Besuche und Gegenbesuche in der europäischen Welt kein Ende, da es
auch in Teheran die gute Sitte erheischt, dafs man sich beim Beginn eines
neuen Jahres, gleichgültig ob dasselbe christlich oder mohamedanisch ist,
gegenseitig seine Glückwünsche ausdrückt. Selbst persischer Seits blieb
man bis zu den höchsten Sphären hin in der Höflichkeit gegen christliche
Bewohner Teherans in keiner Weise zurück, sogar vom „Mittelpunkt des
Weltalls“ aus haben die Gesandtschaften die Ehre, durch eine auf gut persisch
ausgedrückte Gratulation erfreut zu werden. Mehrere Ferrcischen oder
Hofbedienten erschienen- am Vormittage des ersten Januar auch in dem
Hotel der preufsischen Mission und setzten eine süfse Last aus fünf grofsen
Tableau’s, mit zehn mächtigen Zuckerhüten und Zuckerstreuwerk, auf die
Teppiche des Empfangszimmers nieder. Der Minister des Auswärtigen
sandte mit seinen herzlichen Wünschen zwei Schüsseln voller Zuckerwerk,
der Mirza unserer eigenen Gesandtschaft brachte gleichfalls sein süfses Opfer,
und zuletzt erschien, zur Abwechselung, ein ganzer Korb voll Kuchen und
Apfelsinen, den uns das Haupt der persischen Feueranbeter, Herr Ma-
nuktschi, als freundliche Neujahrsgabe durch seine Diener überreichen liefs.
Bei den Besuchen, welche wir in Person an diesem Tage-den hochgestellten
gesandtschaftlichen Personen abstatteten, hatte ich die wenn auch
nicht neue, so dbch traurige Wahrnehmung zu machen, in welcher Weise
junge europäische Kinder durch Umgang mit' persischen Altersgespielen und
Dienern die abscheulichsten Sitten annehmen können. Ich hörte bei demEin-
tritt in ein europäisches Haus wie ein Mädchen von sechs -Jahren zu erwachsenen
Personen in unverwüstlichem Redeflufs eine Leihe- persischer Schimpfwörter
hersagte, unter denen Toghm-e-sek, „Hundesame“, Haram^zadeh,
„Spitzbubensohn“, und dergleichen Herrlichkeiten mehr eine wenig erbauliche
Vorstellung von dem Einflufs persischen Umganges auf ein kindliches
Gemüth gewähren konnten.
Die Cholera gab immer noch Stoff in den europäischen Unterhaltungen
ab. Man wufste, dafs sie langsam wandernd von Indien aus, woselbst
sie den Zeitungsnachrichten zufolge im verflossenen alten Jahre ungemein
gewüthet hatte, nach Belutschistan, und von d a 1 auf der Strafse von Karman
nach dem Hauptort der Feueranbeter Jezd gekommen war. Von hier
aus hatte sie sich über die ganze Wegstrecke, die von Isfahan nach Schiraz
führt, allmählig verbreitet, und war schliefslich auf dem Karawanenwege
von Isfahan nach Teheran in die letztere Stadt eingedrungen. In Teheran
brach sie, wie das letzte Mal so auch in dieser Zeit, zuerst in der k a ise -
lichen Burg (.A r k ) aus, und wanderte von da in das in nordwestlicher Richtung
gelegene Quartier von Smg e led sch . Von Teherán aus machte sie einen
gewaltigen Sprung auf der Karawanenstrafse zwischen dieser Stadt und B a g h -
ddd nach K im a n s c h a h d n und soll daselbst eine bedeutende Zahl von Menschen
(40 Todte pro Tag) gefordert haben. Den brieflichen Nachrichten
zufolge war sie in B a g h d á d noch nicht ausgebrochen. Trotzdem der Schah
alle Anstalten getroffen hatte, der Cholera durch seinen Abgang aus Teherá
n aus dem Wege zu gehen, so hatte ihn dennoch eine plötzlich ausgebrochene
Krankheit seiner kaiserlichen Mutter bis zum 2. Januar in der
Burg.'zurückgehalten. Nachdem die Gefahr für das Lebeti der M a d e r - i-
S ch a h -durch die Kunst des europäischen Leibarztes Dr. T h o lo z a n mit
Anwendung magnetischer Mittel glücklich beseitigt war, liefs sich der „Mittelpunkt
des Weltalls«' nicht weiter in T e h e ra n halten und verliefs am
2 Jannar bei strömendem Regen die kaiserliche Burg, um auf zehn Tage
im Thale von Dschadscherúd dem edlen Waidwerk obzuliegen. Der Regen
machte Miene gar nicht zu enden und schien es auf den Einsturz sämmt-
lichei Häuserdecken abgesehen zu haben. In dem neuerbauten Hause, welches
wir bewohnten, warmer bereits durch die Decken gedrungen, tröpfelte
fortdauernd durch die geöffneten Spalten auf uns hernieder, so dafs zuletzt
die ganze Kalk- und Gipsbekleidung aüfweichte, spaltete und mit lautem
G e k r a c h auf unsere Häupter niederstürzte. -
Wir hatten es offenbar -dem Schah zu danken, dafs das schlechte Wetter
so plötzlich und, nachhaltig T eh e ra n heimsuchte,; erfreuten uns aber
dennoch nach zweitägiger Hegendauer e i n e s , langanhaltenden ^Umschlages
zum schönen Wetter. D i e s e r Temperatur Wechsel hatte auf die Zahl der
Cholerafälle durchaus nicht ungünstig gewirkt, da das Verhältnifs der Tod-
ten vom 4. bis zum 1 Januar sich wie 1 7 :1 5 :3 :0 darstellte. Die persischen
Aerzte schöpften wieder Hoffnung, da selbst ihr berühmtester fttedicus, der
alte einbeinige Mollah M u hm nm ed trotz aller arabischen Lehrbücher seihen
S c h a g irT s oder Schülern keinen einzigen Fall der Rettung vom Tode mit
Hülfe seiner Kunst aufweisen könnte.. .Am 8. Januar zeigten sich zwei Todesfälle;
von hier ab war die Krankheit von Neuem im Zunehmen begriffen.
An dem eben bezeichneten Tage hatte ich dife unangenehme Aufgabe,
einen Streit wegen Strafsenkampfes zu sehlichten, bei welchem die persischen
Di,ener unserer Gesandtschaft und ein kurdischer Diener des Mn