Sie forderte, nach den Mittheilungen unsers liebenswürdigen Freundes Dr.
T h o lo z a n , des französischen Leibarztes des Schah, anfänglich wenig
Opfer und holte sich diese nur aus der Mitte der persischen Bevölkerung.
Wie es stets zu geschehen pflegt, mifshandelten die zuerst in Anspruch
genommenen persischen Aerzte die von der Krankheit Befallenen durch
ihre falsche Methode der Behandlung in einer solchen Weise, dafs den
erst in der höchsten Noth herbeigerufenen europäischen Aerzten die Rettung
derselben vom Tode unmöglich war. Unter den letzteren befand
sich ein deutscher Landsmann, Dr. B im s e n s te in , welcher nur vor
Kurzem in Teheran angekommen war, in türkischen Diensten stand, und
von Constantinopel aus als Quarantaine-Arzt der türkischen Gesandtschaft
in der Hauptstadt von Persien beigegeben ward. Aufser ihm hatte sich
das in Teheran anwesende deutsche Element durch die Anwesenheit eines
Oesterreichischen Jäger-Offiziers vermehrt, des Herrn G a s te ig e r , Ritter
v. R a b e n s t e in -R o b a c h , der auf eigene Kosten von Wien aus die grofse
Reise nach Teheran unternommen hatte und, früher an ihn ergangenen Aufforderungen
entsprechend, in die Dienste der persischen Regierung getreten
war. Zwei andere Deutsche, von denen der eine, schon lange in Persien
ansässig, das Posamentier-Handwerk in Teheran betrieb, der andere,
ein Gerber, persische Felle zu gerben im vergangenen Sommer nach Iran
gekommen war, vervollständigten die kleine deutsche Colonie, die in ihrer
Zusammensetzung aus einem Oesterreicher, einem Königlichen Sachsen,
einem Herzoglichen Sachsen und fünf Preufsen ein passendes Spiegelbild
des grofsen deutschen Vaterlandes abgab, jedoch mit dem Unterschiede,
dafs sich das Teheraner Deutschthum unter der Preufsischen Hegemonie
einer vollständigen Einigkeit erfreute.
Die Stimmung in Teheran hatte unter der Bevölkerung seit der Zeit
unserer Abwesenheit eine entschieden andere Physiognomie angenommen.
Es war nicht mehr der lachende, heitere, geschwätzige Perser von ehemals,
welcher die Bazare und Gassen Teherans sofglos durchstreifte, sondern
eine düstere, von Kummer erfüllte und von Hunger geplagte Gestalt.
Wo man hinsah, bemerkte man unzufriedene Gesichter, und die Gespräche
der Leute berührten nur ein Thema: die Theuerung des Brotes und die
zunehmenden Preise der übrigen Lebensmittel. Wenngleich die Ernte in
dem vergangenen Sommer schlecht ausgefallen war, so standen dennoch die
Preise für das Getreide in keinem Verhältnifs zu den Resultaten der Ernte,
sondern waren in künstlicher Weise von reichen Persern in die Höhe ge-
« Europa her die herzlose und bisher von den Regieren
gen -noch unbestrafte Speculation des Getreidewuchers kennen gelernt u
% Jahren die K oder Speicher der Stadt mit bilhg aufgekauft am G -
treide angefüllt, auf den Augenblick der höchsten Pi eise w a ren _
arme Bevölkerung litt bei solchen Zuständen am meisten, besonders da ei
harter Winter vor der Thür stand. Die Brotaustheilungen, welche auf Befehl
des Schah In der Stadt öffentlich stattfanden, konnten nur für einen
oder zwei Tage dem Uebel abhelfen, welches nachher um so etaiker empfunden
werden mufste. Recht persisch fand die Vertheilung J r G ™
die Armen nur an einem einzigen Orte statt, so dafs es nicht Wunder nehmen
konnte, als bei der ersten Brotaustheilung vierzehn Personen m e rt
Frauen und Kinder, unter der drängenden und geprefsten Masse m iw o rt-
Misten Sinne erdrückt wurden. Die besten Absichten f e * # »
durch derartige verkehrte Anordnung regelmäfsig zum Bosen verkehrt,
und statt Dank wird Fluch geerntet.
Es war natürlich, dafs die Theuerung, welche von Tag zu e
nahm, sich zuletzt auch in den höheren Kreisen der Bevölkerung fühlbar
machen mufste, und dafs ein Jeder mit Bangigkeit in die nächste Zukunft
sah, welche sicher nichts Gutes verheifsen konnte.
Die Gespräche in Teheran bildeten neben Cholera und Theuerung le
unglücklichen Ereignisse in Khorassan. Man hatte in Kenntnifs gebracht,
dafs die Turkomanen die Mehrzahl der persischen Gefangenen nach A W
hin verkauft hatten, und dafs sich unter ihnen auch der unglückliche französische
Photograph B lo c v ille befand, welcher, wie ich früher erzah t
habe, die Expedition nach Merw hin begleitet hatte. Die Turkomanen,
welche bekanntlich einen so öffentlichen Handel mit ihren Gefangenen betreiben,
dafs sie sogar, gegen alle Politik, die Perser gegen bestimmte Aus-
lösnngssummen an die Perser wieder verkaufen,'hatten anfänglich für den
gefangenen Franzosen das Lösegeld eines Sartip's oder Obersten, nämlich
2000 Dukaten verlangt, später aber die Summe um ein Beträchtliches
erhöht. B lo c v ille , welcher zuletzt in die Hände eines Schlachters gekommen
war, wurde von seinem Herrn, einem speculativen Kopfe, wie
ein sehenswürdiges Thier den Leuten gezeigt, und mufste
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