Salomo’s “ für eine Bewandtnifs hat, werden wir weiter unten
zu erörtern Gelegenheit finden. Etwas dahinter auf einer ebenen fläche
liegend, sahen wir die hellschimmernden Reste alter Bauten mit dem weitr
hin sichtbaren Grabdenkmale Königs Gyrus. Wir zogen in diesem Augenblick
an Pasargadä alten Angedenkens vorüber. Trotz meiner mehr als
fühlbaren Leiden wirkte der Anblick der Ruinenstätte erhebend auf mich
und verdrängte auf kurze Zeit jeden Todesgedanken.
Eine halbe Stunde später bog die Strafse in der Richtung nach rechts
in das malerische Felsenthor eines wildromantischen Thaies ein, das an
Schönheit des Anblickes alles zu übertreffen schien, was die Natur, soweit
wir in Persien bekannt waren, bis jetzt geleistet hatte. Zu beiden Seiten
stiegen die Felsenmauern zu steilen Höhen mit Schwindel erregenden Abhängen
hinan, die sich bald in die dunkelsten Schatten, bald in den hellsten
Farbenschimmer kleideten und mit jenem eigentümlichen Baumwuchs
geschmückt waren, dessen wir bereits oben ausführlicher gedacht haben.
Die Bäume, aus deren Blüthen oder Blumen, wie die uns begleitenden
Perser wiederholt versicherten, ein Mum oder Balsam bereitet werden soll,
schienen nach der steilen Höhe zu zwergartigem Gesträuch zu verkrüppeln.
Vielleicht auch, dafs die Entfernung nur eine Täuschung veranlafsto. Das
Thal endete zuletzt in einer von zahlreichen Berggruppen eingefafsten Hochfläche,
in welcher, bereits von weitem sichtbar, das grofse und baumreiche
Dorf Kämin, unser Menzil für den heutigen Reisetag, gelegen ist. Neben
einem ärmlichen Imamzadeh vorbei zogen wir in die Gartenstrafsen desselben
ein, hocherfreut durch die Fülle des Baumschmuckes, der hier in vollster
Farbenfrische prangte und nirgends die Spuren herbstlicher Jahreszeit
verrieth. Eine elende Karawanserai, in welcher eine Menge von Insassen,
Männer,/Frauen und Kinder, ihren bleibenden Wohnsitz aufgeschlagen
hatten, diente uns und unseren Thieflfen als Ort der Rast, obgleich die Einquartierung
wiederum nicht ohne Streit und Lärm vorübergegangen wai.
Der Perser im Süden hat etwas Obstinates in.seinem Charakter, das an
die alte Rasse aus Persis erinnert, um so mehr, als die edle- Gesichtsbildung
bei einzelnen Veranlassung zu interessanten ethnographischen Vergleichungen
wird, die zuletzt in Persepolis ihren entschiedenen Abschlufs
linden.
Unser Eltschi und Hr. v. Gr o lm a n rückten erst nach uns in’s Quartier
ein, befriedigt von ihrem ersten Ausfluge nach den Denkmälern von
Pasargadä. Sämmtliche Briefe wurden noch einmal gelesen, die europäi