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 läge  meiner  Ankunft  besonders  feierlich  geschmückt,  da  die  kaiserliche  
 Fahne  auf  derselben  wehte. 
 Moskau,  das  müssen  gewifs  Alle  bestätigen,  die  längere  oder  kürzere  
 Zeit  daselbst  gelebt haben,  bietet als Panorama das Bild  einer  orientalischen  
 Stadt  dar,  nur  das  griechische  Kreuz  über  dem  mondförmigen  Zeichen  auf  
 den  Spitzen  der Kuppeln  benimmt  die  Meinung  des  vorausgesetzten  moha-  
 medanisehen Ursprungs.  Der Architekturstyl,  in  manchen  Détails  vielleicht  
 plump  und  unschön,  macht  dennoch  im  Ganzen  und  Grofsen  einen  so  
 mächtigen  Eindruck,  dafs  man  es  vollkommen  begreift,  wenn  bei  dem  
 Anblick  der  alten  Krönungsstadt  dem  Russen  das  Herz  höher  schlägt. 
 Der  Eintritt  in  die  Stadt  von  der  Seite  der  Chaussée  von  Tula  aus  
 empfiehlt  sich  wenig  und  bereitet  in  keiner  Weise  auf  den  Einzug  in  das  
 Thor Asiens vor.  Schlechte Holzbaracken  liegen  rechts  und links  am Wege,  
 d er,  zunächst  ungepflaslert,  über  einen  grofsen Platz  hinweg  nach  breiten,  
 gepflasterten Gassen  einer  Vorstadt  führt.  Eine  Steinbrücke  verbindet  mit  
 einander  die  Ufer  der  Moskwa,  welche  beinahe  ganz  und  gar  mit  bunt  
 durch  einander  schwimmenden Baumstämmen  bedeckt war,  die wahrscheinlich  
 als  Nutzholz  ihrer  Verwendung  harrten. 
 Der  Tarantas  bewegte  sich  laut  rasselnd  zwischen  langen  Strafsen-  
 zeilen,  nahm  schliefslich  seine  Richtung  nach  dem  Kreml  hin,  von  welchem  
 aus  das  Hurrabgeschrei  zahlreicher  den  Kaiser  begrüfsender  Menschen  
 niederwärts  hallte,  und  wendete  sich  rechter  Hand  in  die  engen  
 und  geschäftsreichen  Straften  der  Lubianka,  woselbst  das  mir  empfohlene  
 Hôtel  Labadih  gelegen  ist.  Auf  der  ganzen  Fahrt  durch  die  sehr  bevölkerte  
 Stadt  hatte  ich  die  Beobachtung  gemacht,  trotzdem  mein  Auge  von  
 den  Mündern  Moskaus  ganz  erfüllt  war,  dafs  der  Jemtschik  vom  auf  dem  
 Tarantas  in  der  Nähe  der  Kirchen  und  der  Heiligenbilder  sehr  häutig  den  
 Hut  abnahm  und  sich  bekreuzte,  ebenso  wie  die  Leute  auf  der  Strafse,  
 welche  als  gute  Orthodoxen  den  Heiligen  in  der  bezeichneten  Weise  ihre  
 Huldigung  ausdrückten. 
 Als  der  Tarantas  nun  endlich  mit  uns  und  unserem  Gepäcke  vor  dem  
 prachtvollen  Hôtel  stillhielt  und  fein  gekleidete  Kellner  die  breiten  Glas-  
 thüren  des  geschmackvoll  construirten,  mit  Blumen  besetzten  Treppenhauses  
 öffneten,  die  breiten  Steinstufen  hinabstiegen,  um  behülflich  zu  sein,  
 da  sah  ich  den  ersten  deutlichen  Schlufstein meiner persischen Reise,  schüttelte  
 den  Staub  von  meinen  Füfsen,  vergafs  die  vergangene  traurige  Zeit  
 und  sah  vergnügten  Herzens  die  nächste  Zukunft  vor  mir  liegen. 
 Die  angewiesenen Zimmer  des Hotels waren  in  französischer Weise  elegant  
 ausgestattet.  Neben  den  Luxusmeubeln  erregte  die  Sonnerie-  an  der  
 Wand  meine, besondere  Aufmerksamkeit.  Die Ausbeute  der  Erfindung  des  
 elektrischen Telegraphen hat in Moskau  so  bedeutende Fortschritte  gemacht,  
 dafs  die  Bedienung  in  den Hotels  auf  te le g r a p h i s c h em  Wege  vermittelt  
 wird.  Man  hat  nur  nöthig  auf  eine  Knopfgarnitur  neben  dem  Worte  „Sonnerie“ 
   zu  drücken  und  der  citirte  dienstbare  Geist  wird  nicht  ermangeln  
 sofort  zu  erscheinen. 
 Nachdem  ich  von  Charkow  aus  bis  Moskau  den  ganzen  langen  Weg  
 in  drei  und  einem  halben  Tage  zurückgelegt  hatte,  durfte  ich  mir  wohl  
 eine  mehrtägige Ruhe  gönnen.  Auch  diese  benutzte  ich  nur  dazu,  um Moskau  
 zu  durchstreifen  und  seine Sehenswürdigkeiten  kennen  zu  lernen.  Die  
 Temperatur  war  äufserst  angenehm,  nur  konnte  ich  es  nicht  recht  fassen,  
 wie  die Russen  bei  dem  heitersten Himmel  und  bei  einer Hitze  von  durchschnittlich  
 zwei  und  zwanzig  bis  vier  und  zwanzig  Graden  Reaumur  auf  
 Geschäftsgängen  und  auf  den Promenaden  mit  Regenschirmen  und  Gummiüberschuhen  
 einherstolzirten. 
 Ich  kann,  als  meinen  Zwecken  ganz  fern  liegend,  nicht  den  Versuch  
 machen  wollen,  den  Lesern  dieses  Buches  eine  Beschreibung  der  wunderbaren  
 Stadt  Moskau  vorzuführen.  Dazu  habe  ich  zu  wenig  gesehen  und  
 zu  kurze  Zeit  in  der  alten  Czarenstadt  gelebt.  Ueberdies  drängte  es  mich  
 die Heimath  zu  erreichen  und  dem  ruhelosen Wanderer  schlugen  alle Pulse  
 viel  zu  sehr,  um  eine  recht  gründliche  Beschreibung  des  Gesehenen  den  
 letzten  Blättern  des  Tagebuches  der  asiatischen  Reise  anzuvertrauen.  Hat  
 mir  auch  ein  vornehmer  Russe  einmal  im  Scherze  die Bemerkung  in’s Ohr  
 geraunt:  „Monsieur-,  nous  sommes  des  Asiatiques  en  habit  noir“,  so  hat  
 er  sicher  vom  geographisch-culturhistorischen  Standpunkte  aus  Asien  mit  
 Europa  versöhnen  und  mir  persönlich  Gelegenheit  zum  Beweis  des Gegen-  
 theils  geben  wollen.  Asien  lag  mir  im  Rücken,  und  wenn  auch  Moskau  
 in  manchen  Beziehungen  als  grofses  Völkerthor  angesehen  werden  mag,  
 welches  von  der  Landseite  her  den  Eingang  zu  Asien  öffnet,  so  ist  doch  
 andrerseits  das  Leben  und  Treiben  so  überwiegend  europäisch,  dafs  es  
 Niemand  wagen  darf  an  asiatische  Reminiscenzen  zu  denken.  Was  ich  in  
 Moskau  am  meisten  bewundert,  will  ich,  schon  um  dankbaren  Empfin