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 Mauern  von  oben  herab  mit  Gras  und  Wurzeln  von  Feigenbäumen  durchwachsen  
 waren,  zischte  mir  eine  Schlange  entgegen,  die  mich  verscheuchte; 
   bei  meinem  zweiten  vorsichtigeren  Vorrücken  in  dieser  vermoderten  
 Halle  traf  ich  auf  ein  enormes  Nest  von  Fledermäusen,  die  
 einen  unerträglichen  Gestank  verbreiteten,  den  ich  heute  noch  nicht  aus  
 der  Nase  verbannen  kann.  Diesem  Complexe  von  Gebäuden  zur, rechten  
 Seite  befindet  sich  ein  prachtvolles  Schlofs  im  grofsartigen  Alhambra-  
 Style  erbaut,  von  wunderschönen  Anlagen  umgeben;  leider  aber  Alles  
 in  Trümmern  und  Schutt  liegend*).  Zur  linken  Seite  des  erstgenannten  
 Gartens  erhebt  sich  ein  anderes  Schlofs  im  luftigen  Bogenstyle  von  Fon-  
 tainen  und  anmuthigen  Baumgruppen  umgeben.  Alle  diese  luxuriösen,  
 einst  mit  Fresken,  Mosaik  und  Spiegeln  decorirten Räume  sind jetzt  jeder  
 Zierde  entblöfst;  der  Alabaster  und  die  Glasurziegel  sind  gewalsam  aus  
 den Wänden  herausgerissen,  und  die  Gemächer,  in  denen  einst  der Luxus  
 und  die  Wollust  ihren  Sitz  hatten,  sind  jetzt  zum  Kuhstalle  herabgesunken. 
   Auf  einer  dritten  Anhöhe,  dem Ausläufer  eines  vorgeschobenen  Hügels, 
   liegt  die  Ruine  des  vierten Gebäudes,  ein  Meisterstück  orientalischer  
 Pracht  und  Herrlichkeit,  mit  entzückender  Aussicht  über  Land  und Meer,  
 und  verdient  mit  Recht  den  Namen:  SafiabacL.  Icl*  werde  Ihnen  eine  Co-  
 pie  meiner  Zeichnungen  zusenden,  sobald  ich  ein  wenig  Zeit  dazu  habe,  
 da  Sie  noch  in  Teheran  den  Wunsch  äufserten,  den  Plan  eines, persischen  
 Hauses  Ihrem  Könige  vorlegen  zu  wollen.  Das Ensemble  ist  grandios  und  
 wahrhaft  würdig  der  grofsen  Auslagen,  welches  die Restauriruug  oder  vielmehr  
 der  Neubau  dieses  verfallenen  Paradieses  erfordern  würde. 
 Von  Aschräf  nach  Astrabad  (vierzehn  Fersach)  führt  der  Weg  oder  
 eigentlich  gar.  kein  Weg  fortwährend  durch  dichte  Sumpfwälder,'Lichtflächen, 
   wenig  urbar  gemachten  Boden,  nur  an  zwei  Dörfern  vorüber,  
 wovon  sich  das  eine  durch  besondere  Reinlichkeit  und  Wohlstand  auszeichnet. 
   Baumwolle  und Seidenzucht  wirft  grofsen  und  leichten Verdienst  
 ab.  Der  Handelsverkehr  mit  dem  ganz  nahen  Meere  und  mit Rufsland  ist  
 bedeutend  und  zahlreiche  Segel-  und  Dampfschiffe  vermitteln.die  Verbin*) 
   Das  Schlofs  ist  vom  Schah  Abbas  I.  i.  J.  1612  angelegt  worden.  In  dem  anim  
 1144 =   1731  erneuerten  Gebäude  Tschikil-situn  (vergl.  Bd.  II.  S. ,63  n,  159)  entdeckte  der  
 russische  Akademiker  Herr  v.  D o r n   die  auf Nadir-Schah  bezügliche  Inschrift.  .  Br; 
 dung.  Viele  Leute  verstehen  russisch  und  deren  Einflufs  ist  sehr  hervortretend. 
   Man  spricht  und  hört  wenig  von  Nasr-ed-Din  Schah  und  Alles  
 neigt  sich  nach  Rufsland.  Eine  Alles  hemmende  und  empfindliche  Landplage  
 ist  die  grofse  Unsicherheit  vor  den  Turkmanen,  die  wohlorganisirte  
 Streifzüge  anstellen,  Dörfer,  Kaufleute  und  Reisende  plündern,  Menschen  
 und  Vieh  rauben.  Die  Dörfer  treffen  förmliche  Conventionen,  geben  bis  
 zu  200 — 300  Toman  jährlichen  Tribut  an  die  Turkmanen,  um  sich  gegen  
 Plünderung  und  Menschenraub  zu  sichern.  Eigends  dazu  bestellte  Bevollmächtigte  
 sind  wechselseitig  in  Thätigkeit,  um  Geraubte  zurückzukaufen  
 und  Verträge  zu  schliefsen.  Alles  geht  bewaffnet  und  gerüstet  aufs  Feld,  
 zum Pflug,  auf  die Weide,  auf  die  Reise,  kurz  man  lebt  in  ewiger  Fehde,  
 wovon  man  in  Teheran  wenig  zu  wissen  scheint.  Häufig  trifft  man  die  
 Spuren  frischer  Ueberfälle  und  eine  Menge  Gräber  zeigen  die  Zahl  der  
 in  diesen  Raubzügen  gefallenen  Opfer.  —  Der Weg  ist  bis  zum Versinken  
 morastig  und  nicht  ausgehauen;  die  Zweige  der  Bäume  reichen  bis  zum  
 Boden  und  rechts  und  links  der  Sträfse  sind  von  den  Turkmanen Verhaue  
 angelegt,  um  ihre  Ueberfälle  zu  erleichtern. 
 Ich  hatte  zehn  mit  Luntengewehren  bewaffnete  Leute  bei  mir,  deren  
 Gewehre  aber,  vom  Regen  ganz  durchnäfst,  unbrauchbar  geworden  waren,  
 und  so  blieben  wir  die-Nacht  in  einer  einsamen  Waldhütte,  vor  der  die  
 Schakale  ein  wahrhaft  grofsartiges  Concert  aufführten.  Auf  dieser  Route  
 kam  ich  an  einem  äufserst  pittoresk  gelegenen  Imamzadeh  vorüber  mit  
 dem  siebenhundertjährigen  Grab  irgend  eines  Ali.  Die  Häuser  der  hiesigen  
 Dörfer  liegen  alle,  von  der  Erde  erhöht,  auf  grofsen  Blöcken  frei  da,  
 um  die  Bewohner  vor  den  schädlichen  Einflüssen  der  aus  dem Boden  aufsteigenden  
 Feuchtigkeit  zu  schützen.  Spät  Abends  durchwatete  ich  noch  
 einen  langen  pontinischen  Sumpf  unter  einem  undurchdringlichen  Laubdache  
 und  kam  von  einem  dreitägigen  Regen  ganz  durchnäfst  in  Astrabad  
 an,  wo  ich  in  einem  sehr  wenig  comfortablen  Persergebäude  auf  den  Boden  
 hingestreckt  die Nacht  zubrachte,-  und  machte  am  folgenden Tage  dem  
 Hakim  und  dem  Consul  Gusev  meine  Visite. 
 Ganz  Mazenderdn  fühlt  noch  die  Bedrückungen,  die  der  vor  vier  Monaten  
 abgesetzte  Gouverneur  Schahzadeh  Mulkara  Mirza  auf  sämmtliche  
 Bewohner  ausübte;  er  erkaufte  vom  Schah  um  80,000  Toman  sein  Leben  
 von  der  verwirkten  Todesstrafe.  0   welch’  königlicher  Gerechtigkeitssinn,  
 Maschallah ! 
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