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 die  gegebenen  Schilderungen  unsern  Wunsch  rege,  die  berühmten  Silberminen  
 bei  Wladikawkas  zu  besuchen  und  von  da  aus  eine  Excursion  zu  
 Pferde  nach  den  nahe  gelegenen  Eisgletschern  zu  unternehmen.  Leider  
 wurde  dieser  Plan  durch  unsern  langen  Aufenthalt  in  Tiflis  zu  Wasser,  so  
 dafs wir  nur  im Fluge  Wladikawhas  berührten.  Auch  einen Berliner Landsmann  
 hatten  wir  die  Freude  kennen  zu  lernen,  Hrn.  Siem e n s ,   einen  der  
 Ingenieure  der  weltbekannten  Telegraphen-Fabrik  S i eme n s   und  Haj ske  
 in  Berlin.  Er  war  für  eine  Zeit  lang  in  russische  Dienste  getreten,  und  
 hatte  den Auftrag,  den Kaukasus  mit  einem  Telegraphennetz  zu  bedecken,  
 um  das Herz  dieser Landschaft,  Tiflis,  mit  dem  übrigen  Rufsland  in  unmittelbare  
 Verbindung  zu  setzen.  Seine  Bekanntschaft  war  uns  um  so  angenehmer  
 und  lehrreicher^  als  Hr.  S i e m e n s   ein  weitgereister  Mann  ist,  der  
 einen  Ungeheuern  Theil  unserer  Weltkugel  gesehen  und,  unter  ändern,  die  
 südlichen Theile Asiens  durch  unterseeische Telegraphen mit Europa  in Con-  
 tact  gebracht hat.  Fast  schätzte  ich  mich  noch  glücklich, nur in Persien gewesen  
 zu  sein,  wenn  ich unter anderen  seine Schilderung offizieller Rattendiners  
 in  Batavia  hörte.  Wissenschaftlich  interessant  war  mir  seine  Mittheilung, 
   dafs  die  unterseeischen  Telegraphenkabel  in  den  Südmeeren  ohne  
 Ausnahme  nach  Zerstörung  des  Kautschuks',-  durch  Einflufs  des  Seewassers, 
   unbrauchbar  geworden waren,  während  die Kabel  in  den Nordmeeren  
 diese  Erscheinung  nicht  darbieten  sollen. 
 Unsere Heimkehr  nach  dem Hotel  führte  uns  jedesmal  durch  die .lange  
 Strafse  des  Würtembergischen  Colonistendorfes,  das  wie  früher  so  auch  
 gegenwärtig  der  verpflanzten  deutschen  Landsmannschaft  halber  unsere  
 ganze  Aufmerksamkeit  anzog.  Die  kräftigen  Hausväter  mit  ihren  deutschen  
 Zügen  und  ihrer  nationalen  altdeutschen  Tracht  safsen,  aus  langen  
 Pfeifen  rauchend,  unter  den  schattigen  Bäumen  vor  den  Thüren  ihrer Gehöfte, 
   und  bildeten  einen  seltsamen  Gegensatz  zu  den  russischen  Militairs  
 und  der  malerischen  grusinischen Bevölkerung,  welche  zu  Fufs,  zu  Pferde  
 und  in  schnell  dahin  rollenden  W agen  an  der  langen  Doppel - Häuserzeile  
 der  Colonie  vorüberzogen.  Für  mein  Leben  gern  wäre  ich  durch  das  hölzerne  
 Gitterthor  in  eins  der  deutschen  Gehöfte  eingetreten.,  wenn  mich  
 nicht  der  bekannte  Hafs  der  Colonisten  gegen  ihre  deutschen  Landsleute  
 jedesmal  davon  zurückgehalten  hätte.  Obgleich  sie  Lutheraner  sind,  fällt  
 ihr Kalender  mit  dem  russischen  zusammen,  und  sie  feiern  nicht nur Ostern, 
 sondern  auch  die  übrigen Feste  des  christlichen  Jahres  nach  dem Kalender  
 ihrer  neuen  russischen  Herren. 
 Den  3.  Mai  (am  russischen  Charfreitage).  Die  neuesten  Nachrichten  
 über  den  Zustand  der  Bergstrafse  von  Tiflis  nach  Wladikawkm  lauteten  
 immer  noch  sehr  wenig  befriedigend.  Frisch  gefallene  Lawinen  hatten  sie  
 unwegsam  und  sogar  gefährlich  gemacht.  Die  Lawinen  richten  Jahr  aus  
 Jahr  ein  auf  einem  bedeutenden  Theil  dieser  Strafse  diè  gröfsteu  Schäden  
 an,  und  der  ewige  Neubau  der  Bergchausséen  hat  bereits  soviel  Summen  
 verschlungen,  dafs  Kaiser  Nicolaus  mit  Recht  sagen  konnte,  die  Kauka-  
 susstrafse  koste  ihm  -soviel  Geld,  als  wenn  sie  mit  Silberrubel  gepflastert  
 wäre. 
 In  so  unfreiwilliger  Wartezeit  konnten  wir  nur  mit  Freuden  das  Anerbieten  
 des  Herrn  v. Te n g o b o r s k i   annehmen,  gemeinschaftlich  mit  ihm  
 und  Herrn  Graf   in  zwei  bequemen  Reisedormeusen  eine  Fahrt  nach  Gori  
 und  der  versteinerten  Stadt  in  der  Nähe  dieses  Ortes  zu  unternehmen.  
 Am  1.  Mai  gegen  eilf  Uhr  zogen  wir  durch  den  Boulevard  von  Tiflis.  Die  
 russischen  Postillone  unterhielten  sich  in  lustiger  Geschwätzigkeit  mit  ihren  
 sechs  Pferden  vor  jedem  Wagen.  Bald  lag  der  abschüssige  Weg  um  
 das  Kaiserkreuz  herum  hinter  uns,  und  wir  traten  in  eine  üppig  grüne  
 frische  Frühlingsnatur  hinein.  Die  rauschende Kura blieb  zur  rechten Hand  
 unserer  Strafse  liegen,  welche  den  Fufs  des  Gebirges  einnimmt.  Das  letztere  
 war  mit  einer  so  üppigen  Baum-  und  Strauchvegetation  bedeckt,  dafs  
 man  hätte  meinen  sollen  in  den  Gängen  eines  blumigen  Parkes  zu  fahren.  
 Voll  anmuthiger Herrlichkeit  ist  diè  weite Aussicht  über  die grünen Felder  
 und  Berge  jenseits  der  KiCra,  die  mit  zahlreichen  Heerden  und  bunt  gekleideten  
 Wanderern  bedeckt  sind.  Die Reisenden  trugen  die malerischsten  
 Trachten  und  waren  fast  alle  biè  zu  den Zähnen  bewaffnet.  Denn  der Georgier  
 ist  stolz  auf'seine  Waffen,  und  ein  Gesetz  des  Verbotes,  dieselben  
 zu  tragen,  würde  eine Revolution  im  Lande  hervorrufen.  Dabei  haben  sie  
 manche  sonderbare  Sitte,  wie  z. B.  ein  Georgier  denjenigen  niederstofsen  
 würde,'  der  ihm  den  Dolch  halb  und  nicht  ganz  aus  der  Scheide  ziehen  
 wollte.  Er  würde  im  ersteren  Falle  glauben,  der Andere wolle  ihm Furcht  
 einfiöfsen.  So  wenigstens  erzählte  man  mir. 
 Bald  waren  wir  vor  der  ersten  Poststation  mit  dem  schweren  Namen  
 Mtzchet  angelangt.  Schon  vorher, sieht  man  von  der  hoch  gelegenen  
 Bergstrafse  aus  an  der  linken  Seite  der  Kura  diese  alte  Hauptstadt  von 
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