(ein Zeichen jeder Willfährigkeit bei den Persern) und rief mir, wie jedesmal
spater, sein bekanntes : „Er ist Gott, möge dein Königshaus stets blühen
und dein Alter sich vermehren! Inschallah!“ - Eadschi-lbraUm, dessen
genauere Bekanntschaft ich bei dieser Gelegenheit machte, war im fiebrigen
ein sehr höflicher Mann und verstand es, mich durch seine Laune
seine Erzählungen und Lieder auf das Beste für sich zu interessiren. Des
Abends lud ich ihn gewöhnlich zu mir ein, er setzte sich in die eine Ecke
des Zimmers und erzählte mir Näql oder Historietten in so lebendiger
Weise, dafs er sogar die Personen seiner Erzählung durch den veränderten
Ton seiner Stimme und durch wechselreiche Pantomime in der wirksamsten
Weise darzustellen wufste. Die Liebe spielte eine Hauptrolle in
seinen Geschichten, und Liebeslieder, welche er mit näselnder Stimme absang,
bildeten die poetischen Rosen in dem Blätterkranz der prosaischen
Erzählung. Die Grundlage seiner Näql gehörte dem Bereich von Tausend
und einer Nacht an, die Form der Darstellung und der Schmuck der
Worte war nicht persisch und streifte bisweilen in deutlichen Zügen an
europäische Anschauungsweise. Nachdem der Derwisch etwa eine Woche
lang vor unserer Thür Posto gefafst hatte, überreichte ich ihm das übliche
gesandtschaftüche Neujahrsgeschenk und erhielt für zwölf amtliche Dukaten
als nichtamtliches Gegengeschenk eine rothe gestickte Derwischmütze,.—
eine wahre Teufelskappe — die ich noch heutigen Tages als ein Andenken
an Hadschi-Ibrahim aufbewahre.
Bereits früher hatte ich erwähnt, dafs man sehr häutig in den Strafsen
Teherans Knaben in Derwischtracht begegnet, welche einer der Sekten
jenes merkwürdigen Ordens angehören und welehe in derselben Weise wie
die an Alter reiferen Exemplare ihre Derwischkünste bis zu der geldgewinnenden
Volksberedtsamkeit hin entwickeln. Diese Kinder, denn anders
kann man sie meistentheils kaum bezeichnen, sind nicht etwa aus
religiöser Ueberzeugung oder Hingebung als Schagird oder Schüler dem
Orden beigetreten, sondern meistens aus Lust und Hang zu einer interessanten
vagabundirenden Lebensweise, richtiger gesagt aus Faulheit und
Arbeitsscheu. Der Hadschi, unser Thürhüter, erzählte mir sehr offen den
Beweggrund und Anfang seiner Derwischcarriere. Seine Mutter, eine Bäuerin
aus dem oben angeführten Dorfe Tedschrisch auf dem Plateau von
Schimrdn, (diesen Namen leitete er von einem Schah Mirdn ab) schickte
ihn eines Tages, noch ein Kind, nach der Stadt, um daselbst Gras zu verkaufen
und dafür Geld einzulösen. Der Weg war weit, die Sonne brannte
heifs am Himmel und der Knabe hatte nichts weniger als Lust an der beschwerlichen
Reise. Da fiel es ihm ein, dafs es viel leichter sei, Geld von
den Leuten durch Erzählungen nach Art der Derwische zu erlangen, als
durch das langweilige Handelsgeschäft. Sein munteres Naturei trieb ihn
zu einem Kreise ehrwürdiger Perser, welche in einem Dorfe an der Strafse
eine Erholungsstunde feierten, und er machte seiner lustigen Geschichten
halber eine so glückliche Ernte an Geld, dafs er das Doppelte von dem
erhielt, was ihm der beschwerliche und zeitraubende Grashandel eingebracht
haben würde. Das trockene Gras liefs er auf der Strafse liegen, kehrte
zu seiner Mutter zurück und überreichte ihr als guter Perser die — Hälfte
der Einnahme, während er die andere Hälfte stillschweigend zu seinem
Besten verwendete. Sein Plan war von da ab gefafst. Er verschwand sehr
bald aus dem Dorfe, schlofs sich in Teheran einem Wanderderwisch als
Schüler an und war sehr bald in die Regeln und Geheimnisse seines Ordens
eingeweiht.
Obgleich die Derwische im Allgemeinen jeder höheren Bildung bar
sind, so kann man sie dennoch in einem gewissen Sinne als Philosophen
bezeichnen, die sich, eine Secte ausgenommen, in religiösen Dingen mit
der äufsersten Toleranz benehmen. Zwar in den Lehren Muhammeds
auferzogen, macht sich die Mehrzahl derselben aus den Glaubens-Doctri-
nen des Koran gar keinen Vers, am allerwenigsten aber aus dem Prophetenthum,
dem sie aus innerster Ueberzeugung abhold sind. Sie glauben
an einen einigen Gott, manche sogar an gar keinen und schätzen alle
Religionen ziemlich gleich. Es folgt hieraus, dafs sie in solcher quasi
Weltweisheit im gewissen Sinne das Ohristenthum durchaus nicht verachten
und sich philosophisch über religiöse Differenzen hinwegsetzen. Ich selber
habe in Teheran während der Zeit der Hungersnoth ein sehr merkwürdiges
Beispiel erlebt, welches die berührte Frage schlagend beweisen kann.
In einer Strafse, in der sich viele gehende und kommende Perser befanden,
begegnete ich einem hungrigen Derwische, der seine Landsleute vergeblich
um ein Almosen anbettelte und seine bittenden Worte zuletzt an
mich richtete. Ich gab ihm eine Kleinigkeit, worauf er zu meinem gröfs-
ten Entsetzen mit erhobener Hand und mit einer wahren Stentorstimme
den vorübergehenden Persern zurief, dafs die christliche Religion ihm viel
erhabener schiene, als der mohamedanische Glaube, da ihm die Barm