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 der  Mader-i-Schah,  hatte  seinen  Sohn,  einen  jungen  etwa  fünfzehnjährigen  
 Mann  zur  Begrülsung  gesendet.  Der  junge  Vetter  des  Schah  war  entsetzlich  
 verlegen  und  schüchtern,  so  dai's  ich  nur  mit  der  gröfsten  Anstrengung  
 im  Stande  war  die  in  persischer  Sprache  geführte  Unterhaltung  auch  
 nur veinigermafsen  in  Flufs  zu  erhalten.  Er  hatte  offenbar  nicht  viel  von  
 der Welt  gesehen  und  schien  ordentlich  froh  und  erleichtert,  als  ich  seine  
 Frage  nach  dem  Murekhes  oder  der  Erlaubnifs  zu  gehen  mit  den  höflichsten  
 Wendungen,  die  mir  aus  der  persischen  Sprache  zu  Gebote  standen,  
 verbesserte. 
 Den  ganzen  Nachmittag  über  bauten  wir  der unvermeidlichen Faulheit  
 Altäre.  Wenngleich  draufsen  die  Luft  sehr  kalt  war  und  der  Wind  aus  
 allen  Ecken  und  Enden  blies,  so  war  doch  der  Tag  sehr  schön  gewesen  
 und  hätte  zu  Spaziergängen  darch  die  Strafsen  der  sehr  zerfallenen  Stadt  
 verlockt,  wenn  uns  nicht  zarte  Rücksicht  gegen  das 'arme Bettelvolk  jeden  
 Gang  untersagt  hätte.  Kaum  hatten  wir  nämlich  den  Versuch  gemacht,  
 aus  dem  Thorweg  der  Hofmauer  in  die  Strafse  hinauszutreten,  so  fielen  
 ganze  Schaaren  von  Bettlern  auf  uns  los,  so  dafs  wir  uns  ihrer  kaum  erwehren  
 konnten,  am  allerwenigsten  aber  es  vermochten,  sie  vor  den Brutalitäten  
 der  wachthabenden  Soldaten  und  Ferrasehen  des  Gouverneurs  zu  
 schützen.  Die  Armuth  in  Zendschän  war  über  alle Beschreibung  furchtbar  
 und  zeigte  sich  in  den  abschreckendsten  Gestalten.  Unvergefslich  ist  milder  
 Anblick  einer  alten  halbnackten  Perserin  geblieben,  welche  bis  auf  
 die  Knochen  abgemagert  war,  in  der  einen  Hand  eine  steinhart  gewordene  
 Brotmasse  hielt  und  mit  stierem,  halb  wahnsinnigen  Blicke  die  andere  
 Hand  bittend  nach  einer  Gabe  ausstreckte.  Von  einem  Ferrasehen  
 des  Hakim  auf  das  Unbarmherzigste  gestofsen  und  geschlagen,  wimmerte  
 und  heulte  sie  vor  der Thür meiner Wohnung in  so herzzerreifsender Weise,  
 dafs  ich  kaum  schnell  genug  herbei eilen  konnte,  um  das  arme  Wurm  zu  
 schützen  und  ihr  das  wenige  Geld,  welches  ich  augenblicklich  bei  mir  
 trug,  mitleidig  in  die  Hand  zu  drücken.  Der  Anblick  des  menschlichen  
 Jammers,  der  Noth,  des  Elends  hat  nie-mein  Herz  so  tief  getroffen  und  
 bewegt,  als  auf  dieser  letzten  Reise  durch  das  erhabene  Iran.  Auch  in  
 Europa  giebt  es,  Gott  sei’s  geklagt!  Armuth  und Noth  in  Hülle  und Fülle,  
 aber  der  Betroffene  kann  doch  sicher  sein,  wenn  auch  nicht  immer  tbat-  
 sächliche  Barmherzigkeit,  so  doch  wenigstens  Mitleid,  Mitgefühl,  Schonung, 
   Theilnahme  bei  seinen  Nebenmenschen  zu  finden.  Man  mufs  in  
 Zendschän  die  ausgehungerten  nackten  Kinder,  die  nur  mit  Lumpen  und  
 Lappen  bedeckten,  in  den  schmutzigsten  Ecken  der  Strafsen  hockenden  
 abgezehrten  Weibsbilder  mit  stierem  Augenpaar  gesehen  haben,  um  das  
 menschliche  Elend  in  seiner  ganzen  Tiefe,  in  seiner  entsetzlichsten  Form  
 zu  begreifen  und  mehr  als Mann  sein,  um  nicht  wahnsinnig  zu werden  mit  
 den  Wahnsinnigen,  um  nicht  denen  zu  fluchen,  welche  nicht  nur  nicht  
 schonen,  wo  das  Elend,  wo  der  Jammer  die  höchste  Spitze  erreicht  hat,  
 sondern  welche  wie  Teufel  in  Menschengestalt  mit  Keulen  dreinschlagen  
 und  es  ordentlich  übel  empfinden  und  neidisch  werden  möchten,  wenn  so  
 ein  gemartertes  Wesen  die  dürren  Arme  nach  einem  Almosen  ausstreckt  
 und  vor  Freude  vergehen  möchte,  dafs  ein  Brosame  in  seine  ausgedörrten  
 Hände  fällt. 
 In Zendschän  ekelte  es  mich  an,  an  Edelsinn,  Grofsmuth  und  wie  alle  
 die  herrlichen Tugenden  des Menschengeschlechtes  in  den Lehrbüchern und  
 Predigten  der  Moralisten  heifsen  mögen,  zu  denken;  ich  hätte,  wäre  es  
 möglich  gewesen,  das  ganze  verkehrte  Meuschengeschlecht  in  leibhaftiger  
 Gestalt  am  Kragen  packen,  vollwüthig  zu  einer  solchen  Jammerecke  in  
 Zendschän  hinziehen  und  hinzerren  können  und  im  Angesichte  des  schreiendsten  
 Jammers  und  Elends  ihm  mit  tausend-  und  aber  tausendfachem  
 Echo  ins  Gesicht  höhnen  können:  „Menschheit,  du  bist  und  bleibst  ein  
 leerer  Name!“ 
 Wenig  passend  zu  einer  so  verzweifelten  Stimmung war  der  nothwen-  
 dige, Ehren-  und  Gegenbesuch,  welchen  ich  am  Abend  in  Begleitung  des  
 Herrn  v.  Grolman  dem  Gouverneur  der  Provinz  abzustatten  hatte.  Der  
 Weg  dahin  in  der  Umgebung-von  Soldaten,  Ferrasehen  und  fackeltragenden  
 Dienern  stand  in  vollständigster  Harmonie  zu  dem  sogenannten  Palais  
 S-.  E.  des Gouverneurs,  d. h.  er war  so  schmutzig,  löcherig,  halsbrecherisch,  
 mit  einem  Worte  so  unnatürlich,  als  das  ganze  Haus  mit  seinen  Vorhöfeu  
 und Bauten.  Eine  enge,  finstere,  durch Laternen  mager  erleuchtete Treppe  
 geleitete  nach  einem  Vorzimmei-,  einem  leeren  Raume,  mit  meist  weifsgetünchten  
 Wänden,  an  welchen  Ferrasehen  Posto  gefafst  hatten.  Eine  verhängte  
 Thür,  die  bei  unserer  Ankunft  gelüftet  wurde,  führte  uns  in  das  
 Heiligthum,  in  das  Empfangszimmer  des  Gouverneurs.  Bereits  am  Ein,  
 gange  kam  uns  der  letztere,  ein  schöner  Vierziger  von  untersetzter  Natur  
 mit  herrlich  gepflegtem  und  rabenschwarz  gefärbtem  Barte,  äufserlicb  als