unserer Karawane hatten sich nach der „Festung“ begeben, d. h. nach dem
Dorfe, um gegen baare Bezahlung für die Thiere Gerste zu erhandeln. Man
war mit den Bewohnern über den Preis schliefslich einig geworden, die
Wehscharener hatten sogar das Geld bereits in Empfang genommen, brachten
aber mit persischer Schlauheit nur etwa die Hälfte des abgehandelten
und zu liefernden Getreides zum Vorschein. Der Streit blieb nicht aus,
es kam bald zum Handgemenge auf offenem Platze im Dorfe und der
dienstwillige, aber etwas stürmische Bakhtiare, ebenso wie der Tscherwaddr
erhielten Beulen und Wunden. Man stellte nothgedrungen den ßückzug
an und trug dem Gesandten den Gewaltstreich der Leute in der Festung
in angemessener Weise vor. Nicht Gegenschlag, sondern die Macht des
Rechtes konnte allein den so böse begonnenen Streit zu einem guten Ende
führen. Nach kurzer Berathung was zu thun sei, wanderte der getreue
Jahijd in Begleitung unseres Wekil-Baschi’s und unserer aus drei Mann bestehenden
militärischen Bedeckung nach der Festung, um in feierlicher
Weise den im Namen S. M. des Schah ausgestellten Reise-Firman im Angesicht
der Alten des Dorfes aufzurollen und Genugthuung für ein so ungastfreundschaftliches
Benehmen zu fordern. Beim Eintritt in die Feste
war alles wie ausgestorben. Der Kedkhodd und sämmtliche übrigen männlichen
Bewohner hatten, vom bösen Gewissen geplagt, es vorgezogen sich
zu verbergen und den Weibern die Sorge der Vertheidigung überlassen.
Kaum hatte Jahijd, den Firman in der Hand, seinen Mund geöffnet und
nach dem Verbleib der Männer gefragt-, als die versammelte Weibermenge,
Alte und- Ju n g e ,_ein ungeheures Geschrei erhob, das über die Festungsmauer
hinweg bis nach unserer Tschaparkhaneh herüberschallte. Mit Thrä-
nen in den Augen und mit erhobenen Armen baten sie jammernd um
Gnade, besonders als der nachträglich hinzugekommene Bakhtiare anfing
ganz lästerliche Drohreden auszustofsen. Wuthschnaubend und rasend verschwur
er sich hoch und theuer, dafs sein Schahzadbh diesen Söhnen Lot’s
ohne Barmherzigkeit den Kopf würde absäbeln lassen und dafs die Festung
am längsten eine herrliche Festung gewesen sein würde. Was sollte mit
den Weibern allein angefangen werden? Da kein einziger Mann sich blicken
liefs, denn der Perser ist ebenso anmafsend und hochmüthig als furchtsam
und feig, zog die Deputation unverrichteter Sache ab und es.blieb dem
EltscM nichts anderes übrig, als einen Klagebrief gegen das Dorf an den
Schahzadeh aufzusetzen, denselben nach Isfahan zu adressiren und dem
Bakhtiaren, der von hier an Abschied von uns nehmen mufste, zur Besorgung
zu übergeben. Somit war der Lärm vorläufig zn Ende geführt, doch
wurde der Bakhtiar ein Paar Stunden darauf im eifrigsten Gespräch mit
zehn Dorfbewohnern überrascht, die hinter einer abseit liegenden Mauer
mit ihm Platz genommen hatten, den gefüllten Kaliun der Reihe nach
herumwandern liefsen und augenscheinlich über geeignete Mittel und Wege
verhandelten, das drohende Unwetter von Wehscharith abzulenken. Dafs
sein Vortheil — das unvermeidliche Mudakhil -— dabei eine sehr bedeutende
Rolle spielte, läfst sich von vornherein leicht errathen.
Wir waren ziemlich unmuthig ob der überstandenen Aergerlichkeiten
und verlebten den Abend sehweigsam mit uns selber beschäftigt auf dem
Dache der Tschaparkhaneh. Die Aussicht von hier aus war nicht ohne landschaftlichen
Reiz, besonders als die Sonne zu Rüste ging und das gegenüberliegende,
zerstörte grofse Dorf Mahsiidbeg an der Strafse von Qumischeh
nach Eminabdd und die Bergkette dahinter wie in Rosenschimmer zu zer-
fliefsen schien, bis allmählig dunkle Schatten den Zauberglanz verwischten
und die Nacht mit ihren schwarzen Flügeln die ganze Landschaft verhüllte.
Unser Eltschi liefs in der Finsternifs so frühzeitig das Zeichen zum
Aufbruch geben, däfs wir bereits eine Stunde nach Mitternacht aus dem
Thore der Tschaparkhaneh hinauszogen, um über Gräben und löcherige Felder
hinweg die grofse Karawanenstrafse wiederzugewinnen. Der Tagemarseh
für den achten October war voraussichtlich lang, ob langweilig sollte sich
erst später entscheiden. Um ein Uhr waren wir abgezogen, um neun Uhr
Morgens erreichten-wir das nächste Menzil, die Felsenstadt Jezdekhdst. Die
Kälte war grimmig, ein rauher Wind fegte über die breite Thalfläche einher
wir mufsten uns dicht und fest in unsere Reisemäntel hüllen. Links
und rechts von der Strafse zögen die lang ausgedehnten Ruinen, Sehutt-
hügel und leeren Taubenthürme von Mahsudbeg an unseren Blicken vorüber,
schreiende Eulen flatterten um die hohlen Thürme und in den verlassenen
Strafsen des Ortes umher und vermehrten durch ihre, spukhafte Erscheinung
das Traurige des Eindruckes einer Nachtreise durch Trümmer verwüsteter
menschlicher Wohnstätten, die sich auf beinahe eine Stunde Weges in ununterbrochener
Folge ausdehnten. Von hier aus bis nach Emm-ahad hin,
das wir kurz vor Sonnenaufgang erreichten, war keine Hütte sichtbar;
zerfallene Wachtthürme, einst vom Emir zum Strafsenschutz der Karawanen
gegen die räuberischen Anfälle der Bakhtiaren angelegt, waren die einzigen