Auf dem „Grünplatze“, vor dem innern Eingänge zur Burg, werden Buden
aufgeschlagen, dieselben mit Waaren, meist europäischen Ursprungs, an-
gefüllt, und von den Verkäufern mit Sehnsucht der Augenblick erwartet,
in welchem es dem Schah gefällt, von der Burg ans diesen fröhlichen
Markt zu betreten, um aus den aufgestellten Waaren die Einkäufe zu
befehlen.
Je näher der Zeitpunkt heranrückt, je mehr steigern sich die Erwartungen
und Hoffnungen der persischen grofsen und kleinen Kinder, und
man freut sich auf den Naurüz - Tag wie bei uns die junge Welt auf den
bevorstehenden Weihnachtsabend. Das Kind erwartet Geschenke vom Vater,
der Freund vom Freunde, der Nachbar vom Nachbar, der Arme vom Reichen,
der Diener vom Herrn, der Vorgesetzte von dem Untergebenen, die
Beamten vom Kaiser und zuletzt der Kaiser von — Allen. Es ist ein
Schenken und Wiederschenken zwischen dem ganzen Volke, ein Hin- und
Herlaufen geputzter Leute in den Strafsen und Bazaren, ein Gratuliren
und Besuchen, ein Küssen und Umarmen, als sei jedem das gröfste Glück
von der Welt zu Theil geworden. Bevor der Zeitpunkt der Sonneüwan-
derung in das Frühlingszeichen eintritt, hat sich bereits männiglich vom
alten Schmutz des Jahres im Bade gereinigt, frische Kleider und Festgewänder
angethan und die Lampen in Bereitschaft gestellt, welche sofort
beim ersten Kanonenschüsse von der Citadelle her angezündet werden.
Den ganzen Bazar entlang hocken die Kaufleute in ihren Buden, die mit
Blumen und Glaslampen decorirt sind, des wichtigen Augenblicks gewärtig.
Den höchsten Glanz entwickelt der Hof. Hier ist der eigentliche Sitz
des Festes, hier die grofsartigste Entfaltung uralter Gebräuche, von hier
aus werden der ganzen übrigen persischen Welt die ersten Zeichen des
Naurüz mitgetheilt.
Die Feier beginnt daselbst mit dem sogenannten „kleinen Selam*. Der
Schah ist, wie man zu sagen pflegt, in Khelwtt, d.h. im Privatkreise,
und der Seldm wird gewöhnlich in dem Kulah Frengi, d. h.' „der fränkischen
Mütze“, abgehalten, einem so benannten Gebäude, das inmitten der
Burg gelegen ist. Nur die Prinzen vom Geblüt und die dem Schah -sehr
nahe stehenden Beamten werden zur Gratulation zugelassen, sobald die
Sonne in den Widder tritt. Der Gouverneur der Stadt versäumt nicht,
seine Schuldigkeit zu thun und dem Kaiser blanke Gold- und Silbermünzen
zu überreichen, welche kurz vorher geschlagen sind.