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 hindurch,  linker  Hand  blieben  die  von  Wolken  bedeckten  kaukasischen  
 Berge  liegen,  während  am  Ende  der  Strafse  waldreiche  Hügel  aus  der  
 Steppe  hervortauchten  und  sich  in  langer  Linie  nach  Osten  hin  am  Horizonte  
 fortsetzten.  Hier  und  da  zeigten  sich  auf  der  Ebene  die  seltsamen  
 \) achtposten  der Linien-Kosaken.  Neben  einem Hause mit Strohdach,  ziemlich  
 hoch  gelegen,  von  Staketenwerk  umzäunt  und  von  grünem  Gesträuch  
 umkränzt,  erhob  sich  auf  vier  Stangen  ein  von  einem  kleinen  Dache  
 gekröntes  Gerüst,  in  der  Mitte  mit  einem  Holzbalkon  versehen,  zu  dem  
 eine  lange  steile Leiter  hinaufführte.  Auf  diesem  windigen  Platze  hält  der  
 Kosak  in  der  Tschet'keska  eifrig  Wacht,  die  Augen  stets  nach  der  ebenen  
 Fläche  hingerichtet,  um  etwaige  Bewegungen  plünderungssüchtiger  
 Bergbewohner  zu  erspähen  und  durch  Signale  den  nächsten  Holzposten  
 und  Kosaken - Stanitsen  sofort  mitzutbeilen.  Wir  begegneten  auf  unserer  
 Strafse  ungemein  zahlreichen  und  so  prachtvollen  Binderheerden,. wie  ich  
 sie  niemals  mehr  in  der  Welt  wiedergesehen  habe.  Bisweilen  stiefsen  wir  
 auf  vierrädrige  beladene  Karren,  die  von  zwei  Ochsen  gezogen  wurden  
 und  meistentheils  von  einer  militärischen  Bedeckung  begleitet  waren. 
 Die  nächste  Station,  die  dreizehnte  von  Tiflis  aus,  führt  den  Namen  
 Archonsk.  Wir  lernten  in  ihr  zum  ersten  Mal  eine  der  schönen  reinlichen  
 Stahitzen  oder Kolonistendörfer  der  angesiedelten und von Stenern befreiten  
 Linien-Kosaken  kennen,  die  mit  ihrem  blonden  Haar  und  blauen  Augen  
 einen  merkwürdigen Gegensatz  zu  der  übrigen Bevölkerung des Landes  bilden. 
   Die Stanitza ist von natürlichen,  schwer  zu übersteigenden Dornheoken  
 umgeben;  ein Holzthor,  an  welchem  sich  oben  auf  einer Tafel  der  schwarz  
 auf  weifs  geschriebene  Name  des  Dorfes  und  Sonstiges  befindet,  führt  in  
 die  breite  flauptstrafse  der  Stanitza,  aus  der  am  entgegengesetzten  Ende  
 ein  zweites  Thor  hinausführt.  Neben  dem  Thore  im  Innern  des Ortes  erhebt  
 sich  das  kurz  zuvor  beschriebene  eigenthiimliehe  Holzgerüst,  und  gegenüber  
 ein Schuppen  mit  einer Kanone,  einer Spritze  und  einem  gewöhnlichen  
 Schilderhause  davor.  Die  Häuser  an  den  beiden  Seiten  der  Strafse  
 sind  aus  Holz  aufgeführt,  schneeweifs  angestrichen,  sehr  sauber  gehalten  
 und  von  Heckenzäunen  umgeben,  in  deren  Innern  sich  zunächst  Baumund  
 Küchengärten  befinden.  In  der Mitte  des Dorfes  zeigt  sich  auf  einem  
 sehr  geränmigen  Platze  in  Kreuzesgestalt  die  weifs  angestrichene  Holzkirche  
 mit  grüner  Bedachung,  die  gleichfalls  wie  alle  übrigen  Baulichkeiten  
 des  Ortes,  die  freistehenden  Heiligenbilder  mit  eingerechnet,  von  Hecken 
 nmgttrtet  ist.  So  wie  ein  Lärmschufs  ertönt,  steigt  was  reiten  kann  zu  
 Pferde,  die  Kanonen  werden  aufgefahren  und  das  ganze  Dorf  in  Verthei-  
 digungszustand  gesetzt.  Diè Mannschaften  der  verschiedenen  Stanitzen vereinigen  
 sich,  um  die  andringenden  Feinde  zurückzuwerfen,  die  aber  meist  
 so  klug  sind,  nie  bei  Tage,  sondern  in  der  Nacht  ihre  plötzlichen  Angriffe  
 auf  eine  Kosaken - Stanitza  auszuführen.  Gelingt  ihnen  ein  solcher  
 Ueberfäll,  so  wird  gewöhnlich  das  ganze  Dorf  in  Brand  gesteckt,  ausgeplündert  
 und  die  Frauen  und Kinder  der  Kosaken  in  die  Sclaverei  geführt. 
 Nachdem  wir  in  der  Kosaken - Stanitza  die  Pferde  gewechselt  hatten,  
 setzten  wir  unsern  Weg  ohne  Aufenthalt  fort  und  gelangten  zunächst  zu  
 einem  Flusse,  über  welchen  eine  zerbrochene  Brücke  führte.  Russische  
 Soldaten,  welche  dieselbe  von Neuem  aufbauten,  schoben  uns  hinüber  und  
 flugs  ging  es  auf  der  entgegengesetzten  Seite  über  ein  blumiges  Steppenland  
 weiter.  Wir  hatten  die  Freude,  oft  ganze  Strecken  der  Landstrafse  
 entlang Rosenhecken  und  andere  blumentragende  Sträucher  zu  bewundern,  
 so  dafs  wir  oft  kaum  im  Stande  waren  über  die  grünen  Mauern  hinwegzusehen. 
   Hier  und  da,  wo  den  Blicken  eine  freie  Aussicht  gestattet  war,  
 entdeckten  wir  eine  Monge  blumenreicher  vier  bis  fünf  Fufs  hoher  Hügel,  
 die  offenbar  kein  Werk  des  Zufalls,  sondern  die  Reste  alter  (Mongolen?)  
 Gräber  sein  müssen.  Am  Spätnachmittage  hatten  wir  das  Bereich  der Regenzone  
 überwunden,  wie  mit  einem Zauberschlage  klärte  sich  das  Wetter  
 auf,  so  dafs  wir  gegen Abend  den  grandiosen Anblick  der  von  der Abendsonne  
 gluthroth  beleuchteten  langen  weifsen  Kette  der  Kaukasusmauer  ge-  
 niefsen  konnten. 
 Mit  schöner  gewandter  Feder  hat  der  bekannte  Naturforscher M o ritz   
 W ag n e r  in  Seinem  „Kaukasus  und  das  Land  der  Kosaken“  den  Anblick  
 dés  grofsartigen  Naturgemäldes  so  charakteristisch  und  treffend  geschildert, 
 dafs  ich  aus  Mangel  eigener  Begabung  seine  Worte  an  dieser  Stelle  
 anführen  will,  nachdem  ich  bemerkt  habe,  dafs  der  Standpunkt  der  Beschreibung  
 dieser  kolossalen  Bergwand  die  Stadt  Jekaderinograd  gewesen  
 ist.  „Der  Nebel,.so  erzählt  W a g n e r,  der  uns  so  lange  den  Anblick  des  
 Kaukasus  mifsgönnt  hatte,  war  gefallen  und  eine  helle  Atmosphäre  leuchtete  
 über  Steppe  und  Gebirge.  Jetzt  freute  ich  mich  fast  des  düsteren  
 Wetters  der  letzten  Tage,  denn  die  Ueberraschung  war  um  so  schöner,  
 die  Wirkung  des  unbeschreiblich  grandiosen  Bildes  um  so  gewaltiger,  da  
 nun  der  Vorhang  so  mit  einem  Male  gefallen  war.  In  unabsehbarer Reihe