Die Unbändigkeit der Klage hat etwas Dämonisches, und sie mufs selbst
diejenigen fortreifsen, welche, ohne Theil daran zu haben, zufällige Augenzeugen
derselben sind. Aber dem Schmerze, so augenscheinlich auch der
äufsere Ausdruck desselben ist, fehlt die stille wehmuthsreiche Innigkeit,
welche sich dem Herzen des leidtragenden Europäers eingräbt, es fehlt
ihm der Balsam religiöser Ergebung, es fehlt ihm die hoffnungsreiche
Vorstellung der Wiedervereinigung, des Wiedersehens im Jenseits. Der
Schmerz des Orientalen ist der Schmerz eines Mutterthieres, dem man die
Jungen geraubt hat, es ist unbändige Wuth und Verzweiflung in ihm enthalten,
die aber schliefslich mit der Zeit ihr gutes Ende erreicht. Die
persische Todtenklage hat mit der arabischen grofse Aehnlichkeit, die sich
hauptsächlich in der Anwesenheit der sogenannten Klageweiber, die gewöhnlich
gemiethet werden, kund thut.. Von welchen Gefühlen diese
Frauen begeistert sein müssen, davon kann ich einen lustigen Nachweis
aus meinen ägyptischen Reiseerinnerungen anführen. In-dem Dorfe Saqara,
in der Nähe der Ruinenstätte des alten Memphis, war -während meines
Aufenthalts in demselben im Jahre 1858 ein Mann gestorben, und seine
Familie hatte die nöthigen Klageweiber sofort eingeladen, um die übliche
Todtenklage in der vorgeschriebenen Weise auszuführen. Da sie in der
Nähe des von mir bewohnten Hauses stattfand, so hatte ich die erwünschte
Gelegenheit, ein genauer Augenzeuge derselben zu sein. Acht Weiber mit
blauen Lappen und Lumpen behängt, setzten sich in hockender Stellung
mitten auf der Gasse nieder, tauchten ihre gebräunten Hände in qinen
grofsen, mit flüssiger Indigofarbe angefüllten Topf, der in der Mitte des
Kreises stand, und ohrfeigten sich selber rechts und links eine ganze
Stunde lang auf das Wackerste, wobei sie Töne ausstiefsen, welche eher
von wilden Thieren, als von Menschen herzurühren schienen. In der Pause,
welche nun folgte, nahmen sie bei ganz heiteren Mienen und sich jeweilig-
unterhaltend Brot, Zwiebeln und Wasser als Nahrung zu sich und diefsen
im Kreise die mit /Mc<Ä-Tabak gefüllte Pfeife herumgehen. Kaum
war die Pfeife ausgebrannt, so begann die Klage in der beschriebenen
Weise aufs Neue, und wurde den ganzen Tag über von der unermüdlichen
Klagewelt so ausdauernd fortgesetzt, dafs ich sie schliefslich zum Teufel
hätte jagen mögen. Gegen- Abend wurde nun die eigentliche Trauer-
dekoration vorgenommen: sämmtliche Weiber beschmierten sich der Reihe
nach das Gesicht und die offene Brust mit nassem Strafsenkoth. Jetzt
stelle man sich den Anblick einer solchen ägyptischen Donna vor mit einem
beschmierten Gesichte, dessen Grundfarbe vor der Menge des aufgetragenen
Indigos und Schlammes neben dem herunterlaufenden Blut, das aus
den aufgeschlagenen Backen hervorläuft, gar nicht mehr zu erkennen ist,
die in der einen Hand ihre Pfeife mit dem Tabaksbeutel-, in der anderen
vielleicht Brot und ein Paket Zwiebeln trägt, und man wird ungefähr eine
Ahnung von dem haben, was es heifst, das Geschäft einer Klagefrau mit
Anstand und Würde durchzuführen.
Der Leichenzug bewegte sich über die Bogenbrücke hinweg bei der
Karawanserai vorbei nach dem Todtenacker von Jezdekhdst, der an dem
Fufse der. höhlenreichen, steil abfallenden Thalwand gelegen ist. Nach
einer Stunde kehrten die Leute, wie es schien nicht sonderlich traurig,
von dem Begräbnifs zurück, nur die Familie setzte ihre laute Todtenklage
auch bei der Heimkehr fort.
In dem Posthause war es so kühl, dafs ich mich in meinen Reisepelz
hüllen mufste, und dafs die Perser gegen Mittag mehrere Zimmer in der
Tschaparkhaneh zu heizen begannen. Die Art der Heizung bestand darin,
dafs man ein rundes Loch, das einen Fufs im Durchmesser hatte und in
der Mitte des Gemaches gelegen war, mit glühenden Kohlen anfüllte und
darauf Asche streute. Ein Bewohner des Ortes benutzte die Anwesenheit
einer fränkischen Karawane, um durch Ueberreiehung zweier Teller mit
vertrockneten süfSen Aepfeln und schwarzer Weintrauben den Gefühlen
seiner unbegränzten Hochachtung einen entsprechenden Ausdruck zu geben.
Als ich am Abend gegen-sieben Uhr beschäftigt war, meine'Correspondenz
nach Europa zu beenden, hatte j ich das Vergnügen einer Nachtmusik,
welche von Hyänen, Wölfen und Schakalen äusgeführt wurde. Die Thiere
umgaben von allen Seiten unser 'einsam gelegenes Posthaus, und zogen
sich erst zurück", als man aus dem Qasr Jezdekhdst sämmtliches Hundevolk
losgelassen hatte, das sich unter heftigem Gebell auf die Wüstenmusikanten
losstürzte. Es versteht sich von selber, dafs hierdurch ein
Mordspectakel entstand, wie man ihn nicht alle Tage zu hören Gelegenheit
hat. U - -
Am ändern Morgen um sechs Uhr verliefsen wir mit Sonnenaufgang
das Terrain des so merkwürdigen Ortes Jezdekhdst, wanderten vier lange
Stunden auf der öden KaraWanenstrafse einher und machten in einer alten
Karawanserai im Angesicht des Dorfes Ermhabdä einen kurzen Halt. Das
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